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Matauranga Maori

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Begonnen von Gefährliche Bohnen, 15. Dezember 2023, 23:07:50

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zimtspinne

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 16. Dezember 2023, 20:40:53Absolut. Es tat mir auch tatsächlich die ganze Zeit beim Lesen ein bisschen Leid, weil sowas ja auch eigentlich spannend ist aus kultureller Sicht. Man kann da auch auf der Meta-Ebene viel lernen, glaube ich, wenn man das erhält und erforscht. Wie Menschen so gestrickt sind, was Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Populationen sind und wie Menschen eben versuchen, die Welt um sich herum zu erklären. Und natürlich sollen die Maoris ihre Traditionen pflegen dürfen.


Das knüpft aber schon wieder direkt an diese romantisierende, idyllisierende Sichtweise an, die man gerne beim Verklären von "Naturvölkern" (auch "edle Wilde") einnimmt.

Jede Mythologie und auch jede Stammesreligion hat ihre Schattenseiten, die womöglich Leid und Unheil über viele Stammesmitglieder brachten. Und die konnten nicht einfach austreten aus dem hauseigenen Glaubenssystem und sich ein besseres suchen, wie wir das heute können.

Mir fallen bei Aberglauben, Legenden und Mythen (uns in Europa betreffend) deutlich mehr Schadwirkungen ein als Nutzen. Heute und früher. Dafür ist die oben genannte Alternativmedizin ein gutes Beispiel.

Oder ist das etwas vollkommen anderes, weil wir ja nicht kolonialisiert wurden von fremden Mächten?
Ausgebeutet und unbarmherzig beherrscht wurden wir (Vorfahren) trotzdem, wenn ich nur an Inquisition und Hexenverfolgung denke.

Diese durchweg überpositiv dargestellte Mythologie der Maori finde ich erstmal suspekt. Eine kritische Betrachung findet man allerdings auch nicht.
Es geht ja nicht ums Schlechtreden, sondern eine realistische Darstellung. Ohne verklärende Schnörkel.

Ich fange hier jetzt nicht an, Bräuche und Rituale wie die Genitalverstümmelung und Witwenverbrennung aufzuzählen, aber unter den Tisch fallen lassen möchte ich sie auch nicht. Traditionen, die fast die Hälfte der Bevölkerung bestialisch verstümmeln, sind nicht erhaltenswert.

Hat nichts mit den Maori zu tun, aber auch bei ihnen gibt es sicherlich Traditionen, die wenig sinnstiftend oder meinetwegen auch identitätsstifend sind.
Mir geht es um diese verklärende, romantisierende Sichtweise, die ich kritisiere.
Das wäre dann die postideologische Betrachtung - globaler Süden ist immer das Gute und Edle, Schattenseiten gibt es nicht, nur Licht.
Reality is transphobic.

eLender

Zitat von: zimtspinne am 17. Dezember 2023, 12:02:22Dawkins hat auch eine Meinung zu Maori-Mythologie.
:anbeten:

(Ups, bin ja nicht gläubig, aber wenn mir Dawkins am So. vor die Linse kommt, habe ich beinahe ein kirchliches Erlebnis ;D  ;) )

Ernsthaft: Er sagt in seiner immer sehr klaren und direkten Art, worum es geht und wo das Problem liegt. Er sagt ungefähr das, was u.a. ich auch gesagt habe: es geht einzig darum, dass man Wissenschaft (Fakten) von reinen Überzeugungssystemen (Fiktion) trennt. Wäre die "Maori-Wissenschaft" eine Veranstaltung der ersten Art (faktisches Wissen über die Welt, empirisch belegt), dann bräuchte man gar nicht zu streiten. Dann gäbe es nämlich keinen Dissens zwischen den "Wissenssystemen". Aber auch Böhnchen hat es schon angedeutet: wenn das quasi die gleichen Ergebnisse (Theorien, Modelle, Erklärungen) liefert, wie die "westliche" Wissenschaft, dann wäre das obsolet und hätte rein kulturelle und historische (und für manche Menschen auch religiöse) Bedeutung.

Die Dame (die die Maori-Wissenschaft verteidigt) sagt: die Polynesier hätten auch schon vor über 3000 Jahren über die Weltmeere navigieren können, und das ganz ohne die moderne Wissenschaft. Das ging aber nur, weil sie nichts gemacht haben, was gegen aktuelle Erkenntnisse spricht. Das ist auch weitgehend praktisches Wissen, das keine großen Theorien erfordert. Ich glaube kaum, dass man damals schon angenommen hat, dass die Erde rund ist. Man kann lange Seereise auch machen, wenn man glaubt, dass die Erde ein großer Waal ist. Aber eine Erdumrundung kann damit nicht planen.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

eLender

Zitat von: zimtspinne am 17. Dezember 2023, 17:25:10Und die konnten nicht einfach austreten aus dem hauseigenen Glaubenssystem und sich ein besseres suchen, wie wir das heute können.

Das wird auch gerne mal ausgeblendet. Diese "Wissenssysteme" waren auch nicht demokratisch, sie waren und sind dogmatisch und elitär. Das Wissen stand nicht jedem zur Verfügung, es war an eine bestimmte Klasse gebunden, quasi auch ein Herrschaftsinstrument. Diese Verbindung zwischen Wissen und Herrschaft ist ein Merkmal der Vormoderne, die auch dadurch geprägt ist, dass es eine strenge Einteilung in Klassen gibt.

Die Moderne (Siegeszug der Wissenschaft, Aufklärung, Vernunft, Überwindung des (religiösen) Dogmatismus etc.) hat das mühsam und langwierig aufgebrochen. Sebastian Schnelle ("Vorpolistisch") hat das schön formuliert. Der Postmodernismus (d.h. das Programm, das nach der Moderne kommen soll) ist eine rückwärtsgewandte Veranstaltung, die es schon immer mal als Gegenbewegung zu Vernunft und Aufklärung gegeben hat. Das waren immer wieder Epochen, in denen man sich die Vergangenheit verklärt hat und in denen der Glaube wieder verstärke Bedeutung gewonnen hat (die Romantik war eine frühere Welle, zurück zur Verklärung!).

Zitat von: zimtspinne am 17. Dezember 2023, 17:25:10Das wäre dann die postideologische Betrachtung - globaler Süden ist immer das Gute und Edle, Schattenseiten gibt es nicht, nur Licht.

Ja, der "edle Wilde" (dem hat Pinker in einem seiner Bücher ein ganzes Kapitel gewidmet, es ist ein rassistisches Konzept). Das indigene "Wissenssystem" ist auch eine staatsbildende Ideologie, die nach außen abgrenzen und nach innen vereinen soll. Es gibt Berichte über die kriegerische Bedeutung der Lehre. Das war nie ein einig-harmonisch tanzendes Völkchen im Baströckchen, das waren schon immer verschieden Stämme / Gruppierungen (wie alle "Gesellschaften"), die um die Ressourcen gekämpft haben. Das Matauranga ist auch ein Wissen, wie man andere bekämpft und auch auslöscht (irgendwo taucht doch dieser Hinweis auf, dass das eine Grüppchen das andere quasi ökologisch vernichtet hat. Das würde man heute Genozid nennen, obwohl das ja eigentlich nur auf Transmenschen zutrifft ::) )

Daher wird man auch kein einheitliches Matauranga finden, es sei denn, es war und ist eine durch brutale Eroberungskriege geformte Staats-Ideologie eines (final) einheitlichen Herrschaftssystems. Dass man versucht, dass als ein einheitliches und geschlossenes "Wissenssystem" zu verkaufen, ist schon ideologisch. Das hat was Ironisches: wer verfasst eigentlich die (modernen) Texte, die zu der Lehre heute gelehrt werden sollen? Sind das auch wieder Auserwählte (eine Elite), also diejenigen, die exklusiven Zugang zu dem Wissen haben? Das wäre mal eine Aufgabe für die Dekonstruierer.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

RPGNo1

Zitat von: eLender am 17. Dezember 2023, 17:31:19Die Dame (die die Maori-Wissenschaft verteidigt) sagt: die Polynesier hätten auch schon vor über 3000 Jahren über die Weltmeere navigieren können, und das ganz ohne die moderne Wissenschaft. Das ging aber nur, weil sie nichts gemacht haben, was gegen aktuelle Erkenntnisse spricht.

Die Dame (Ella Henry) ist eine Aktivistin ohne naturwissenschaftlichen Background. Es hätte mich gewundert, wenn sie Dawkins Aussagen NICHT bekrittelt hätte.
ZitatLange bevor Europäer in die Gewässer des Pazifiks gelangten, waren die Bewohner Polynesiens hervorragende Seefahrer. Sie segelten in kleinen Booten über weite Entfernungen mit erstaunlichen Navigationskenntnissen. In ihrem Wissen über Wetter und Meeresströmungen verließen sie sich auf die Sterne.
https://www.deutschlandfunk.de/wissen-aus-den-sternen-100.html

Die Polynesier haben den pazifischen Raum durch praktische Anwendung von z.B. Astronomie, Meteorologie und Ozeanografie besiedeln können. Die Wikinger taten es ihnen im Mittelalter gleich und entdecken so die Färöer, Island, Grönland und Nordamerika.

Die nautischen Leistungen der Polynesier sind sicherlich bemerkenswert, aber nicht etwas Außergewöhnlich oder Einzigartes. Neuseeland wurde übrigens erst im 13. Jhdt von polynesischen Einwanderen entdeckt, also lange nach den eigentlichen Auswandererwellen, die zur Besiedlung der Inseln und Archipel im Pazik führten. Dabei half ihnen eine Phase, in der statt der normalerweise  vorherrschenden Ostwinde Südwestwinde dominierten.

https://www.wissenschaft.de/geschichte-archaeologie/polynesischen-seefahrern-auf-der-spur/


RPGNo1

Zitat von: zimtspinne am 17. Dezember 2023, 17:25:10Das knüpft aber schon wieder direkt an diese romantisierende, idyllisierende Sichtweise an, die man gerne beim Verklären von "Naturvölkern" (auch "edle Wilde") einnimmt.

Was in Bezug auf die Maori schon kompletter Unsinn ist. Diese haben nämlich im Rahmen der Besiedlung Neuseelands den einstmals reichen Waldbestand durch Brandrodung auf kleine Reste reduziert und zahlreiche endemische Tierarten ausgerottet. Entweder direkt durch die Jagd (wie Moas) oder indirekt (wie Haastadler), durch die Zerstörung der Lebensräume (nochmals Moas) oder durch das Einschleppen von Neobiota (z.B. Ratten, Schweine, Hunde).

Interessanterweise werden diese massiven Umweltbeeinflussungen niemals durch die Aktivisten erwähnt, wenn sie ihr "altes Wissen" bzw. "heilige Riten" gegen das "böse westliche Wissen" verteidigen.



eLender

Zitat von: RPGNo1 am 17. Dezember 2023, 18:34:24Die Dame ist eine Aktivistin ohne naturwissenschaftlichen Background

Aber sie betet lehrbuchartig die westlichen Phrasen der Critical Studies runter. Dabei wollte man sich doch emanzipieren. Ihr Statement beschreibt aber ziemlich genau das, was man auch kritisiert. Das sind eindeutig woke Muster. Ich überlegen, dazu mal einen eigenen Faden zu weben, das wird hier sonst evtl. zu unübersichtlich. Dabei ist das in der Tat ein wirklich schönes Beispiel, wohin der woke Aktivismus führt und warum das wissenschaftsfeindlich ist (Edmüller hat gut gewählt). Ich habe jetzt auch mal ein wenig mehr dazu gelesen, weil ja immer wieder alle möglichen Varianten herumgereicht werden, worum es denn nun ginge. Ein knapper Artikel dazu, aus dem ich einen knappen Auszug wähle:

ZitatControversy swirls around the proposed new science teaching in our schools. Driving the reforms is the Ministry of Education on the road map of the Ardern Government. The Ministry says the new science curriculum is required to "ensure parity between matauranga Māori and particularly Western (Pakeha) epistemologies". Six of NZ's leading scientists wrote a letter to the Listener raising their serious academic concerns. They said (inter-alia) "Indigenous knowledge is critical for the preservation and perpetration of culture.... However, in the discovery of empirical, universal truths it falls far short of what we can define science itself".
https://waikanaewatch.org/2021/08/17/science-or-pseudo-science/

(anbei noch eine Tabelle, die das "indigene" mit dem "westlichen" Wissen vergleicht. Die Gleichwertigkeit ist sofort erkennbar ::) )
You cannot view this attachment.

Es gibt sogar einen engl. WP-Eintrag zu der Geschichte: https://en.wikipedia.org/wiki/Listener_letter_on_science

Edmüller hat keinen BS erzählt, das ist alles nachlesbar. Man kann natürlich einfach mal behaupten, das wären nur neurechte Phantasien, aber Leugnung hat nie wirklich auf Dauer funktioniert.

Zitat von: RPGNo1 am 17. Dezember 2023, 18:44:57Was in Bezug auf die Maori schon kompletter Unsinn ist.
Nicht nur das, es ist - wie schon gesagt - sogar diskriminierend (wenn nicht rassistisch). Wir sind alle nach dem gleichen Bauplan gebaut, die Maori oder sonstwer sind nicht besser oder schlechter. Sie haben immer im Rahmen ihrer Möglichkeiten das evolutionäre Programm abgespult. Wären sie auf einer anderen kulturellen Stufe gewesen (es war bis zum Kontakt mit den Europäern eine Steinzeitkultur), dann hätten sie die Erhöhung der Anzahl ihrer Genomkopien ähnlich betrieben wie die Europäer. Die (Erst-)Besiedlung Neuseelands ist auch eine Kolonisierung, die waren also auch auf Expansionskurs und haben bzw. hätten unterlegene Kulturen ebenfalls niedergeworfen (wenn sie über eine überlegenere Technik verfügt hätten).

Die Moderne hat auch im Programm, die Unterschiede zwischen den Kulturen nicht auf unterschiedliche Biologien (aka Rassen) zurückzuführen (was der Wokismus macht, es sind ja inhärente Eigenschaften, die die Gruppen scheinbar trennen). Biologisch sind wir gleich (mit Abweichungen, die aber keine Wesensunterschiede bedeuten), nur unsere Umwelten haben sich unterschieden, und damit das Potential, sich kulturell zu entwickeln. Es gibt dazu gute Analysen, etwa von Jared Diamond und anderen, die so etwas wie Rassismus überflüssig machen. Neulich gab es auch eine aktuellere Dokuserie, die das nochmal aufgreift: https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/deep-time-history-100.html

Wer das Programm fahren will, die Moderne zu überwinden, der muss wieder die alten Muster aktivieren, die wir eigentlich überwunden geglaubt zu haben. Das ist auch im wesentlichen der Punkt, auf den Edmüller hinaus will. Aber man dreht es wieder so, dass er der Nadsi und Rassist ist $)
Wollte ich nur mal gesagt haben!

zimtspinne

Hatte mich gestern nur auf die religiös-spirituelle Seite fokussiert, merke ich gerade. Andererseits ist deren gesamtes Wissen ja auch eingebettet in ein religiös-spirituelles Gefüge. Oder Sicht auf alles, denn alles hängt mit allem zusammen.

Mir gings aber darum, dass erstmal evaluiert werden müsste, was traditionelles Wissen aus Beobachtung und Erfahrung ist, welches wiederum in Einklang mit Naturgesetzen steht und früher oder sogar bis heute noch praktische Anwendung findet.
Trotzdem basiert letztlich alles vom einfachen Hausmittel bis Sternenkunde auf magischen Erkenntnismodellen. Alles, was Wissenschaft genau nicht ausmacht.

Abgrenzen könnte man von diesem allgemeinen für alle zugänglichen Wissen für den Alltagsgebrauch [zB Kenntnisse über Nutzpflanzen, Heilkräuter, Anbaumethoden, aber auch Symbiosen, Parasitismus, Pilze  8)  (um nur einen Bereich rauszupicken)] medizinisches Spezialwissen. Welches dann nur einer handverlesenen Personengruppe zugänglich war und auch nur von diesen weitergegeben wurde an wiederum ausgewählte Personen, zB Schamanen, Medizinmänner, Zauberer, Seher, Geistheiler und wie sie jeweils heißen.

Ja und besonders in diesem Genre muss man erstmal rausfinden, was ist harmloser Humbug, vergleichbar bei uns mit Feng-Shui, Horoskope, Heilwasser, Wünschelruten. Was ist mittelprächtige Quacksalberei wie Homöopathie, Akupunktur, Handauflegen. Und zum Schluss sind wir bei Hamer-Quack.

So abwegig ist das gar nicht, wenn ich sowas sehe:

https://www.teaonews.co.nz/2023/04/29/wahine-maori-scientists-ground-breaking-cancer-research/

Zuerst liest sich alles ganz schick nach richtiger Medizin, aber dazwischen findet sich dann das:

Zitat"I want to see our whānau have a better chance at fighting against cancer. This award means I can pursue a PhD that will utilise both Western Science and Mātauranga Māori to explore the emerging cancer treatment CAR T-cell therapy and its potential impact on Māori," Sword said Friday.

Unwillkürlich denkt man an Tumormedizin und Komplementärmedizin. bzw sogar Alternativ"medizin".
Im besten Fall bespricht Patient die Nebenmedizin mit Arzt, dann gibts Warnungen, was geht und was nicht geht, weil es Wechselwirkungen mit Krebsmedikamenten haben könnte.


Reality is transphobic.

eLender

Zitat von: zimtspinne am 18. Dezember 2023, 19:42:01Oder Sicht auf alles, denn alles hängt mit allem zusammen.
Ebend! Das lässt sich kaum trennen, das ist zu eng verwoben. Das "praktische" Wissen ist ja noch lange keine Wissenschaft, das gab und gibt es in allen Kulturen zu allen Zeiten. Es geht um die Dinge, die "dahinter" stecken, also das, was man als Erklärung (bzw. Theorie) bezeichnet. Und spätestens da fängt das magische Denken an. Das sind meist unhinterfragbare Dogmen bzw. Glaubenssätze, die typisch für vormoderne Gesellschaften sind. Ergo:
ZitatAlles, was Wissenschaft genau nicht ausmacht.

Ich denke auch, dass das insbesondere da problematisch wird, wo es um medizinische Themen geht*. Das sind auch die Themen, die für uns (Skeptiker) besonders interessant bzw. problematisch sind. Es gibt da keine Alternative, entweder es ist Medizin oder nicht. Hierzulande umgeht man das Problemchen mit der *hust* schwachen Evidenz mit einem "Binnenkonsens". Das ist quasi das gleiche wie der Ansatz, es gäbe verschiedene Wege (des Wissens), die zum gleichen Ergebnis führen. Wenns denn so wäre.

Zitat von: zimtspinne am 18. Dezember 2023, 19:42:01Zuerst liest sich alles ganz schick nach richtiger Medizin, aber dazwischen findet sich dann das:

So absurd :o  Die Immuntherapie ist ein Musterbeispiel, warum der "westliche" Ansatz bei der Bewältigung von Problemen (die man mal als hinnehmbares, unvermeidliches Schicksal gesehen hat) der bessere Weg ist. Und das hat genau Null mit dem Mystizismus zu tun, der heute noch von hiesigen Wunderheilern (aka Heilpraktiker) angewendet wird. Sind das auch alternative Wege des Wissens?

Ich weiß auch gerade nicht so genau, warum für solche Entwicklungen (der Durchbruch kam sicher nicht von der Dame) mal wieder Matauranga (was auch immer das sein soll) aus dem Hut gezaubert wird. Es scheint für allerlei Wundersames und Besonderes herhalten zu müssen. Wahrscheinlich auch für die Karriere. Möglicherweise ist das alles gar nicht so magisch und eher von dieser Welt:

ZitatIs a gay Republican Latino more capable of conducting a physics experiment than a white progressive heterosexual woman? Would they come to different conclusions based on the same data because of their different backgrounds?

For most people, the suggestion isn't just ludicrous; it's offensive.

Yet this belief — that science is somehow subjective and should be practiced and judged accordingly — has recently taken hold in academic, governmental and medical settings. A paper published last week, "In Defense of Merit in Science," documents the disquieting ways in which research is increasingly informed by a politicized agenda, one that often characterizes science as fundamentally racist and in need of "decolonizing." The authors argue that science should instead be independent, evidence-based and focused on advancing knowledge.
https://www.nytimes.com/2023/05/04/opinion/science-evidence-merits.html

Es geht im Artikel um das Thema, das RPG schon mal via Jerry Coyne verlinkt hatte (steht auch im Artikel). Hat aber unmittelbar mit unserer aktuellen Disk hier zu tun. Das schließt so Zeugs wie Matauranga mit ein. Ein wichtiger Aspekt, um das zu verstehen: es ist woker Aktivismus, der die wissenschaftlichen Grundlagen aushebeln will. Für eine bessere Welt. Fragt sich nur, für wen?

ZitatBut whatever validity "alternative ways of knowing," "multiple narratives" and "lived experience" may have in the humanities, they are of questionable utility when it comes to the sciences. Some defenders of positionality statements maintain that these acknowledgments promote objectivity by drawing attention to a researcher's potential blind spots, but in practice they can have the opposite effect, implying that scientific research isn't universally valid or applicable — that there are different kinds of knowledge for different groups of people.

Dieses "Positionality Statement" klingt nach einem akademischen Alptraum. Das habe ich bisher noch in keinem Artikel gesehen, der für meinen Bereich relevant ist. Aber die Kolonien sind uns ja immer einen Schritt voraus. Welcher rationale (und begabte) Mensch will unter solchen Voraussetzungen noch Forscher werden? Ich denke da gerade eher an die Naturwissenschaftler. Braucht scheinbar keiner mehr.




*obwohl das natürlich nur die Sahnehaube auf dem Schmarren ist. Es wird ja generell behauptet, das moderne Wissen (inkl. der "Schulmedizin") wäre ein Kolonialherrenprogramm, weshalb man das Wissen "entkolonialisieren" müsse. "Immunsystem" klingt nach Abwehrsystem / Krieg / Kolonialisierung, muss also böse westliche Denke sein. Weg damit!
Wollte ich nur mal gesagt haben!

zimtspinne

Es wird immer verrückter.

https://taiuru.co.nz/can-the-maori-language-be-colonised-if-used-with-ai-and-other-digital-technologies/

Can the Māori Language be colonised if used with AI and other digital technologies?

ZitatThis brief article looks at the idea that the Māori language will be colonised if used in speech recognition, machine learning, AI and other linguist technologies. This article makes the argument that the Māori language can not be colonised and that by making such statements will only hinder Māori Peoples and wellbeing.

ZitatAs technology is rapidly developing and assisting in our daily lives, there have been some Māori individuals and groups who believe that te reo Māori will be colonised if we allow our language to be used in digital technology.
Reality is transphobic.

zimtspinne

Den Namen Chris Baillie sollte man sich ggfl merken.
Ist mir bei der Recherche zu diesem Thema ein paar Mal untergekommen.

Dawkins, den ich schon sehr direkt fand zum Thema, ist gegenüber ihren Statements ein großer Diplomat.

Das betrifft die neuen aufgestockten Lehrpläne an Schulen in NZ.

https://www.act.org.nz/the_new_curriculum_is_garbage_act_will_bin_it

einige Auszüge daraus:

Zitat"It's not just science, Labour's entire new school curriculum is garbage and needs to go straight into the bin," says ACT Education Spokesperson Chris Baillie.


Zitat"The draft curriculum Te Mātaiaho is a woke word salad. According to the overview, it "is designed to give effect to Te Tiriti o Waitangi and to be inclusive of all ākonga. The curriculum is framed within a whakapapa that connects all its components." It's not designed to give effect to learning.
[ich versteh kein Wort. Also zumindest nicht jedes]


ZitatFine phrases, but where is the science? New Zealanders think of ourselves as first world people living on the frontier of technology. We want to see the next generation in space, like Rocket Lab, pushing the frontiers of genetic technologies, and writing software that will power the world, like Xero.

ZitatInstead, we are being given a primitive, superstitious and mediocre version of science that will ensure Kiwi kids grow up in an international backwater, busy with itself and uninterested in what the wider world has to offer.[/i]

und so mosert und meckert sie sich durch bis zur letzten Zeile.


@ RPG

Ja, stimmt, hatte ich falsch einsortiert. Sinan war so präsent wie in seiner Woche...

DAs Maori-Thema abzutrennen, wäre vielleicht eine gute Idee.
Reality is transphobic.

Peiresc

Zitat von: zimtspinne am 19. Dezember 2023, 17:13:42
Zitat"The draft curriculum Te Mātaiaho is a woke word salad. According to the overview, it "is designed to give effect to Te Tiriti o Waitangi and to be inclusive of all ākonga. The curriculum is framed within a whakapapa that connects all its components." It's not designed to give effect to learning.
[ich versteh kein Wort. Also zumindest nicht jedes]
;D

Diese Worte stehen mit völligem Bedacht da; denn übersetzen heißt entzaubern, profanieren. Du bist einfach noch nicht soweit, ihre wahre Bedeutung aufzunehmen.

Uraltes Mützel. Habe ich schon mal gesagt, dass ich Hobby-Theologe bin? Wenn ich mir die Verse in meiner Bibel so ansehe, dann scheinen die Apostel gelegentlich keinen großen Unterschied zwischen Silbensalat und tiefer Weisheit gemacht zu haben. Hauptsache Gefühl.


Peiresc

Wenigstens lassen sich die Begriffe sehr leicht gockeln:

https://curriculumrefresh.education.govt.nz/te-mataiaho
Sie haben ein 3 MB großes PDF dazu.

ZitatNow, we would like to know what you think of Te Mātaiaho, the refreshed framework for the New Zealand Curriculum, as a completed whole.

Also das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen.  :rofl2

eLender

Puh, da haben wir die Faden mühsam auseinandergezogen, und jetzt muss ich wählen, wo ich das hintue. Mache es mal hier rein, aber es passt auch in den Gwup-Faden.

ZitatDawkins hatte sich frühzeitig in die Debatte um den offenen Brief der 7 Wissenschaftler (Die 7) zu Matauranga Maori eingemischt. Er hat ein Schreiben zur Verteidigung Der 7 an die Royal Society in Neuseeland geschickt.1)Eine seiner Thesen ist, wenig überraschend, dass Matauranga Maori eine Form des Kreationismus sei, daher, ebenfalls nicht überraschend, als unwissenschaftlich einzustufen sei und somit nichts in den Lehrplänen für die Wissenschaften an Neuseelands Schulen verloren habe.
http://blog.projekt-philosophie.de/liberalismus/das-woke-phaenomen-team-huemmler-zerlegt-richard-dawkins-teil-1/

(der Brief von Dawkins ist dort verlinkt, man sollte ihn lesen, er ist wie immer sehr kurz und prägnant)

Edmüller reagiert auf die Vorwürfe von Wismut-Kammerjäger, das hätte nichts mit Kreationismus zu tun. Das hängt aber sehr davon ab, wie man das definiert. Wir hatten in der ganzen Diskussion (und bei weiten nicht nur da) immer wieder das Problem, dass man Begriffe ganz unterschiedlich verwendet, teilweise auch in strategischer und verzerrender Absicht. Die Maori-Lehre ist im wesentlichen eine (mystische, irrationale) Schöpfungsgeschichte, auf die auch alle weiteren Begründungen beobachtbarer Phänomene beruhen (was man dann als Wissenschaft deutet). Natürlich ist das Kreationismus, wenn man davon ausgeht, dass alle Dinge einen göttlichen Ursprung haben. Das hat einfach nichts mit Wissenschaft zu tun, das ist aber nur so lange eindeutig, solange man nicht wieder am Begriff dreht.

ZitatKlingt irgendwie gut, oder? Aber natürlich nur, wenn das mit dem Schöpfungsmythos stimmt – und wer weiß schon, was Frau Wismeg-Kammerlanders Team für Internetrecherche um Florian Aigner dazu herausgefunden hat ... deshalb ein kurzer Einschub:

Der Schöpfungsmythos in Matauranga Maori

    In der Mythologie der Māori spielt das göttliche Elternpaar Rangi und Papa (Himmel und Erde) eine wesentliche Rolle, von denen weitere Götter und Nachfahren abstammen, die wiederum alle Lebewesen hervorbrachten und die für Wälder, das Meer, Vögel, Fische usw. zuständig sind. 5)

Das klingt tatsächlich sehr stark nach Schöpfungsmythos und kann auch leicht durch diverse Podcasts mit Maori-Experten der bereits empfohlenen Reihe The Shape of Dialogue überprüft werden.

Aha, mal wieder der Aigner, Universalspezialist für alles, auch von den Sachen, mit denen er sich nicht auskennt. Dabei fordert er doch stets, man sollte nur zu den Dinge etwas sagen (gerade im Namen der Gwup), von denen man Ahnung hat. Das hat Sinan im Gespräch mit Barto auch mal angemerkt: man hält sich nie an seine eigenen Standards, es wird munter gegen das verstoßen, was man von anderen fordert.

ZitatDamit wird zwangsläufig der Schöpfungsmythos für diese Fächer relevant: Mauri wird nämlich permanent von Rangi und Papa abgestrahlt, durchströmt alle belebten und unbelebten Dinge und sorgt so dafür, dass alles mit allem verwoben ist und bleibt. Ohne diese Anbindung an die beiden Gottheiten ist der Begriff Mauri nicht verständlich. Also: Kein Lehrplan mit Mauri ohne den zugehörigen Schöpfungsmythos.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

eLender

Zitat von: zimtspinne am 19. Dezember 2023, 17:00:19Can the Māori Language be colonised if used with AI and other digital technologies?
Aua, da bekomme ich ein Déjà-vu und hätte da jetzt eine Triggerwarnung gebraucht ::)

Genau in so einem Kontext ist mir der postmoderne BS auch zum ersten Mal begegnet. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie schädlich das Denken für das wissenschaftliche Denken und Handeln ist. Da werden Techniken abgelehnt, weil angeblich irgendwelche postkolonialen Tricksereien damit verbunden sind. Man braucht nur merkwürdige Theorien, um das herzuleiten. Pure Ideologie, die mich einfach nur an primitive Fortschrittsverweigerer erinnert. Jede Methode (z.B. auch Software, die man in der Forschung einsetzen kann/sollte) muss erst mal dekonstruiert werden, ob da nicht Unterdrückungs- und Machtmechanismen dahinter stecken :o

Zitat von: Peiresc am 19. Dezember 2023, 18:07:21Also das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen.
Ziemlich klare Darstellung, die von einer rechten (was auch immer das sein mag) Partei Neu-Seelands stammt (also das zimtspinnige Zitat). Da wird auch gesagt, was so ein Lehrplan für soziale Auswirkungen hätte (es gibt wohl für private Schulen keine Pflicht, sich daran zu halten). Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, war das auch ein Vorschlag der früheren Regierung. Es gab dieses Jahr Neuwahlen und die "linke" Regierung wurde abgestraft. Das Land wird jetzt konservativ (was auch immer das heißen mag) regiert. Die neue Regierung scheint das Programm nicht weiter zu verfolgen. Evtl. hat der politische Richtungswechsel auch mit einem überzogenen Wokismus zu tun. Man müsste mal kurz rüber düsen und nachschauen...
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Peiresc

Zitat von: eLender am 19. Dezember 2023, 23:11:35Da wird auch gesagt, was so ein Lehrplan für soziale Auswirkungen hätte (es gibt wohl für private Schulen keine Pflicht, sich daran zu halten)

Triggerwarnung. Da sollten doch bei der Linken alle Alarmglocken schrillen!1!!

Was immer passiert auf der Welt, es wird die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößern – stimmt ja auch irgendwie (das dollste auf der Strecke, an das ich mich erinnere, war: es wurden Vorschriften für Ski-Wachs erlassen, und die würden dazu führen, dass die Armen von den Pisten ausgesperrt würden, LOL). Und nicht vergessen, die Konzerne sind schuld, weil sie profitieren. Die legitime Aufgabe für die akademische Forschung kann allein darin bestehen, das nachzuweisen (was wiederum synonym ist mit: Gedankenkonstruktionen ersinnen, die eine Verbindung herstellen).