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Russland: Wirtschaft

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Begonnen von Peiresc, 16. Mai 2022, 19:48:57

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sailor

Ganz einfach: Man hing technologisch in den 90igern so weit zurück, dass ein Aufholen aus eigener Kraft quasi unbezahlbar war. Gleichzeitig haben Siemens und Co über russland ihre im Sinkflug befindlichen Bahnsparten "retten" können. Win-win-Situation. Drittens ist es für russische "Manager" deutlich leichter, über Dienstleistungsvergaben private Marge zu machen als in einem richtigen Unternehmen Gewinne zu erwirtschaften. "Buy" statt "Make" geht immer schneller, hat aber die gezeigten Konsequenzen.

PeterPan

Dazu passendes jammern von Russlands Staatsbahn.

https://forum.psiram.com/index.php?topic=17890.msg260071;topicseen#msg260071
Zitat von: Bachblüte am 19. Juli 2022, 19:34:1718:10 Uhr
Russlands Staatsbahn bittet um Aufhebung der EU-Sanktionen

Russlands Eisenbahn RZD ist von den Sanktionen des Westens im Zuge des Ukraine-Krieges stark betroffen und bittet die EU, die Strafmaßnahmen zurückzunehmen. Sie seien sozial ungerecht, argumentierte der Staatskonzern im Nachrichtenkanal Telegram.

RZD landete als eines der ersten Unternehmen auf der Sanktionsliste, nachdem Truppen und Militärtechnik für den Angriff auf die Ukraine zumeist per Bahn an den Einsatzort transportiert worden waren. "Der EU-Ministerrat klassifiziert Züge als «Luxusgüter» für russische Bürger und blockiert ihre Lieferungen und Reparatur", hieß es.

Es handele sich aber um ein umweltfreundliches Verkehrsmittel vor allem für sozial schwache Schichten in Russland. Betroffen seien Rentner, Behinderte und Großfamilien. Zudem verstießen die Sanktionen gegen das Prinzip des freien Wettbewerbs.

Max P

Züge als Luxusgüter zu klassifizieren, ist schon leicht absurd. Es müsste als Sanktionsbegründung doch reichen, dass die russische Bahn in erheblichem Umfang auch militärisch eingesetzt wird.

Peiresc

Im Gegensatz zu Frontmeldungen können Nachrichten von russischen Quellen, die die Wirtschaft betreffen, gelegentlich durchaus informativ sein. Man muss sich nur bis ans Ende durchscrollen. Heute bei Iswestija:

ZitatDie US-Regierung hat die Lieferung von leistungsstarken Mikroprozessoren nach China und Russland verboten, die in Supercomputern, künstlichen Intelligenzsystemen und Farmen zum Schürfen von Kryptowährungen verwendet werden. Zunächst betrifft es die amerikanischen Firmen Nvidia und AMD. [...]

Der einzige Ausweg für die Russische Föderation besteht darin, eigene Prozessoren zu schaffen. Am vielversprechendsten ist die offene RISC-V-Architektur, und es gibt Unternehmen in Russland, die darauf basierende Chips entwickeln. Aber auch der Prozessor muss produziert werden, und wir haben keine einzige Fabrik, die in der Lage wäre, mit den erforderlichen Designstandards von 14 nm oder weniger zu arbeiten. Die wichtigste Chipfabrik der Welt – TSMC (Taiwan) – weigerte sich aufgrund von Sanktionen, mit russischen Kunden zu interagieren. Bleibt theoretisch noch die chinesische Fabrik der Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC) in Shanghai, die noch nicht unter 14 nm vordringen konnte. Aber SMIC arbeitet mit einigen ausländischen Kunden zusammen, alle aus den USA (Qualcomm, Broadcom, Texas Instruments), sodass es wahrscheinlich ist, dass es auf eine Zusammenarbeit mit Chipentwicklern aus Russland verzichten wird. Meint, Wir brauchen unsere eigene Fabrik 14nm oder weniger. Aber das ist ein Thema für eine andere Kolumne.

Russland wird die größte Mikroelektronik der Welt bauen. Ich glaube nicht, dass das nur Gamer und Bitcoin-Schürfer betrifft.

sailor

Woran erkannte man in der DDR, dass die Wohnung verwanzt war? Man hatte einen neuen Einbauschrank vom VEB Robotron...

Das Problem für russland ist, dass die Geheimdienstler keine Ahnung und kein Interesse an wirklicher Autarkie hatten. Solange sie den Meldungen nach "autark" waren, reichte es ihnen. Und wirkliche Experten haben sie nie in ihre Kreise gelassen. Das Ergebnis sieht man jetzt.

PeterPan

Solche Artikel lesen sich wie Griff nach den Wolken. Der Zugang zu hochspezialisierten Gütern für Russland geht ja wie mehrfach aufgezeigt über das Ausland. Die eigenen Mikroprozessoren wurden von TSMC gebaut. Hat Russland überhaupt irgendeine Fabrik im Bereich Mikroelektronik?

Warum bereits nach 14nm lechzen, wenn nicht mal die Fabrik oder die Gerätschaften existieren. Und noch besser es wird sich ja nun in die Arme Chinas begeben. Die werden natürlich ihre Technik wanzenfrei halten  ;)

Daggi

Es gibt Privatleute und auch Profis, die aufgefundene Technik der Russen genau unter die Lupe nimmt, zum Beispiel die verschossenen oder eroberte Marschflugkörper und Raketen. Die privaten tauschen sich über Twitter aus. Im Ergebniss stammt die Elektronik zwar fast immer aus eigenen Werstätten, aber die Computerchips kommen aus den USA, Japan, Taiwan oder Europa. Affällig ist dabei, daß es sich um "consumer"-Chiptechnik handelt, also Hardware, die nicht den strengeren Bestimmungen (z.B. Temperaturbereich, Ausfallsicherheit usw) der Militärs unterliegen. Bei Dronen wurden ja auch Canon-Kameras gefunden, die man im Kaufhaus bekommt.

Der Haken dabei: die Anwender können die Prozessoren zwar nutzen, kennen den Aufbau und die interne Software nicht. Denkbar ist, daß Hersteller eine Anwendungerkennung versuchten. Stellt der chip fest, daß er in einer Rakete ist, könnte er entsprechend reagieren. Daher verwenden Waffenunternehmen im Westen nur eigene Hardware, oder von sicherer Herkunft. Nicht vom Markt. Das ist ja auch der Hintergrund der Sorge vor Huawei im IT-Harware Bereich.

https://gagadget.com/en/135720-nyt-almost-all-advanced-russian-military-equipment-is-made-up-of-components-from-europe-and-the-united-states/

https://www.globaldefensecorp.com/2021/04/14/russian-orlan-10/

https://www.dawn.com/news/1703972

https://www.japantimes.co.jp/news/2022/06/03/world/u-s-tech-russia-vulnerability/

eLender

Zitat"Es gibt viele Bereiche der russischen Wirtschaft, bei denen man sagen kann, dass sie keine Zukunft haben werden", führt der Osteuropa-Experte aus. Nach seiner Beobachtung hält der Staat den Betrieb mit Subventionen über Wasser, indem ganze Belegschaften mit gekürzten Gehältern in Betriebsferien geschickt werden. Das werde allerdings auf Dauer immer schwerer zu finanzieren sein. "Für Russland gibt es keinen Silberstreif am Horizont", sagt er. "Es ist als Wirtschaftsraum toxisch geworden."
https://www.n-tv.de/mediathek/audio/Der-russische-Wirtschaftsraum-ist-toxisch-geworden-article23579318.html

bzw. https://audionow.de/share/eb511796-b4df-4ac1-bc27-b67471d97f58

Läuft 8)
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Max P

Was heißt läuft? Nordkorea und andere Länder beweisen, dass man mit einer verarmten Bevölkerung ein diktatorisches Regime aufrechterhalten kann. Für das "Notwendige" - Militär, Geheim- und Sicherheitsdienste, eine minimale Versorgung der Bevölkerung, rudimentäre Infrastruktur sowie Luxus für die Nomenklatura - reicht es irgendwie immer und zu einer Revolte kommt es so gut wie nie.

Schwuppdiwupp

Naja, um in Russland ein zum Kim-Regime analoges System zu etablieren, dürften nicht so viele Russen bereits den Geschmack an sinnlosen Konsum und Luxusprodukten gewonnen haben. Dann würde wahrscheinlich wirklich eine Revolution von Wutrussen anstehen.
Ach, was weiß denn ich ...

Max P

Sie können die Wut sehr einfach auf die Sanktionen lenken, zumal es ohnehin schon ständige Propaganda ist, dass der Westen das heilige Russland aus purer Missgunst und Bösartigkeit zerstören will.

sailor

Das Problem in russland ist, dass es eben keine wirklich schlagkräftige Alternativgruppe für die Herrschaft gibt. Das Militär zerlegt sich selbst, die Oligarchen wurden von den silowiki zerstört und die Zivilgesellschaft ist nichtexistent. Gleichzeitig sieht man, dass die silowiki das Land nicht regieren können, allenfalls verwalten... und in den Parteien hängen zu viele direkt an den silowiki dran, bzw. wurde nach Nasenfaktor statt Komeptenz befördert. Durch das Enteignen vieler Privatunternehmer gibts auch da keinerlei Anzeichen für Initiative. russland wird nicht in einer Revolution untergehen, es werden sich vielmehr informelle Kooperationen von Regionen ergeben, die dann mehr oder weniger sanft den Austritt aus der Föderation wagen. Der Horizont Moskaus wird zusammenschrumpfen.

Max P

Zitat von: sailor am 10. September 2022, 13:44:36die Zivilgesellschaft ist nichtexistent.
Ich denke, die gibt es in Russland sehr wohl, aber sie ist bis auf weiteres eben zu schwach, um die Verhältnisse nachhaltig ändern zu können.

sailor

Wenn sie nix bewirkt ist sie für den Diskurs um die Zukunft nichtexistent. Die Zerschlagung der Zivilgesellschaft war für putin ein Dauerziel, bloss keine Orgas ausserhalb der Kontrolle der silowiki zulassen. Die Parteien repräsentieren nicht das Volk, die Wirtschaft wird ferngesteuert, die Verwaltung ist eine Verlängerung des Kremls.

Jetzt werden sich aber die ersten "Widerständler" aus den Löchern wagen. Der kreml wankt, Teile der Rosgardia (Truppen des Innenministeriums) sind in der Ukraine und die silowiki spüren den Eiseshauch der Niederlage.

Juliette

Deshalb gibt es jetzt in der Schule Erziehung zu Patriotismus als Fach:

https://www.deutschlandfunkkultur.de/propaganda-an-russischen-schulen-100.html

ZitatAb dem nächsten Schuljahr wird patriotische Erziehung in Russland zum Unterricht gehören. Damit werden antiwestliche Ressentiments geschürt, fürchtet der in Russland aufgewachsene Autor Alexander Estis: aggressiver als während des Kalten Krieges.