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Gutmenschliche Bigotterie

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Begonnen von uran, 20. Juni 2014, 17:53:28

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Typee

Vielleicht ist "Gutmensch" nur ein Neusprech, und den Begriff gab es schon immer. Früher nannte man ihn "Tugendbold".
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

Conina

Man gibt das übrigens in der Einheit Jaenicke an.


Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

sweeper

Zitat von: Typee am 01. August 2014, 09:04:33
Vielleicht ist "Gutmensch" nur ein Neusprech, und den Begriff gab es schon immer. Früher nannte man ihn "Tugendbold".
Richtig!
Im Kontrast zu "Raufbold" und "Trunkenbold".
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

Conina

Hießen die nicht ganz früher auch Pharisäer?
Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

sweeper

Zitat von: Conina am 01. August 2014, 10:54:12
Hießen die nicht ganz früher auch Pharisäer?
Nein, so nannte man Kaffee mit Alkohol und Sahnehäubchen - in Norddeutschland immer noch  :angel:
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

MrSpock

ZitatDer Pharisäer wird aus starkem Kaffee zubereitet, der mit Würfelzucker gesüßt wird und mit 4 cl braunem Rum (Jamaika oder Jamaika-Verschnitt 54 %) und anschließend mit Schlagsahne ergänzt wird. 1981 urteilte das Amtsgericht Flensburg,[1] dass 2 cl Rum für einen Pharisäer nicht ausreichend seien.
Der Pharisäer wird üblicherweise nicht gerührt, sondern durch die Sahne getrunken; wer sich nicht daran hält und das Getränk dennoch umrührt, wird zum Ausgeben einer Lokalrunde aufgefordert. Serviert wird in einem besonderen Pharisäer-Gedeck, einer hohen becherartigen Tasse mit Untertasse. Einem Brauch zufolge kann jemand, der acht Portionen schafft, das Gedeck behalten.
Ursprung und Legenden

Pharisäerhof (Nordstrand), Ursprung des ,,Pharisäers"

Entstanden ist der Pharisäer der Überlieferung nach auf der nordfriesischen Insel Nordstrand, und zwar im 19. Jahrhundert. Zu jener Zeit amtierte dort der besonders asketische Pastor Georg Bleyer. Bei den Friesen war es Brauch, in seiner Gegenwart keinen Alkohol zu trinken. Bei der Taufe des sechsten oder siebenten Kindes des Bauern Peter Johannsen[2] bedienten sie sich einer List und bereiteten das oben beschriebene Mischgetränk zu. Die Sahnehaube verhinderte dabei, dass der Rum im heißen Kaffee verdunstete und es nach Alkohol roch. Selbstverständlich bekam der Pastor stets einen ,,normalen" Kaffee mit Sahne.

Bei Entdeckung soll er ausgerufen haben: ,,Oh, ihr Pharisäer!" Und damit hatte das Nationalgetränk der Nordfriesen nicht nur seine Geschichte, sondern auch seinen Namen.

Die wichtigsten Stellen habe ich gefettet.

http://de.wikipedia.org/wiki/Pharis%C3%A4er_(Getr%C3%A4nk)
Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.

uran

Weil in meiner Abwesenheit der Vorschlag kam sich in Literatur zu vertiefen, wie wärs damit:
http://www.maxeiner-miersch.de/mephisto.htm
Außerdem gab es bei Novo Argumente einen Artikel: "Politische Korrektheit: Wider den Aufstand der Gutmenschen"
http://www.novo-argumente.com/magazin.php/novo_notizen/artikel/0001657
ZitatMit einem Wort: Gutmenschen sollten sich nicht dagegen wehren, so genannt zu werden. Immerhin schwingt in diesem Wort doch mit, dass man ihnen gute Absichten keineswegs abspricht. Nur will man zum Ausdruck bringen, dass sie es damit übertreiben, und das könnte allgemeine Nachdenklichkeit fördern.

forenschlaefer

das passt hier gut rein http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/demokratieverachtung-des-spiessigen-linken-mainstreams-13078690.html

ZitatEin merkwürdiger Selbstwiderspruch durchzieht dieses Juste Milieu. Man ist etabliert, will es aber nicht sein, schon gar nicht: das offen zugeben. Man lebt ziemlich gut in jener Gesellschaft, die man abzulehnen vorgibt. Das führt zwangsläufig zu geistig-moralischen Verrenkungen, die den Blick auf die Wirklichkeit trüben. Denn der linke Spießer, eine Kernfigur der neuen Heuchlertruppe, ist kein Rebell. Stefan Zweig hätte ihn als ,,Kaffeehaus-Komplotteur" bezeichnet. Man könnte ihn auch den spät gereiften Öko-Bürger mit modischem Bart und Hang zur lebensweltlichen Nachhaltigkeit nennen - wahlweise die pansexuelle Veganerin, die gegen Gentechnik ist und für Gender-Mainstreaming, für regionales Gemüse und gegen die globalen Finanzmärkte. Oder den konspirativ gebildeten Weltversteher, der weiß, dass Banken, Massenmedien und Geheimdienste uns alle manipulieren und das geplante Freihandelsabkommen mit Amerika der Untergang Europas ist. Gewohnheitsmäßig wählt er Grüne, Linke oder Piraten, auch wenn er sie spätestens nach dem dritten Glas Côtes du Rhône schon als ,,zu angepasst" kritisiert. Genau das kennzeichnet dieses Juste Milieu der neuen Biederkeit: Frivol fordert es bei anderen jenen Widerstandsgeist, den es selbst längst aufgegeben hat und allenfalls noch symbolisch pflegt, zum Beispiel beim Kampf gegen die Masernimpfung oder texanische Chlorhühnchen.

[...]

Vertiefte politische und historische Kenntnisse sind hier ebenso wenig gefragt wie theoretische Diskussionen, die noch in den siebziger Jahren üblich waren. Stattdessen triumphiert das Ressentiment. Der Markenkern des vermeintlich progressiven Spießers besteht ja gerade in jener Selbsttäuschung, man sei Teil einer kritischen Minderheit, die sich gegen den angeblich konservativen Mainstream stemme. Dabei ist das Gegenteil richtig: Die vermeintlich oppositionelle Haltung, ob zu Klimawandel, Frauenquote, Homoehe oder Massentierhaltung, ist längst mehrheitsfähig, und wenn es gegen ,,Kriegseinsätze" der Bundeswehr geht, darf sich selbst der militante Kreuzberger Pazifist zu einer satten Zweidrittelmehrheit der Bundesbürger rechnen.

MrSpock

Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.

Yadgar

Hi(gh)!

Zitat von: forenschlaefer am 06. August 2014, 00:09:19
Zitat von: FAZMan könnte ihn auch den spät gereiften Öko-Bürger mit modischem Bart

Nö. Die Leute, die heutzutage "modische Bärte" tragen, nennt man Hipster, sind merklich unter 40 (und damit zum spät Gereiftsein eindeutig zu jung) und haben politisch entweder gar keine oder einfach irgendwelche Meinungen (wobei ich aus eigener Erfahrung mit Hipstern allerdings nicht viel dazu sagen kann - die Jungs scheinen nicht sehr kommunikativ zu sein, ein einziges Mal bin ich allerdings in einem Dönerladen in Köln-Ehrenfeld einem Prachtexemplar von Schwarzbart-Hipster begegnet, der sich darüber beklagte, dass man ihn "in die Nazi-Ecke" gesteckt hätte... das klingt ja nun nicht gerade nach politisch superkorrektem Linksspießer)...

Bis bald im Khyberspace!

Yadgar

P. S. Mein Bart ist übrigens NICHT modisch... aber ich bin ja auch kein Hipster!

Groucho

Zitat von: Yadgar am 17. November 2014, 00:09:40
P. S. Mein Bart ist übrigens NICHT modisch... aber ich bin ja auch kein Hipster!

So vielleicht?

Wolleren

Zum Thema Weltausstellung in Mailand schreibt Laura Weissmüller am 2./3.05.2015 im SZ-Feuilleton kritisch:
Zitat
Der Umgang mit Lebensmitteln wird über die Zukunftsaussichten unseres Planeten entscheiden; während ein Teil der Weltbevölkerung gedankenlos die immer knapper werdenden Ressourcen plündert, gehen jeden Abend eine Milliarde Menschen hungrig ins Bett.
Eine Milliarde geht. "gehen" ist englische Grammatik, nicht deutsche. Und die Hungrigen haben Betten? Fein!
Naja, fürs SZ-Feuilleton reichen Form und Inhalt.

Groucho

Zitat von: Isaac am 05. Mai 2015, 19:04:46
Zum Thema Weltausstellung in Mailand schreibt Laura Weissmüller am 2./3.05.2015 im SZ-Feuilleton kritisch:
Zitat
Der Umgang mit Lebensmitteln wird über die Zukunftsaussichten unseres Planeten entscheiden; während ein Teil der Weltbevölkerung gedankenlos die immer knapper werdenden Ressourcen plündert, gehen jeden Abend eine Milliarde Menschen hungrig ins Bett.
Eine Milliarde geht. "gehen" ist englische Grammatik, nicht deutsche. Und die Hungrigen haben Betten? Fein!
Naja, fürs SZ-Feuilleton reichen Form und Inhalt.

Ich würd mich ja eher über den Inhalt aufregen. Als ob dieser Planet wegen falschem Umgang mit Lebensmitteln "untergeht", also ob Ressourcen "schonen" irgendeine Lösung wäre. So ein dummer Quatsch. Aber eben, SZ plus Feuilleton ...

Wolleren

Gekaufte Demonstranten: Welthungerhilfe protestiert mit Schauspielern gegen TTIP

ZitatUnter den rund 40.000 Demonstranten, die in der vergangenen Woche in München gegen das Handelsabkommen TTIP protestiert haben, waren mindestens fünf bezahlte Schauspieler. Dies ist zwar ein vernachlässigbar kleiner Anteil, andererseits handelte es sich um Personen, die sich wohlkalkuliert dramatisch verkleidet hatten und so die Bilder der Demonstrationen mitprägten, die in den Medien verbreitet wurden. Es waren dunkelhäutige Frauen und Männder, die als Sensenfrau und -mann maskiert worden waren. Die Hälfte ihrer Gesichter war totenkopfähnlich geschminkt, sie trugen Sensen und schwarze Kutten. Ihr Auftraggeber: die Welthungerhilfe. Sie zahlte den Darstellern laut einem Bericht der Zeitung "taz" zusammen 3000 Euro Honorar, damit sie beim bunten Protest gegen den Welthunger mitwirkten.

Nichtregierungsorganisationen sind bekannt für ihre phantasievollen Protestaktionen. Stelzenläufer, Fassadenkletterer oder als Mast-, Chlorhühnchen oder Biene verkleidete Gestalten treten öffentlichkeitswirksam in Erscheinung, wenn es gegen die Agrarindustrie, Chemikalien oder den Kapitalismus geht. Dass dafür Schauspieler engagiert werden, ist angeblich nicht üblich. Auf Nachfrage dieser Zeitung verneinten dies jedenfalls Greenpeace, BUND und WWF.

Die Welthungerhilfe bestätigte: "Fünf Schauspielerinnen und Schauspieler traten als Sensenmänner und Sensenfrauen geschminkt und verkleidet auf und haben für unser Anliegen, Kleinbauern in Entwicklungsländern zu stärken, geworben." Sie seien "als künstlerische Darsteller engagiert" worden.

Foodwatch verriet, Trainees und eine Absolventin des Freiwilligen Ökologischen Jahres seien auf eigenen Wunsch etwa als Milchschnitte inszeniert worden. Der stellvertretende Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt sagte dieser Zeitung, er habe nichts gegen den Einsatz von Schauspielern, den Foodwatch aber nicht praktiziere: "Ich halte das für legitim im Meinungskampf, dass Organisationen versuchen, ihrem Anliegen durch einprägsame Bilder Ausdruck zu verleihen - und dass man sich dafür Profis bedient." Auch Volkswagen oder der Ärzteverband Marburger Bund standen schon im Verdacht, dies für ihre Zwecke getan zu haben.

(FAZ vom 9.6.2015, Hervorhebung von mir).
Die Skrupel, Menschen im "Meinungskampf" (hier: durch "undisclosed product placement") zu betrügen, sind also bei Volkswagen und Foodwatch ähnlich gering ausgeprägt. Die Geringschätzung der Öffentlichkeit als durch "einprägsame Bilder" zu lenkende Massen hat Geschichte.
Während man den frühen Lenkern der Massen gewiss anderes vorzuwerfen hat als Bigotterie, bin ich doch an die 80-er erinnert, als bigotten Stalinisten beim Gedanken an 300000 Menschen im Bonner Hofgarten - aufgrund der schieren Zahl der gelenkten Menschen - regelmäßig einer abging; bei manchen ist das bis heute so.

Groucho

Zitat von: Isaac am 13. Juni 2015, 15:10:08
Gekaufte Demonstranten: Welthungerhilfe protestiert mit Schauspielern gegen TTIP

Was willste denn? Das ist gelebter evolutionärer Humanismus.

ZitatDu sollst nicht lügen, betrügen, stehlen, töten – es sei denn, es gibt im Notfall keine anderen Möglichkeiten, die Ideale der Humanität durchzusetzen!

Irgendwie kann man es auch keinem recht machen.