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Unterrichtsfach Medizin/Gesundheit/"gute Wissenschaft"?

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Begonnen von Volvox, 10. November 2013, 15:30:55

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Volvox

Dank dieses Forenbeitrages habe ich mich an eine Frage erinnert, die ich mir schon seit langem stelle. Warum gibt es eigentlich kein Unterrichtsfach, das Homöopathie, GNM, Lichtnahrung und sonstigen pseudowissenschaftlich gestützten Humbug wirksam vorbeugt?
Ich meine, wer kennt denn nicht die Phrase: "Lass die Menschen doch selbst entscheiden, welche Therapie sie nehmen wollen. Jeder Mensch kann sich schließlich selbst informieren." Hierauf im echten Leben eine Antwort zu formulieren, die nicht arrogant wirkt, ist natürlich nur denkbar schwer. Aber klar ist nun mal, dass vielen Menschen das nötige Rüstzeug fehlt, um sich wirklich gut informieren zu können bzw. zu entscheiden, was gute belastbare Informationen sind. Darum studieren ja auch viele Menschen, um entscheiden zu können, welche Therapien angebracht sind und welche nicht. Wenn nun aber durch die Politik eine solche Entscheidungsfreiheit der Patienten gewährt (und gefördert) wird, warum wird dann die Bevölkerung nicht dahingehend informiert, dass diese auch eine vernünftige Entscheidnung treffen kann?

Gab es denn überhaupt schon Bemühungen in diese Richtung? Und wäre es in diesem Zusammenhang nicht vielleicht auch cleverer Wissenschaft als Sammelfach zu unterrichten, anstatt es auf verschiedene Fächer aufzuteilen?

celsus

Zitat von: Volvox am 10. November 2013, 15:30:55Gab es denn überhaupt schon Bemühungen in diese Richtung? Und wäre es in diesem Zusammenhang nicht vielleicht auch cleverer Wissenschaft als Sammelfach zu unterrichten, anstatt es auf verschiedene Fächer aufzuteilen?

Das fängt ja schon damit an, dass kritisches Denken in der Schule kaum eine Rolle spielt, außer man erwischt einen Lehrer, der daran Spaß hat. In der Lehrerausbildung kommt das auch üblicherweise nicht vor. Wolfgang Hund ist der einzige mir bekannte Lehrerausbilder, der sich mit dem Thema intensiv beschäftigt.
Und kritisches Denken hat auch keine ernsthafte Lobbymacht. Die GWUP ist zu klein und zu unbekannt um großflächig wahrgenommen zu werden und viel mehr gibt es nicht.
Außerdem lässt sich mit Unsinn und Zaubertherapien viel Geld verdienen, das setzt natürlich Kräfte frei, marktwirtschaftlich wie politisch und im Bildungssytem ebenfalls.
Wenn wir einen Weg finden, wie man durch kritisches Denken reich werden kann, sieht die Sache vielleicht anders aus.  ;D
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

Volvox

Zitat von: celsus am 10. November 2013, 15:41:30
Das fängt ja schon damit an, dass kritisches Denken in der Schule kaum eine Rolle spielt, außer man erwischt einen Lehrer, der daran Spaß hat. In der Lehrerausbildung kommt das auch üblicherweise nicht vor.
Ich kann mich noch dunkel erinnern, dass sich mein Chemielehrer dahingehend Mühe gab, dass wir bei unseren Experimenten selber aus den Beobachtungen Schlüsse ziehen sollten und auch "Kontroll"-Versuche gemacht haben, bei denen dann nichts passiert ist. Natürlich geht das nicht unbedingt bei jedem Fach, weshalb ein allgemeines Fach "Wissenschaft" vielleicht auch nicht verkehrt wäre, um die grundsätzliche Methodik zu vermitteln. Was ich aber auch schon gerne in der Schule gewusst hätte, ist, was es mit den "kognitiven Verzerrungen" auf sich hat, die sehr deutlich zeigen, warum wir Wissenschaft betreiben müssen, um verlässliche Erkenntnisse gewinnen zu können.

Zitat von: celsus am 10. November 2013, 15:41:30Und kritisches Denken hat auch keine ernsthafte Lobbymacht. Die GWUP ist zu klein und zu unbekannt um großflächig wahrgenommen zu werden und viel mehr gibt es nicht.
Außerdem lässt sich mit Unsinn und Zaubertherapien viel Geld verdienen, das setzt natürlich Kräfte frei, marktwirtschaftlich wie politisch und im Bildungssytem ebenfalls.
Wenn wir einen Weg finden, wie man durch kritisches Denken reich werden kann, sieht die Sache vielleicht anders aus.  ;D
Hmm... also die Mythbusters sind in meiner Generation (1985-95) ja, laut meinem Eindruck, schon relativ berühmt. Eine gewisse Nachfrage nach skeptischem Denken scheint grundsätzlich also vorhanden zu sein. Ich denke also schon, dass es durchaus ein großes Potential gibt. Dieses zu nutzen, scheint jedoch die Schwierigkeit zu sein. Ein großes Problem sehe ich ja darin, dass die meisten Menschen nur ungern wollen, dass man ihnen widerspricht, was bei Skeptikern jedoch zu erwarten ist^^

Gefährliche Bohnen

Ich hatte in der Schule Psychologie als Wahlfach, da hatten wir diese ganzen Versuchsleitereffekte und sowas. Das fand ich sehr hilfreich, das ist ja quasi das Basiswissen, um zu verstehen, warum man zum Beispiel Placebokontrollen und Verblindung braucht.

Aber ich hab auch schon öfter mal gedacht, dass es eigentlich sehr sinnvoll wäre, ein paar Unterrichtsstunden dazu einzubauen, wie Wissenschaft funktioniert. Zum Beispiel dann, wenn die Naturwissenschaften in der Schule anfangen. So nach dem Motto: Erstmal lernt ihr, warum ihr eigentlich glauben sollt, was wir euch hier beibringen und nicht das, was die Tante bei AstroTV erzählt. Das muss ja gar nicht mal so viel sein, einfach ein paar Grundlagen in Logik, typische Fehlschlüsse, ein bisschen Popper-Basics und so.
"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

Robert

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 10. November 2013, 21:44:13
Ich hatte in der Schule Psychologie als Wahlfach, da hatten wir diese ganzen Versuchsleitereffekte und sowas. Das fand ich sehr hilfreich, das ist ja quasi das Basiswissen, um zu verstehen, warum man zum Beispiel Placebokontrollen und Verblindung braucht.

Aber ich hab auch schon öfter mal gedacht, dass es eigentlich sehr sinnvoll wäre, ein paar Unterrichtsstunden dazu einzubauen, wie Wissenschaft funktioniert. Zum Beispiel dann, wenn die Naturwissenschaften in der Schule anfangen. So nach dem Motto: Erstmal lernt ihr, warum ihr eigentlich glauben sollt, was wir euch hier beibringen und nicht das, was die Tante bei AstroTV erzählt. Das muss ja gar nicht mal so viel sein, einfach ein paar Grundlagen in Logik, typische Fehlschlüsse, ein bisschen Popper-Basics und so.

Das wäre gut. Ich habe diesen Part als Elternteil übernommen. Anderen Kindern bleibt es völlig vorenthalten.

Belbo

Das ganze Feld der optischen Täuschungen erscheint mir da auch einen guten Einstiegspunkt zu bieten dann noch ein paar selbstgelernte Zaubertricks.....

schnüffelchen

Ich habe mir darüber auch schon öfter Gedanken gemacht. Ich glaube, der allererste Schritt wäre, dieses Wissen zu den angehenden Lehrern zu bringen.

Warum zu den angehenden? Weil ich glaube, dass da die Botschaft am ehesten ankommt. Ich sag's mal polemisch: die 50-jährige Studienrätin, die seit vielen Jahren ihre Globuli nimmt, wird sich verdammt schwertun, einzugestehen, dass sie einer Wahrnehmungstäuschung aufgesessen ist. Je länger man eine Meinung vertreten hat, desto stärker wird man sie verteidigen (so zumindest mein Eindruck).

Wenn man sich an die Referendare wendet, ist das Denken noch nicht so festgefahren. Darum glaube ich, man müsste mit Seminaren in der Lehrerausbildung anfangen. Und genau die Themen, die schon genannt wurden, müsste man aufbereiten: logische Fehlschlüsse, Erwartungs-Effekte, Wahrnehmungstäuschungen. Da könnte man sicher auch das eine oder andere praktische Experiment dazu konzipieren, das vor Augen führt, wie leicht man sich selbst täuschen kann.
Wenn man dann noch einige Experimente findet, die die Lehrer wiederum mit ihren Schülern durchführen können (und ihnen dazu einige gute Handreichungen gibt) dann hätte man auch einen Multiplikationseffekt.
Ein eigenes Unterrichtsfach zum Thema kritisches Denken wäre natürlich ein Traum. Aber fächerübergreifend sollte doch da zumindest etwas zu machen sein.

Ich hasse es, wenn ich Kettenbriefe nicht weiterleite und am nächsten Tag sterbe. - Gefährliche Bohnen

celsus

Zitat von: schnüffelchen am 11. November 2013, 11:10:49man müsste mit Seminaren in der Lehrerausbildung anfangen

Finde ich auch. Bleibt die Frage, wer ist "man"?
Genauer:
Wer hätte ein Interesse daran, dass sowas stattfindet?
Wer würde das durchführen/organisieren/finanzieren?
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

Volvox

Zitat von: Belbo am 11. November 2013, 00:02:50
Das ganze Feld der optischen Täuschungen erscheint mir da auch einen guten Einstiegspunkt zu bieten dann noch ein paar selbstgelernte Zaubertricks.....
Oh ja! Allein schon um zu zeigen, dass unsere Wahrnehmung nicht das Maß aller Dinge ist.
Wunderbar finde ich in diesem Zusammenhang auch die "Inattentional Blindness" (Unaufmerksamkeitsblindheit) oder den McGurk Effekt. Ansonsten finde dies aber auch sehr interessant und anschaulich: http://en.wikipedia.org/wiki/Wason_selection_task
;)

@schnüffelchen
Prinzipiell hast du Recht. Dennoch dürfte es schwierig werden aus dem nichts heraus so etwas einzurichten.
Gut wäre ja bereits, wenn Psychologen in dieser Hinsicht mehr Öffentlichkeitsarbeit betreiben würden bzw. das Interesse an solchen Dingen stärker fördern würden.

@Gefährliche Bohnen
Schön auf den Punkt gebracht :grins2:

Belbo

heute in der Apotheke bei einem Einwand gegen Bachblueten...... "BMW benutzt ja auch Granderwasser in den Kuehlern"..........

Groucho

Zitat von: Belbo am 11. November 2013, 00:02:50
Das ganze Feld der optischen Täuschungen erscheint mir da auch einen guten Einstiegspunkt zu bieten dann noch ein paar selbstgelernte Zaubertricks.....

Gute Idee. Die Einsicht in die eigene Fehlbarkeit ist tatsächlich der Knackpunkt.

sweeper

Zitat von: Belbo am 11. November 2013, 21:17:28
heute in der Apotheke bei einem Einwand gegen Bachblueten...... "BMW benutzt ja auch Granderwasser in den Kuehlern"..........

Ach, deshalb sieht man die immer in Dampf und Qualm am Straßenrand stehen...
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

pelacani

Zitat von: sweeper am 11. November 2013, 21:26:06
Zitat von: Belbo am 11. November 2013, 21:17:28
heute in der Apotheke bei einem Einwand gegen Bachblueten...... "BMW benutzt ja auch Granderwasser in den Kuehlern"..........
Ach, deshalb sieht man die immer in Dampf und Qualm am Straßenrand stehen...
Lass' mich raten: Du bist entweder Fahrrad- oder Mercedesfahrer.  8)

Belbo

Zitat von: pelacani am 11. November 2013, 22:00:49
Zitat von: sweeper am 11. November 2013, 21:26:06
Zitat von: Belbo am 11. November 2013, 21:17:28
heute in der Apotheke bei einem Einwand gegen Bachblueten...... "BMW benutzt ja auch Granderwasser in den Kuehlern"..........
Ach, deshalb sieht man die immer in Dampf und Qualm am Straßenrand stehen...
Lass' mich raten: Du bist entweder Fahrrad- oder Mercedesfahrer.  8)


Bei Mercedes Weggeschmissen........halt :-)

sweeper

Zitat von: pelacani am 11. November 2013, 22:00:49
Zitat von: sweeper am 11. November 2013, 21:26:06
Zitat von: Belbo am 11. November 2013, 21:17:28
heute in der Apotheke bei einem Einwand gegen Bachblueten...... "BMW benutzt ja auch Granderwasser in den Kuehlern"..........
Ach, deshalb sieht man die immer in Dampf und Qualm am Straßenrand stehen...
Lass' mich raten: Du bist entweder Fahrrad- oder Mercedesfahrer.  8)

weder -  noch  8)
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