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Deutsch => Andere Webseiten oder Medien => Thema gestartet von: P.Stibbons am 28. Februar 2012, 21:52:19

Titel: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: P.Stibbons am 28. Februar 2012, 21:52:19
http://web.de/magazine/wissen/mensch/14850662-oetzi-litt-an-laktose-intoleranz-und-kreislaufproblemen.html#.A1000107

Zitat...Unter anderem litt Ötzi an Laktose-Intoleranz und an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, die viele Experten bislang für eine moderne Zivilisationskrankheit hielten. Um generelle Rückschlüsse auf die genetischen Ursachen solcher Krankheiten zu ziehen, reiche die Untersuchung von Ötzi allerdings noch nicht aus, betonte das Team um den Bozener Forscher Albert Zink am Dienstag. Die Resultate sind im Journal "Nature Communications" veröffentlicht...

Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: Binky am 28. Februar 2012, 21:58:17
Jaja, die gute alte Zeit.
Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: P.Stibbons am 28. Februar 2012, 22:05:55
Ach wo, der kannte nur die Urkost-Diät (http://www.psiram.com/ge/index.php?title=Urkost#Urkost_und_Gesundheit) nicht!
Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: de Bunker am 29. Februar 2012, 00:13:32

Und schön mit Scheuklappen formuliert:

Zitat..Unter anderem litt Ötzi an Laktose-Intoleranz

Daran gelitten hat er vermutlich weniger. Er litt allerdings nicht an Laktosetoleranz, wie die meisten Europäer heute.
Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: Binky am 29. Februar 2012, 07:44:42
Zitat von: de Bunker am 29. Februar 2012, 00:13:32

Und schön mit Scheuklappen formuliert:

Zitat..Unter anderem litt Ötzi an Laktose-Intoleranz

Daran gelitten hat er vermutlich weniger. Er litt allerdings nicht an Laktosetoleranz, wie die meisten Europäer heute.

Kommt auf die Sichtweise an. Viehhaltung gab es schon und die Fähigkeit, Milch zu verdauen, entstand in jener Zeit. Die Verdaubarkeit von Milch war jedenfalls ein so großer Fortschritt, daß es sich sehr schnell durchgesetzt hat. Wenn es darum ging, nicht zu verhungern, wird er schon gelitten haben.

http://derstandard.at/1250691555222/Faehigkeit-Milch-zu-verdauen-begann-vor-7500-Jahren--ungefaehr-hier
Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: P.Stibbons am 29. Februar 2012, 10:28:36
Hier der Original-Artikel:

http://www.nature.com/ncomms/journal/v3/n2/full/ncomms1701.html

ZitatSequences corresponding to ~60% of the genome of Borrelia burgdorferi are indicative of the earliest human case of infection with the pathogen for Lyme borreliosis.

Und wer noch mehr wissen will:

http://www.nature.com/ncomms/journal/v3/n2/extref/ncomms1701-s1.pdf

Ich hatte gehofft, sie würden auch auf ADHS-assoziierte genetische Hinweise schauen: von wegen Jäger & Sammler und so  :D
Vgl Thom Hartmann: "Eine andere Art, die Welt zu sehen" (http://www.ciao.de/Eine_andere_Art_die_Welt_zu_sehen_Hartmann_Thom__771969)

Aber wie genial ist das:
nicht nur, dass das Genom eines soooo "alten" Menschen aufgeschlüsselt werden konnte - ich kann mir die Resultate auch ratz-fatz auf meinen eigenen Rechner runter laden!
Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: Belbo zwei am 29. Februar 2012, 10:30:54
Zitat von: P.Stibbons am 29. Februar 2012, 10:28:36
Hier der Original-Artikel:

http://www.nature.com/ncomms/journal/v3/n2/full/ncomms1701.html

ZitatSequences corresponding to ~60% of the genome of Borrelia burgdorferi are indicative of the earliest human case of infection with the pathogen for Lyme borreliosis.

Ich hatte jetzt eigentlich gedacht, Du schreibst, er könne noch leben hätte er nur Ritalin genommen *duw*  ;D
Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: P.Stibbons am 29. Februar 2012, 10:37:34
Zitat
Ich hatte jetzt eigentlich gedacht, Du schreibst, er könne noch leben hätte er nur Ritalin genommen *duw*  Grinsend

Tja, vor die medikamenöse Therapie wurde eben von einer höheren Macht eine sachgerechte Diagnose gesetzt!  ;)

Anyway:

Wenn er auf der Flucht in schwierigem Gelände unterwegs war, sind dies genau die Bedingungen, unter denen ein ADHSler hyperfocus-bedingt zu seiner Hochform auflaufen kann.

- Siehe das oben verlinkte Buch von Thom Hartmann, das eine Sichtweise auf ADHS beschreibt, die ursprünglich "zum Trost" für seinen betroffenen Sohn gedacht war. Nicht wissenschaftlich valide, aber alltagspraktisch... ;)

Viele suchen sich den Thrill ja heutzutage in Extremsportarten und Outdoor-Aktivitäten.
Doch die "normalen" gesellschaftlichen Verhältnisse - sie sind nicht so ...

Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: Binky am 29. Februar 2012, 12:39:09
Hier zur Milchunverträglichkeit:

Zitat
Die Milchzucker-Unverträglichkeit könnte Ötzi hinderlich gewesen sein: "Auf dem Weg zur Sesshaftwerdung mit Ackerbau und Viehzucht wird es für ihn schon schwierig gewesen sein, dass er keine Milch vertragen konnte", sagte Carsten Pusch, der die genetischen Untersuchungen an der Universität Tübingen geleitet hat, der Nachrichtenagentur dpa.

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,818062,00.html
Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: Forbidden am 29. Februar 2012, 12:41:29
Das mit der Laktoseintoleranz (im Bezug zur Evolution) hatten wir hier schonmal.... ich finde diesen verflixten Thread nur nicht mehr
Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: Belbo zwei am 29. Februar 2012, 13:26:08
Für mich schaut der Typ ja mehr nach burnout aus.
Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: Forbidden am 29. Februar 2012, 13:51:13
Zitat von: Belbo zwei am 29. Februar 2012, 13:26:08
Für mich schaut der Typ ja mehr nach burnout aus.

Wart mal ab bis du so alt bist  ;D
Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: de Bunker am 29. Februar 2012, 17:18:42
Zitat von: Binky am 29. Februar 2012, 07:44:42
Kommt auf die Sichtweise an. Viehhaltung gab es schon und die Fähigkeit, Milch zu verdauen, entstand in jener Zeit. Die Verdaubarkeit von Milch war jedenfalls ein so großer Fortschritt, daß es sich sehr schnell durchgesetzt hat. Wenn es darum ging, nicht zu verhungern, wird er schon gelitten haben.

http://derstandard.at/1250691555222/Faehigkeit-Milch-zu-verdauen-begann-vor-7500-Jahren--ungefaehr-hier

Trotzdem ist die Formulierung "... litt an Laktoseintoleranz" ganz nett ethnozentristisch - Laktoseintoleranz ist der menschliche Normalzustand, global gesehen. Laktoseintoleranz ist also keine Erkrankung, an der man "leiden" könnte.

Wie aussagefähig diese Untersuchung eines Menschen aus dieser Region und Zeit sein kann, ist nochmals eine andere Frage. Ötzi kann damit in seiner Population ebensogut einen Normalfall darstellen wie auch eine Ausnahme sein - die Datenlage ist einfach zu dünn. Wenn sie in 3.000 Jahren zufällig mich ausbuddeln, haben sie auch ein wunderschön laktoseintolerantes Exemplar auf dem Tisch, und das sagt nichts über die Laktoseverträglichkeit meines Umfeldes aus.

Außerdem wird keine weitere Aussage über das Ausmaß der festgestellten Laktoseintoleranz gemacht. In den meisten Fällen ist diese ja nicht komplett, sondern graduell gegeben, so daß viele Laktoseintolerante dennoch Milchprodukte wie Butter oder Käse verdauen können. Dies kann auch bei Ötzi der Fall sein - die mitgeteilte Information ist nicht ausreichend, um das auszuschließen.

Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: P.Stibbons am 29. Februar 2012, 18:23:36
@ de Bunker:

Wenn du das pdf auf Seite 10 öffnest, findest du Details, auch über andere genetische Dispositionen.

Hier wird nur gesagt, dass die Veranlagung für "Lactase Nonpersistence" festgestellt wurde.

ZitatTrotzdem ist die Formulierung "... litt an Laktoseintoleranz" ganz nett ethnozentristisch - Laktoseintoleranz ist der menschliche Normalzustand, global gesehen. Laktoseintoleranz ist also keine Erkrankung, an der man "leiden" könnte

"An etwas leiden" ist im Blick auf verwertbare Nahrungsquellen natürlich immer auch kontextabhängig.

Ich kenne durchaus Menschen, die durch ihre Lactoseintoleranz ziemlich geplagt sind - außer man mag es, ständig einen Blähbauch und Verdauungsprobleme zu haben.

Der Iceman war Fleischesser und hatte vor seinem Tod diesbezüglich wohl auch noch mal gut zugelangt.
Vermutlich lässt sich noch feststellen, ob die Muskelfasern im Mageninhalt von einem Wild -oder einem Haustier stammen.

Überall wo es Rinder-und Ziegenhaltung gibt, wird auch die Milch genossen, sodass es für Ötzi schon persönlich relevant gewesen sein kann, ob er Milchprodukte vertrug oder nicht.

Zitat
Wie aussagefähig diese Untersuchung eines Menschen aus dieser Region und Zeit sein kann, ist nochmals eine andere Frage.

Alle Aussagen sind natürlich nur auf Ötzis genetisches Material bezogen.

ZitatThe Tyrolean Iceman, a 5,300-year-old Copper age individual, was discovered in 1991 on the Tisenjoch Pass in the Italian part of the Ötztal Alps. Here we report the complete genome sequence of the Iceman and show 100% concordance between the previously reported mitochondrial genome sequence and the consensus sequence generated from our genomic data.

We present indications for recent common ancestry between the Iceman and present-day inhabitants of the Tyrrhenian Sea, that the Iceman probably had brown eyes, belonged to blood group O and was lactose intolerant.
His genetic predisposition shows an increased risk for coronary heart disease and may have contributed to the development of previously reported vascular calcifications.
Sequences corresponding to ~60% of the genome of Borrelia burgdorferi are indicative of the earliest human case of infection with the pathogen for Lyme borreliosis.



Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: Binky am 29. Februar 2012, 18:38:47
ZitatAußerdem wird keine weitere Aussage über das Ausmaß der festgestellten Laktoseintoleranz gemacht. In den meisten Fällen ist diese ja nicht komplett, sondern graduell gegeben, so daß viele Laktoseintolerante dennoch Milchprodukte wie Butter oder Käse verdauen können. Dies kann auch bei Ötzi der Fall sein - die mitgeteilte Information ist nicht ausreichend, um das auszuschließen.

Lactose ist Milchzucker, der bei der Verarbeitung zu manchen Milchprodukten durch Milchsäuregärung zu Lactat umgewandelt wird. Ergo ist in saueren Käsesorten keine Lactose oder nur geringe Mengen davon enthalten, so daß lactoseintolerante Menschen solche Produkte verdauen können. Also nix mit graduell. Entweder man hat das Enzym Lactase oder nicht.

Butter ist Milchfett, die nur sehr geringe Menge Lactose enthält - auch hier dürften entsprechend veranlagte Menschen eher keine Schwierigkeiten haben.

Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: P.Stibbons am 29. Februar 2012, 18:44:58
http://www.medizinische-genetik.de/index.php?id=1460

ZitatDer C/T-Polymorphismus in Position -13910 (g.-13910C>T) in der regulatorischen Region des LCT-Gens zeigt eine starke Assoziation zur Lactaseaktivität.
Ca. 25% der mittel- und nordeuropäischen Bevölkerung sind homozygote Träger des inaktivierenden C-Allels und sind damit von dieser Form der Lactose-Intoleranz betroffen. In Südeuropa und anderen Teilen der Welt ist die Erkrankung deutlich häufiger anzutreffen.

Die Vererbung erfolgt autosomal-rezessiv, d.h. beide Allele müssen betroffen sein, damit sich die Unverträglichkeit phänotypisch ausprägt.


Klinik und Übersicht über Milchprodukte unterschiedlichen Lactose-Gehalts:

http://www.swiss-paediatrics.org/sites/default/files/paediatrica/vol18/n1/pdf/22-24.pdf

Und hier noch mal zur Genetik und auch zur epidemiologischen Verteilung:

http://www.bioscientia.de/de/files/2011/06/Bericht-72_Lactoseintoleranz.pdf
Titel: Re: Ötzis Krankheiten
Beitrag von: Binky am 29. Februar 2012, 22:51:23
Zitat von: Forbidden am 29. Februar 2012, 12:41:29
Das mit der Laktoseintoleranz (im Bezug zur Evolution) hatten wir hier schonmal.... ich finde diesen verflixten Thread nur nicht mehr

Ja. Das ist ein typisches Bsp. für Radiation (http://de.wikipedia.org/wiki/Adaptive_Radiation) beim Menschen. Es gibt den Zusammenhang: Nordeuropa ist dunkel, daher wird Vitamin D zum Mangelfaktor. Dadurch haben hellhäutige Menschen einen Vorteil und gleichzeitig solche, die eine leicht zugängliche Kalziumquelle (Milch) nutzen konnten.