https://www.dguv.de/uv-recht/2018/10_2018/10_2018_03.pdf (https://www.dguv.de/uv-recht/2018/10_2018/10_2018_03.pdf)
ZitatStreitig war die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Unfallversicherung als selbständige geistige Heilerin und die Festsetzung von Beiträgen.
Die 1942 geborene Klägerin bezieht seit 2002 Altersrente und betreibt seitdem selbständig eine Praxis für ,,energetische Körperarbeit". Durch insgesamt elf Bescheide vom 14.02.2013 und weiteren Bescheiden stellte die Beklagte ihre Zuständigkeit für das Unternehmender Klägerin fest und veranlagte diesesfür den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2012 und ab 01.01.2013 bis 31.12.2018 zum Gefahrtarif. Sie bestätigte ferner die Zugehörigkeit der Klägerin als Unternehmerin im Rahmen einer Unternehmerpflichtversicherungzur Beklagten und stellte die Versicherungssummen für die einzelnen Beitragsjahre fest.
...
Die Klägerin betreibe mit ihrer Praxis für energetische Körperarbeit ein Unternehmen des Gesundheitswesens nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII. Die Klägerin sei selbständigtätig, da ihr das Ergebnis ihres Unternehmens unmittelbar zum Vor- und Nachteil gereiche (vgl. Rz 15). Unter den Begriff des Gesundheitswesens i.S.d. Gesetzlichen Unfallversicherung fielen Einrichtungen und Tätigkeiten, die der Beseitigung bzw. Besserung eines krankhaften Zustandes dienten, die Pflege pflegebedürftiger Patienten be-zweckten, vor drohenden Gesundheitsgefahren schützten und diesen vorbeugten (vgl. Rz 16). Dies müsse den Hauptzweck des Unternehmens bilden. Die Behandlungsmethoden der Klägerin erfolgten primär zur Heilung und Verhütung von Krankheiten, wobei es unerheblich sei, ob diese Methoden nach dem Recht des SGB V abrechnungsfähig seien (vgl. Rz 17, 21).
Die von der Klägerin angebotenen Leistungen dienten nach ihrer subjektiven Vorstellung dazu, Krankheiten zu verhüten oder zu heilen, Traumata aufzulösen und die geistige und körperliche
Gesundheit zu unterstützen (vgl. Rz 18). Für die Beitragspflicht in der Gesetzlichen Unfallversicherungmüsse keine Bewertung der Qualität und Erfolgsaussichten der Behandlungen
vorgenommen werden (vgl. Rz 19) und es komme nicht darauf an, ob Behandlungen angeboten werden, die
den Regeln der ärztlichen Kunst entsprächen (vgl. Rz 21). Auch das Fehlen der Heilpraktikererlaubnisnach § 1 des HeilprG oder einer ärztlichen Approbationsei ebenso irrelevant für die Versicherungspflicht der Klägerin wie eine eventuelle berufliche Zulassung (vgl. Rz 22).
Hervorhebung von mir.
Nicht "wer heilt hat recht", sondern "wer heilen will, zahlt".
Ergänzung aus den Tiefen des Urteils:
Zitat19
Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die von der Klägerin angebotenen Behandlungsmethoden nicht auch objektiv einen Heilungszweck verfolgen, ohne dass für die Frage der Beitragspflicht in der GUV hierbei eine Bewertung der Qualität und Er-folgsaussichten dieser Methoden vorgenommen werden muss. Zur Verhütung einer Krankheit dienen alle Behandlungen, die der Vermeidung eines regelwidrigen, vom Leit-bild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustands dienen, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (BSGE 85, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 38; BSGE 72, 96, 98 = SozR 3-2200 § 182 Nr 14 S 64 jeweils mwN). Dass die im Angebot der Klägerin enthaltenen Behandlungsmethoden objektiv dem Ziel dienen, Selbstheilungskräfte des Körpers zu mobilisieren, lässt sich den einschlägigen Informationsquellen wie insbesondere den Internetauftritten ihrer Entwickler entnehmen. Bei diesen Inhalten öffentlich angebotener Behandlungsmethoden handelt es sich, soweit sie sich unter eine begriffliche Definition fassen lassen, um generelle Tatsachen, über die sich jedermann aus allgemein zugänglichen Quellen ohne beson-dere Fachkunde unterrichten kann (s BSG vom 24.2.2011 -B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10 RdNr 24 mwN = SGb 2012, 285). Bei fehlenden Feststellungen der Tatsacheninstanz zu diesen allgemeinen Tatsachen ist das BSG auch als Revisionsinstanz befugt, diese selbst zu ermitteln und festzustellen (BSG vom 23.4.2015 -B 2 U 20/14 R - BSGE 118, 267 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8, RdNr 33; BSG vom 13.12.2005 - B 1 KR 21/04 R - SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 18 = SGb 2006, 689).
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Bei der "Reconnective Therapy" nach H. S. geht es nach dem Internetauftritt ihres Ent-wicklers (https://www.reconnectivetherapy.com/deutschland) um die Erzielung von Heilerfolgen. Auch die "russischen Heilweisen" von G. G. und A. P. dienen nach dem Internetauftritt des "G. -Zentrums" in erster Linie Heilerfolgen (https://g. -zentrum- ). Das "Total Touch Pulsing" nach B. T. dient nach den allgemein zugänglichen Angaben der Erfinderin ebenfalls der Förderung von Selbstheilungskräften (http://www.b. -t ...de/therapien/therapien/therapie ttp.html) und "Qi Gong" bezweckt laut der "Deutschen Qigong - Gesellschaft e.V." ua die Gesunderhaltung auf der körperlichen Ebene (https://www.qigong-gesellschaft.de/qigong/wirkung-qigong). Der Senat verwendet diese Angaben der Ent-wickler bzw Vertreter dieser Methoden, um den Subsumtionsschluss zu rechtfertigen, dass die Klägerin im Gesundheitswesen iS des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII tätig und damit in der GUV beitragspflichtige selbstständige Unternehmerin ist. Der Senat trifft damit keine Aussage über die Wirkungsweise oder die objektive Eignung dieser Methoden zur Gesunderhaltung bzw Heilung. Im Recht der GUV wird wesentlich auf die Handlungsten-denz des Versicherten abgestellt, die hier bei der Klägerin unzweifelhaft auf "Heilung" im weiteren Sinne gerichtet ist.
Ich wüsste nur zu gerne, inwiefern die Klägerin argumentiert hat, dass sich das BSozG befleissigt sah, die "objektive Heilungsabsicht" der "Methoden" zu beurteilen. Denn wenn es so herausgestellt wird, könnte ich mir vorstellen, dass dort gegen eine Heilabsicht argumentiert wurde... ansonsten würden sich die Richter nicht zu sowas bemüßigt fühlen...
Andererseits ist der Abschnitt auch gefährlich, weil er bei selektivem Lesen den Schwurblern Munition liefert: "Sehet, ihr Ungläubigen, objektiv wollen wir doch heilen!".