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Deutsch => Allgemeine Diskussionen => Smalltalk => Thema gestartet von: bayle am 26. Juli 2013, 19:31:22

Titel: Rom im Jahre 1833
Beitrag von: bayle am 26. Juli 2013, 19:31:22
And Now for Something Completely Different.

Ich lese gerade Friedrich Kölle: ,,Rom im Jahre 1833". Darin kommen ein paar italienische Wendungen vor. Kann mir jemand helfen, die zu verstehen?

ZitatEs verdient bemerkt zu werden, dass seit der Juliusrevolution kein neues Verzeichnis verbotener Bücher von der Congregation des Index mehr ausgegeben wurde, während die Strenge der Revisionen an der Mauth eher zu- als abgenommen hat. Die Meinung der Wortführer kann übrigens nicht kürzer ausgesprochen werden, als ein Dominicaner es that. Man lobte ihm die Schriften Maistre's. Er antwortete Basta che siano nuovi per esser cattivi!

Pasquino hat deshalb europäischen Ruf, und mit Recht erhalten. Er ist verstummt, ganz nicht aus Mangel an Stoff, sondern weil es ihm übers Witz- und sogar über das Sarkasmenmachen hinausgeht. In der Carneval-Zeit ist er thätig genug. Am fruchtbarsten war die Zeit der Republik und die französische Besitznahme. Hier einige Beispiele. Im Theater Corra wurde ein republicanisches Fest gegeben. Zwei Statuen von Gyps, die französische und die römische Republik vorstellend, zierten den Raum. Unter der französischen stand geschrieben: Magna mater, und unter der römischen: Filia grata. Ein Römer vom Volke frug einen andern, was die Inschriften besagen wollten? Sogleich antwortete dieser Mangia (hier Magnia gesprochen) la madre, la figlia si gratta. Als die Franzosen 1799 abzogen, spielten die Tambours den Quintmarsch, in welchem zuerst die Trommelschlägel aufeinander geschlagen, und alsdann erst das Kalbfell berührt wird. Sogleich sangen die Straßenjungen Ladra Ladra Ladracoj.

Ein Tischler hatte lange in seiner Bude bei der Trajanssäule ein Horn gegen das böse Auge und an demselben einen gefirnisten lesenden Abbate aus Gyps hangen, welchen die Luccheser in Menge verkauften, welcher aber jetzt, wahrscheinlich auf Befehl der Polizei, verschwunden ist. Unter diesem stand Crepa. Ich war neugierig, wie dieses auffallende Wort motivirt sey, und fand am Piedestal geschrieben: Fortuna assistemi, invidia crepa.

Trinkeswaine ist das einzige Deutsch, welches jeder Römer versteht, und auf dem römischen Gänsespiel prangt ein Tedesco chi beve. ... Zweitens aber können sie die tückischen, römischen Weine nicht führen, wie der gemeine Römer, betrinken sich daher sogleich, fangen an zu singen, ihre Sprache fällt auf, und nun heißt es sogleich: Sono tutti ubbriaconi! 

Ist natürlich möglich, dass der deutsche Setzer auch nicht Italienisch konnte und deshalb noch Druckfehler vorkommen. 
Titel: Re: Rom im Jahre 1833
Beitrag von: Belbo am 26. Juli 2013, 19:54:15
Mag aber auch sein, dass damals ein anderes Italienisch gesprochen wurde, hier ein Beispiel für ein Söldneritalienisch, dass wir damal bei Herrn Dinkelacker im Musikunterricht gegrölt haben.....
http://angerweit.tikon.ch/lieder/lied.php?src=mittelalter/strampedemi
Titel: Re: Rom im Jahre 1833
Beitrag von: sweeper am 26. Juli 2013, 20:01:27
Zitat von: Belbo am 26. Juli 2013, 19:54:15
Mag aber auch sein, dass damals ein anderes Italienisch gesprochen wurde, hier ein Beispiel für ein Söldneritalienisch, dass wir damal bei Herrn Dinkelacker im Musikunterricht gegrölt haben.....
http://angerweit.tikon.ch/lieder/lied.php?src=mittelalter/strampedemi

Gegrölt (http://www.youtube.com/watch?v=LA09wzCWGMA) ist sicher authentischer als die Version im alpinen Satzgesang (http://www.youtube.com/watch?v=UTA2SVnHWZY)

edit:
1) Sch****, dass es - siehe rechts im Menü - fast nur ideologisch überfrachtete Versionen dieses ältesten erhaltenen Landsknechtliedes gibt!

2) Man muss sich das so vorstellen, dass diese Lieder nicht nur während der strapaziösen Märsche gesungengrölt wurden, sondern vermutlich auch auf dem Weg in die Schlacht - eine Art Selbsteuphorisierung...
Titel: Re: Rom im Jahre 1833
Beitrag von: sweeper am 26. Juli 2013, 20:12:11
Ich wage mal ne Improvisation:

1) Basta che siano nuovi per esser cattivi!  -> Es reicht aus, dass sie neu sind, um beschlagnahmt zu werden (pragmatischer Zugang zum Problem sozusagen)

2) la madre, la figlia si gratta. -> absichtlich falsch übersetzt von "Die Mutter (=Frankreich) ist groß(artig); die Tochter ist "grata" (von gratus,a,um =lieb, liebreizend, wertgeschätzt und teuer). Es bleibt übrig: "Das da ist die ("olle") Mutter; und das ist unsere liebe Tochter Italien"

3) "Ladra Ladra Ladracoj."  -> "Diebe, Diebe sind die Ladracoi" (Regimentsname; herabsetzender Regimentsname für die französischen Besatzer -> "Dragoner"?)

4) Fortuna assistemi, invidia crepa. -> Fortuna, hilf mir, lass die Neider (meiner guten Arbeit) krepieren.

5) Tedesco chi beve. -> Wer da trinkt säuft, ist ein Deutscher -> wenn man jemand saufen sieht, kann das nur ein Deutscher sein.

6) Sono tutti ubbriaconi!   -> Wir sind alle besoffen. (Könnte der Titel eines Trinklieds sein; etwa wie "Trink,Brüderlein, trink...")

Also: sie sehen verächtlich auf die deutschen Säufer, aber betrinken sich ebenfalls schnell.

edit: alles ohne Gewähr!!
Titel: Re: Rom im Jahre 1833
Beitrag von: bayle am 26. Juli 2013, 20:51:18
Cool! Vorläufiges Danke. :grins2:
Titel: Re: Rom im Jahre 1833
Beitrag von: sweeper am 26. Juli 2013, 21:29:42
Wie gesagt: ohne Gewähr!

Ich habe ab und zu mit Texten in älterem Italienisch zu tun, aber das ist keine Garantie.
Mein Schul-Latein hilft mir vielleicht, gemeinsame sprachliche Wurzeln zu erspüren.
Der Kontext, den du glücklicher Weise mit zitiert hast, hilft auch zur Einordnung,

Aber es gibt unter den Foristen hier Leute, die näher dran sind am Italienischen als ich... bitte Korrektur!