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Deutsch => Allgemeine Diskussionen => Skeptisches Denken => Thema gestartet von: Peiresc am 30. März 2023, 20:25:34

Titel: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: Peiresc am 30. März 2023, 20:25:34
Das Glück der Tiere. Einspruch gegen die Evolutionstheorie

Burkhardt Müller hat 1995 ein Buch über das Christentum veröffentlicht (Schlussstrich. Kritik des Christentums), das klug beobachtet ist. Dann hat er ein Buch geschrieben: "Das Glück der Tiere. Einspruch gegen die Evolutionstheorie". Örks, wie passt das zusammen, habe ich mich gefragt.

Ich habe die ersten 40 Seiten gelesen. Auf diesen 40 Seiten zitiert er keinen wissenschaftlichen Autor zur Sache und definiert nicht einmal ansatzweise irgendeinen der Begriffe, die er verwendet. Ein einziges Metapherngewaber. Ich habe keinen Gedanken erkannt, der sich irgendwie faktisch belegen oder auch nur in eine überprüfbare Hypothese transformieren ließe.
 
ZitatEs heißt gelegentlich, das Lebendige sei wild gewordene Materie. Aber das stimmt so nicht. Auch ein Tornado ist wild gewordene Materie und lebt doch nicht. Er gleicht dem Lebendigen wie das Plappern des Papageis der menschlichen Sprache: [...] (S. 30)

Tiefsinn lass' nach. Der nächste Absatz beginnt so:
 
ZitatJeder kann sehen, dass ein Tier nicht nur Materie ist, sondern beschleunigte Materie;
Man wird folgern, dass "beschleunigt" und "wild" keine Synonyma sind. Man könnte folgern, dass der Tornado wild aber nicht beschleunigt und das Tier beschleunigt aber nicht wild ist, was keinen rechten Sinn ergibt. Oder sollte man folgern, dass die tierische Materie wild und beschleunigt, die tornadische Materie hingegen allein wild ist? Aber ... gibt es nicht auch zahme Tiere? Verwirrung. Der Satz geht so weiter:
 
Zitatdass die Atome, die es an sich zieht, um sich daraus zu bauen, in ihm nur als Gäste oder Tagelöhner verweilen und es so unbeschadet wieder verlassen wie ein Kirschkern den Verdauungskanal.

Aber das unterscheidet den Tornado nicht vom Tier. Es stellt sich also heraus: "wild" und "beschleunigt" sind eben doch Synonyma - Müller war das aber offenbar zu gewöhnlich und zu wenig inspiriert, als dass er gleich damit herausgerückt wäre. Und so fehlt zum Tier-Sein noch das Glück, was in Bewusstsein und in Schönheit zum Ausdruck komme - oder bestehe, wer weiß - und das von der Evolutionstheorie nicht erklärt werden könne. (Genauso wie die Atheisten die Menschen zu Zombies machen, weil sie die Liebe nicht erklären können.)
 
ZitatAuch bin ich der Ansicht, dass Tiere in den Genuss ihrer Schönheit gelangen. Welchen Sinn könnte sie sonst haben? Gar keinen natürlich, schnaubt die Evolutionstheorie: Als wäre Schönheit nur die Außenbespannung der angepassten Organismen, zwar notwendig so zustande gekommen, wie sie sich heute präsentiert, und sie mag sogar, wo sie tarnt, warnt oder wirbt, eine gewisse Aufgabe haben — aber nicht, insofern sie schön ist; in dieser Hinsicht sei sie als völlig kontingent zu betrachten. Oder sollte man etwa glauben, sagt Darwin (und man spürt seinen Unmut in den Zeilen), dass die Schale des Nautilus vor Millionen von Jahren nur zustande gekommen wäre, um so viel später das Auge des Forschers zu erquicken? Schwerlich, das ist wahr. Und zwar nicht nur, weil es keinem Lebewesen zuzumuten ist, so lange zu warten, um so viel Undank zu ernten; und auch nicht nur, weil der Forscher evolutiv als ein Zu- und Zwischenfall eingestuft werden muss, der ebenso gut auch hätte unterbleiben können, während der Nautilus unangetastet durch die Äonen schwebt: sondern weil es nicht angehen kann, dass ein Tier von etwas, das ihm so wesentlich ist, ausgeschlossen sein soll. (S. 35)
Aus dem Sollen folgt ein Sein. Und deshalb muss der Nautilus etwas von seiner eigenen Schönheit bemerken - es kann gar nicht anders sein. Und wenn er kein Nervensystem hat, das dazu in der Lage wäre - sein Problem. Das wieder erinnert an das Problem des Tuberkelbacillus vor seiner Entdeckung durch Koch, wie es von Bruno Latour erkannt (und von Alan Sokal aufgespießt) worden ist. Nebenbei: auf Müllers Definition des Bewusstseins ist man nicht gespannt, wohl aber auf die der Schönheit. Hier ist sie:
 
ZitatAber Schönheit ist mehr als eine hübsche Hülle, wovon der, der drinsteckt, keine Ahnung hätte; mehr als das Etui des Angepassten. Schönheit ist kein Kleid, nicht einmal Architektur, auch mehr als nur Ausdruck. Sie ist eine von beiden Seiten zarte Membran, die den Kern zugleich umgrenzt und durchscheinend macht, jenen Kern, der sich aus der Besonderheit und der Vollkommenheit des Selbst mengt und in dieser Mengung das Selbst ist und sich empfindet. Seine Haut, die Oberfläche seines Leibs, ist dem Tier die Wendemarke, an der anschlagend es in sich selbst zurückkehrt; aber im Augenblick des Anschlags geht die Welle über und läuft in geradliniger Verlängerung fort ins Unendliche. (S. 35f)
Ah, ja. Die Behaarung der Vogelspinne macht ihren Kern durchscheinend, von außen wie von innen, und das macht ihre Schönheit aus. Gut, dass das mal gesagt wurde. Wir müssen also unsere zwischenzeitliche Meinung revidieren, nach der "Beschleunigung" dasselbe ist wie "Wildheit", und nach der beide Metaphern infantile Analogien in der Wesensschau der wunderbaren, evolutionsfreien tierischen Existenz sind. Die Wahrheit ist:

    Beschleunigung = Wildheit + Bewusstsein + Schönheit

Und deshalb kann die Evolutionstheorie nicht wahr sein.

---

In der FAZ [hier (https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezension-sachbuch-das-tier-benimmt-sich-unmoeglich-11301382.html?printPagedArticle=true#pageIndex_3)] hatte er eine beifallklatschende Rezension:
Zitat"Gegen eine solche Wissenschaft setzt Burkhard Müller eine Lehre der Vielfalt, des Erbarmens und der Bewunderung. "Es muß einen Genuß der endlichen erlangten Sättigung geben und des Sonnenscheins, wenn es lange kalt gewesen ist. Es muß ein Glück der Existenz als Individuum geben, vielleicht nur so wenig über die Wasserlinie des Daseins aufragend wie ein Eisberg: weil das Unglück sieben Mal tiefer darunter hinabreicht." Diesem beinahe verzweifelten Wunsch nach Güte und Schönheit verdankt der Essay seine Wucht und seine Präzision"
&c. Also, Leuten, die so was schreiben, "Präzision und Wucht" zu bescheinigen, das hat schon was. Aber Kreationist ist Müller wohl nicht, wenn er auch offenbar die gleichen Argumente verwendet. Ich will nicht wirklich wissen, wie er sich die Biogenese (wenn man nicht Evolution sagen darf) jenseits von natürlicher Zuchtwahl und von Teleologie vorstellt. Der Rezensent Thomas Steinfeld ist offenbar ein Geistesbruder. Weiter vorn schreibt er: "Aber noch immer, knapp hundertfünfzig Jahre nach Veröffentlichung der Evolutionstheorie, gibt es kein Experiment, das ihre Gültigkeit belegen, keine Formel, die sie beweisen könnte. Den Indizien zum Trotz: Der Darwinismus ist "Theorie" - im landläufigen, abwertenden Sinne des Wortes."
:schreck

Ein anderer Rezensent (Ralf Lilienthal in INFO3, Nov. 2000) bringt es auf einen anderen Punkt:
Zitat"Als dieses Buch zuerst gedacht wurde, muss ein unmerklicher Ruck durch die verknechtete Tierwelt, das eingekäfigte Bestiarium gegangen sein: Wirbelsäulen haben sich gestreckt, Köpfe wurden stolz in den Nacken geworfen, Brustgefieder erglänzte in nie gesehenem Farbenspiel, während alle Zellentüren der Festung »Evolutionstheorie« knirschend vom Rost eines langen Jahrhunderts aufsprangen. Was hier geschehen war und unaufhaltsam weiter geschehen muss, erinnert nicht nur von ferne an die Ereignisse im Sherwood Forrest. Hier wie dort beginnt das ungläubige Erwachen und der langsame Machtverlust eines herrischen und unlegitimen Statthalters, an einer tief im Wald versteckten Wegkreuzung, da der Aufrührer zum ersten Mal seine Kampfkunst beweisen muss."
Nobel-disease ohne Nobelpreis.

Was ich nicht herausgefunden habe, ist die Antwort auf meine Ausgangsfrage: wie passt das zusammen mit seiner Christentumskritik?

ZitatI never pretend to dive into the secrets of a man's heart

- Pierre Bayle.
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: Max P am 30. März 2023, 21:12:48
ZitatAber Schönheit ist mehr als eine hübsche Hülle, wovon der, der drinsteckt, keine Ahnung hätte; mehr als das Etui des Angepassten. Schönheit ist kein Kleid, nicht einmal Architektur, auch mehr als nur Ausdruck. Sie ist eine von beiden Seiten zarte Membran, die den Kern zugleich umgrenzt und durchscheinend macht, jenen Kern, der sich aus der Besonderheit und der Vollkommenheit des Selbst mengt und in dieser Mengung das Selbst ist und sich empfindet. Seine Haut, die Oberfläche seines Leibs, ist dem Tier die Wendemarke, an der anschlagend es in sich selbst zurückkehrt; aber im Augenblick des Anschlags geht die Welle über und läuft in geradliniger Verlängerung fort ins Unendliche.


(https://th-thumbnailer.cdn-si-edu.com/vs0sNawXKYPnfyKYGenGXiX_RHA=/fit-in/1600x0/https://tf-cmsv2-smithsonianmag-media.s3.amazonaws.com/filer/7f/56/7f56b237-f727-49e5-a520-0783cd488b50/6257901626_bf091c1ce9_o.jpg)
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: Peiresc am 30. März 2023, 21:21:21
Und? Es können eben nicht alle wie ein Nautilus sein!
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: Schwuppdiwupp am 30. März 2023, 21:35:34
@Peiresc: Ich bewundere aufrichtig deinen Hang zum Masochismus!
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: Peiresc am 30. März 2023, 22:02:50
Zitat von: Schwuppdiwupp am 30. März 2023, 21:35:34Hang zum Masochismus

Och, nich dafür. Das Ding hat 270 Seiten. Und es gibt Leute, die lesen Heidegger oder Hegel, um denen was am Zeug zu flicken, um von den kilometerlangen Wänden der theologischen Literatur nicht zu reden. Der Ozean des Wahnsinns hat keine Grenzen, da ist das hier wirklich nur ein Tümpel.
 8)
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: Max P am 30. März 2023, 22:30:51
Zitat von: Peiresc am 30. März 2023, 21:21:21Und? Es können eben nicht alle wie ein Nautilus sein!
Eine zarte Membran haben sie aber.
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: Typee am 31. März 2023, 00:15:48
Zitat von: Peiresc am 30. März 2023, 20:25:34&c. Also, Leuten, die so was schreiben, "Präzision und Wucht" zu bescheinigen, das hat schon was.

Stimmt doch. Nach anscheinend maximal 30 Seiten hat er sein Thema frontal gegen die Wand gefahren. Wenn das nicht präzise und wuchtig ist.
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: RPGNo1 am 31. März 2023, 06:30:00
Das Buch erschien im Jahr 2000. Das war doch die Zeit, als Intelligent Design seinen Höhepunkt erreichte und aus den USA nach Deutschland herüberschwappte. Es erschienen auch eine Reihe pro-ID-Bücher. Vielleicht ist Herr Müller auch auf den Zug Evolutionskritik aufgesprungen und hat versucht, Geld mit einem weiteren Buch herauszuschlagen. Die 5-Sterne-Rezensionen auf Amazon lassen jedenfalls vermuten, dass sich IDler angesprochen fühlten.
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: zimtspinne am 31. März 2023, 14:50:35
Zitat von: Peiresc am 30. März 2023, 20:25:34
ZitatAber Schönheit ist mehr als eine hübsche Hülle, wovon der, der drinsteckt, keine Ahnung hätte; mehr als das Etui des Angepassten. Schönheit ist kein Kleid, nicht einmal Architektur, auch mehr als nur Ausdruck. Sie ist eine von beiden Seiten zarte Membran, die den Kern zugleich umgrenzt und durchscheinend macht, jenen Kern, der sich aus der Besonderheit und der Vollkommenheit des Selbst mengt und in dieser Mengung das Selbst ist und sich empfindet. Seine Haut, die Oberfläche seines Leibs, ist dem Tier die Wendemarke, an der anschlagend es in sich selbst zurückkehrt; aber im Augenblick des Anschlags geht die Welle über und läuft in geradliniger Verlängerung fort ins Unendliche. (S. 35f)

Zitat"Als dieses Buch zuerst gedacht wurde, muss ein unmerklicher Ruck durch die verknechtete Tierwelt, das eingekäfigte Bestiarium gegangen sein: Wirbelsäulen haben sich gestreckt, Köpfe wurden stolz in den Nacken geworfen, Brustgefieder erglänzte in nie gesehenem Farbenspiel, während alle Zellentüren der Festung »Evolutionstheorie« knirschend vom Rost eines langen Jahrhunderts aufsprangen. Was hier geschehen war und unaufhaltsam weiter geschehen muss, erinnert nicht nur von ferne an die Ereignisse im Sherwood Forrest. Hier wie dort beginnt das ungläubige Erwachen und der langsame Machtverlust eines herrischen und unlegitimen Statthalters, an einer tief im Wald versteckten Wegkreuzung, da der Aufrührer zum ersten Mal seine Kampfkunst beweisen muss."

Intelligent design hin oder her, ich finde diese Strecken an Wörtern einfach schon schön zu lesen.
Man darf halt nicht nach Logik oder einem tieferen Sinn suchen. Macht man bei Schönheit aber ja allgemein nicht, oder!?

Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: zimtspinne am 31. März 2023, 15:00:15
Zitat von: Peiresc am 30. März 2023, 20:25:34Beschleunigung = Wildheit + Bewusstsein + Schönheit

Und deshalb kann die Evolutionstheorie nicht wahr sein.

Das alles kann man auch irgendwie zusammenbringen, also intelligent design, Evolutionstheorie, Beschleunigung, Wildheit, Bewusstsein + Schönheit.

Dazu fällt mir eine ungezogene Savannah (F1) ein:
(ich hätte beim Designen noch die nackten Füße berücksichtigt und das Hundeviech, aber ansonsten gut gelungen)

https://www.youtube.com/watch?v=A753wFZmERo


@ Peiresc

du hast einen erlesenen Buch- oder Autorengeschmack, alles in allem, was ich bisher davon mitbekommen habe.
Ist das handverlesen oder kommst du zu solcher Lektüre eher zufällig?





Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: Peiresc am 31. März 2023, 15:14:23
Zitat von: zimtspinne am 31. März 2023, 15:00:15kommst du zu solcher Lektüre eher zufällig?

Ich suche sie nicht, sie sucht mich.  8)
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: HAL9000 am 31. März 2023, 15:41:37
Zitat von: zimtspinne am 31. März 2023, 14:50:35... ich finde diese Strecken an Wörtern einfach schon schön zu lesen....
Naja, frei assoziiertes Geblubbere, "schön" um der Schönheit Willen, Inhalt egal.
Wem's gefällt. Mich macht so etwas nur ärgerlich.
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: Typee am 31. März 2023, 20:28:57
Irgendwie kamen mir Denke und Schreibe vertraut vor, jetzt fällt mir wieder ein woher: das ist Rudi-Steiner-Sprech. Denk dir etwas Schaum vorm Mund dazu, und da hast du ihn, oder genauer: seinen Wiedergänger.
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: Peiresc am 31. März 2023, 21:21:36
Zitat von: zimtspinne am 31. März 2023, 14:50:35ich finde diese Strecken an Wörtern einfach schon schön zu lesen
Zur Sicherheit sollte ich noch erwähnen, weil ich es nicht verlinkt hatte: die zweite Rezension ist eine Parodie.  :grins2:
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: HAL9000 am 31. März 2023, 22:00:21
Zitat von: Peiresc am 31. März 2023, 21:21:36... die zweite Rezension ist eine Parodie.  :grins2:
Ah, danke! Das beruhigt mich wieder etwas.
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: eLender am 31. März 2023, 22:18:06
Zitat von: Peiresc am 31. März 2023, 21:21:36Zur Sicherheit sollte ich noch erwähnen, weil ich es nicht verlinkt hatte: die zweite Rezension ist eine Parodie.
;D

Könnte glatt von Dr. Ici Wenn (https://esoreikundanthroposophie.wordpress.com/2009/08/18/interview-mit-dem-anthroposophen-dr-ici-wenn/) stammen...
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: Peiresc am 14. April 2023, 20:32:40
Ein Neuzugang. Auch nicht taufrisch, aber es geht auch um ein zeitloses Thema.

H. C. Erik Midelfort: Exorcism and Enlightenment. Johann Joseph Gassner and the Demons of Eighteenth-Century Germany (2005)

Johann Joseph Gassner (1727-1779) war ein Exorzist, zu einer Zeit, als das schon nicht mehr ganz zeitgemäß gewesen ist. "Der Schweizer Pfarrer Gaßner heilte sich selbst und unzählige andere Hysteriker durch den Teufelsbann." (Mauthner). Ich kommentiere einige wahllose Auszüge aus dem Buch von Midelfort. Vorsicht, es wird wieder endlos.
ZitatBy the summer of 1775 it appeared to some of Gassner's proponents that what he was really doing was teaching tormented people to intensify and then to dismiss their pains themselves, with the help of Jesus.³⁰ But if this is what he now seemed to be doing, it was becoming clear that some cases were beyond his instruction. The numbers of those dismissed with no help now ballooned to numbers that exceeded those cured. As we can see from table 3.4, those dismissed in this way rose from 42 percent of supplicants to almost 80 percent by August. I suspect that Gassner's healing methods were actually shifting under the scrutiny of skeptics and medical observers, and that he was increasingly using exorcism as a way to teach people how to manage their pain and control their symptoms. [S. 77]
Das ist in keiner Weise ungewöhnlich, sondern Schicksal aller Wunderkuren: je sorgfältiger die Prüfung, um so mehr verschwinden die Effekte.
 
ZitatIt has long been common to denigrate those religious phenomena one disapproves as sick, ''enthusiastic,'' fanatic, hysterical, or pathological, as Ann Taves points out in her excellent book, Fits, Trances, and Visions: Experiencing Religion and Explaining Experience from Wesley to James.¹⁰ The naturalizing language of psychiatry carries with it a flattening effect that eviscerates or devours the neighboring notions of religion and religious experience. [S. 65]
"Religiöse Erfahrung" sollte doch bittschön religiöse Erfahrung bleiben und nicht wegerklärt oder pathologisiert werden, das kränkt diejenigen, die sie haben. Aber wie sollte man solche Zustände willentlich exazerbierter Kritikunfähigkeit besser umschreiben? Ich habe nachgesehen: in Taves' Buch kommt eine William-James-Kritik wie die von Walter Kaufmann nicht vor, von anderen irreligiösen Schreiberlingen wie Bertrand Russell, Zangwill, Philipse und Konsorten noch ganz abgesehen.

Dann habe ich nach dem Term "Placebo" gesucht. Was ich gefunden habe ist:
ZitatLet us also note, however, that Gassner was obviously also blessing cattle and claiming satisfactory results here too. If there's a placebo response, does it work on cattle? [S. 62]
Die Antwort ist ein schlichtes "Ja". Das ist lange bekannt (Koch T: Placebowirkung bei Tieren, Intern. Prax. 24(1984)587-589), und es ist inzwischen auch in der Laienpresse notorisch, z. B. hier (https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/homoeopathie-wieso-es-einen-placeboeffekt-bei-tieren-gibt-a-974333.html).
 
ZitatHarris insists, I think rightly, that we should not blindly reduce miracles to autosuggestion, placebos, or unprecedentedly successful psychotherapy,
Als Kommentar genügt die bloße Übersetzung. Harris besteht darauf, dass man Wunder nicht "blind" auf natürliche Ursachen zurückführen sollte, und Midelfort glaubt, dass sie damit recht hat.
 
Zitatas if we can explain satisfactorily everything we find in our records.³⁵
Wenn das stimmt, dann stimmt das auch für die biblischen Wunder, an denen sich die Rationalisten des frühen 19. Jhd. die Zähne ausgebissen hatten. Aber bevor man nach befriedigenden Erklärungen der berichteten Ereignisse sucht, wie steht es mit der Glaubwürdigkeit der Berichte? Sie kann nicht einfach vorausgesetzt werden, das weiß man seit Hume.
 
ZitatShe interprets the miracles of Lourdes and elsewhere as examples of self-transformation, in which afflicted persons learn to take a different attitude toward life and toward their place in it. She also openly admits that some of the cures achieved at Lourdes truly have no physical or psychological explanation.³⁶
In Lourdes sind Wunder geschehen, wie auch anderswo. Es ist ein durchgehendes Muster bei Wunderapologien: keine einzige Instanz wird explizit diskutiert, aber in der Summe heißt es stets, dass einige unerklärlich seien. Welche auch immer man sich dann genauer ansieht - dieses Beispiel speziell ist nicht gemeint.

Die Quellen sind:
Zitat35. Harris, Lourdes, pp. 325, 344–45, 356.
36. Harris, Lourdes, pp. 304–19, 344–45. This is especially evident in her treatment of the famous case of Pierre de Rudder. [...]
Über de Rudder hat WP:
Zitat von: WP"Am 7. April 1875, achteinhalb Monate nach der Streichung der Pension, die sieben Jahre gezahlt worden war, ging De Rudder in die Kirche Notre-Dame von Lourdes zur Anbetung, und erklärte sich nach dem Verlassen des Heiligtums für geheilt. Er zeigt eine Narbe vor, die, wenn man einer späten (und, in Absicht, für die übernatürliche These günstigen) Zeugenaussage glaubt, gleich nach der Heilung einen alten Anschein hatte.[10] Die behandelnden Ärzte weigerten sich, der Geistlichkeit der Pfarrgemeinde eine Bescheinigung auszufertigen[11]. Diese begnügte sich 1875 mit zwei Nachbarn und Freunden (Vater und Sohn) von De Rudder als Augenzeugen.[12] Diese zwei Zeugen unterschrieben eine identische, vom Vikar von Jabbeke ausgearbeitete Bescheinigung, nach der sie, am Vorabend der Wallfahrt, die in der Wunde hervortretenden Knochenenden gesehen hatten. [...] Nachdem es 1875 nur zwei Augenzeugen gegeben hatte, gab es im Laufe der Zeit immer mehr[19]"
Eine übliche Entwicklung. WP erwähnt zahlreiche weitere Unstimmigkeiten. Es ist völlig widersprüchlich geblieben, wann (vorher oder nachher) und wie oft de Rudder nun wirklich ärztlich untersucht worden ist. Was die Verlässlichkeit der Ärzte angeht, warum sollte sie größer sein als die von Notaren, vgl. die Echtheitsbestätigung des Sudariums. Harris übergeht sämtliche Zweifel; sie werden von ihr nicht einmal andeutungsweise diskutiert. So hat also genau dieses Wunder eine völlig banale, jedenfalls natürliche, psychologische Erklärung und verstößt nicht im Mindesten gegen irgendwelche Naturgesetze. Zurück zu Midelfort:
 
ZitatI am tempted to say [S. 84] something similar about Gassner. Clearly he achieved results that could not be easily explained either then or now, and he was doing so, in part, by transforming the frame within which people understood their own sufferings, making them somehow more intelligible and tolerable.
Noch einmal: Welches seiner Resultate genau?
 
ZitatIn claiming that we should retain the categories within which people thought and experienced their religion, I do not wish to disclaim all interest in explaining (in our own terms) what we find in the past. But the number of cures Gassner achieved and the speed with which he achieved them (in minutes or hours at the most) hardly fit with what we understand about placebos today.³⁷

In dem gesamten Kapitel "Healing" (S. 56-86) habe ich nicht eine einzige Fallgeschichte mit suffizient geschilderten Details gefunden, die solche Ansprüche rechtfertigt. Man fühlt sich erinnert an die Kassenzulassung der Akupunktur, "weil die Placebo-Akupunktur ja so wirksam gewesen ist". Welche heutigen "Kuren" dauern denn nur Minuten bis zur Symptomfreiheit? Da fällt mir nur das Sekundenphänomen in der Neuraltherapie nach Huneke ein, abgesehen von Lokalanästhesie (die man nicht als Heilung bezeichnen kann). Aber es scheint doch, dass Gassner diese unerklärliche rapide Heilkraft nicht in allen Fällen mobilisieren konnte, denn es wird von Prozeduren berichtet (wenn auch nicht bei Midelfort), die sich über Stunden bis Tage hinziehen; von "Minuten" bis zur völligen Heilung dokumentiert er - nichts. Midelfort macht sich nicht die Mühe, eine Placebo-Definition zu liefern (Quelle 37 ist ein Sammeleintrag). Placebo ist eine Therapie ohne spezifischen Wirkfaktor, und nicht "ohne Wirkung", d. h. letzlich wird immer ein Therapievergleich vorgestellt - eben den mit einem Spezifikum. Ich kenne keine Definition, in der ein Zeitfaktor eine Rolle spielt. Wenn es sich hier nicht um Placebo handelt: was könnte denn der spezifische Wirkfaktor bei der Teufelsaustreibung sein?

ZitatMoreover, the concept of the placebo has the strange effect of colonizing territory for medicine even as it admits an efficacy beyond our current abilities to explain. When we say that a particular medicine works by way of the placebo response, we mean that it seems to have an effect that we cannot otherwise explain, but we do not mean that it works instantaneously or miraculously.
Wenn man keine Erklärung hat, soll man auch keine suchen, sondern die Erscheinung andachtsvoll hinnehmen. Dabei hat der Placebo-Effekt mit Erklärung oder Nicht-Erklärung kaum etwas zu tun, denn man kann ihn eigentlich ganz gut erklären. Aus unkontrollierten Beobachtungen kann man keine zwingende Notwendigkeit ableiten, nach einem spezifischen Wirkfaktor zu suchen. Anekdoten sind keine Evidenz, auch nicht wenn sie in Rudeln auftreten. Die Bemühung, eine Beobachtung zu vergleichen, zu systematisieren, gegen mögliche Fehldeutungen abzusichern, nennt man ... Wissenschaft (hier als "Kolonisierung" denunziert).
 
ZitatSo when we are tempted to explain religious phenomena by invoking ''suggestion'' or the placebo response, please notice that we may be merely replacing one mystery with another. Recent studies of the placebo response have suggested just how inscrutable it seems and how far we are from understanding it.⁴³

43. Anne Harrington, ed., The Placebo Effect: An Interdisciplinary Exploration (Cambridge: Harvard University Press, 1997).
Welchen Grund sollte es geben, Placebo als "Mysterium" zu bezeichnen? Man kann alles verrätseln, man muss es nur wollen. In diesem speziellen Fall, um die Religion zu retten:
 
ZitatWe do not advance very far if we declare wondrous cures to be nothing more than the effect of a principle we do not understand. One point of connection does seem promising, however. It's been suggested that when placebos seem to work, they do so by mobilizing habits, expectations, and symbolic representations.⁴⁴ Surely Gassner was doing that by trying to deepen the trust of his patients in the healing power of Jesus, and by placing their sufferings in a broader, more meaningful religious framework.
In dem von Midelfort soeben hochgelobten Taves-Buch steht auf S. 125, dass Mesmer auf genau die gleiche Weise Symptome hervorrief und heilte wie Gassner - nur unter Anrufung des animalischen Magnetismus, den er zweifellos für irgendwie materiell hielt, statt des Namens Jesu Christi. Welches "meaningful religious framework" war bei ihm am Werk?

Ja, und waren Gassners Kuren nun Placebo oder nicht? Der Leser darf weiter raten, ehrfurchtsvoll vor dem Unerklärlichen erstarrend. "The healing power of Jesus", das Pendant der beliebten "Power of Placebo", ist jedenfalls kein operationalisierbarer oder sonstwie eingrenzbarer Begriff, und z. B. die therapeutische Wirkung des Betens war Gegenstand unverdrossener medizinischer Forschung bis in die Gegenwart, seit 1872 (Galton). Es hilft nicht. Bei alldem sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass es hier um Teufelsaustreibungen geht, die schon im 18. Jahrhundert obsolet gewesen sind.

Überhaupt, Mesmer. Was hält Midelfort selber von ihm?
ZitatThis conclusion provided a means by which intellectuals could comfortably naturalize visions, religious conversions, the sublime, and miracles of all sorts. No wonder so many thought they could explain both Gassner's and Mesmer's successes through the startling powers of the Einbildungskraft. [S. 105]
In dieser Formulierung deutet sich an, dass das eine zeitbedingte Fehldeutung war, in Wirklichkeit ist es gaanz was anderes. Oder vielleicht doch nicht:
ZitatFor them [Eschenmayer und Kerner] Gassner represented one of the first who had unmasked the Enlightenment.¹² This was no longer a debate between Mesmer and Gassner, but an attempt to spiritualize and unify their divergent energies.
Gassner hat die Aufklärung entlarvt; wer außer den Mystikern wäre darauf gekommen. Was Midelfort nun selber zu den Parallelen zwischen Gassner und Mesmer meint, habe ich nicht herausgefunden. Wissenschaftlich gesehen war Mesmer aber für ihn der Unterlegene.
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: zimtspinne am 15. April 2023, 12:37:57
@ Peiresc

Denkst du ernsthaft, dass smartphone-Intensivuser mit Unmengen imaginärer Freunde in "sozialen" Medien (deren Gehirn sich damit ja zu rasanter Größenzunahme aufgeschwungen hat) deinen Ausführungen hier jetzt folgen können? Ich habe so meine Zweifel.

Mal etwas Kritik zu mM übermäßig gehypten (und oft überschätzten) Placeboeffekten:

In dem Spiegelartikel für das Laienpublikum ist einiges zu lesen, das nur von jemandem kommen kann, der selbst weder je mit kranken Tieren zu tun hatte, noch jemals heikle Pflanzen gezüchtet hat.

Das stimmt alles hinten und vorne nicht - ich meine, wie er die Placeboantwort-Umgebung beschreibt.

Zwei Dänen hatten sich vor einigen Jahren mal den Placeboeffekt vorgeknöpft und eine Anzahl vorliegender Studien analysiert.

Es ging dabei nicht darum, Placeboantworten die Existenz abzusprechen, sondern eher sie ein wenig zu entzaubern und korrekter einzuordnen.

Man sollte als Patient sich keineswegs auf Placeboeffekte verlassen und sie fest einplanen.
Sie kommen und gehen, zeigen sich krankheitsspezifisch vollkommen unterschiedlich und auch noch von Patient zu Patient, von Situation zu Situation. Oder sie fallen völlig aus, wie bei mir (oft).

Durch den ganzen Homöopathiequatsch hat der Placeboeffekte sich einen Ruf ergaunert, dem er im Alltag gar nicht gerecht werden und den er auch nicht verdient.
Würde mich nicht wundern, wenn die Leute mit den Gottesgenen auch besonders empfänglich für Placebo sind ;)


Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: zimtspinne am 15. April 2023, 12:42:39
Hab eben die Dänen wiedergefunden:

https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/nejm200105243442106

Hier wird genau erklärt, wie Placebo auf Basis klassischer Konditionierung funktionieren kann.

https://www.dasgehirn.info/handeln/verlernen/bitte-nicht-vergessen-placebo-effekt

Ja, wäre toll, wenn man künftig alle möglichen Medikamente einsparen könnte und stattdessen die Patienten einfach auf die jeweiligen Wirkmechanismen konditioniert, wie hier bei der Immunkonditionierung.

Dafür sehe ich schwarz.
Mal angenommen, das würde bei Transplantierten gelingen, immunologische Funktionen zu konditionieren und man hätte damit eine erlernte Placeboantwort.

Die ja offenbar sehr wankelmütig ist und keiner weiß genau, warum und weshalb.
Permanente Kontrolle und Überwachung würde die Patienten wohl mehr stressen als die echten Medikamente (auch wenn die hart sind mit ihren Nebenwirkungen und Langzeitfolgen).

Außerdem kann ich mir vorstellen, ist das eine sehr individuelle Angelegenheit und wird dann richtig kompliziert und teuer auf Dauer.
[das wird natürlich in dem Spiegelartikel nicht erklärt, sondern so getan, als habe das wunderbar funktioniert]

das ist jetzt eigentlich gar nicht mehr im Thema, sorry.


Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: Peiresc am 15. April 2023, 15:05:03
Zitat von: zimtspinne am 15. April 2023, 12:37:57Denkst du ernsthaft, dass smartphone-Intensivuser [...] deinen Ausführungen hier jetzt folgen können? Ich habe so meine Zweifel.
Wenn's Dir zu lang ist (Du warst gewarnt) und über deinem Horizont, dann lies es einfach nicht. Ich mach das auch so.
 ;D

Zitat von: zimtspinne am 15. April 2023, 12:37:57Mal etwas Kritik zu mM übermäßig gehypten (und oft überschätzten) Placeboeffekten:
Die Meta-Analyse von Hróbjartsson und Gøtzsche 2008 war verdienstvoll, und sie hat zu einem, wie sagt man, Paradigmenwechsel geführt. Aber das war gar nicht mein Thema, sondern es ging mir um die Apologie des Obskurantismus und um die Mystifizierung des Placebo-Effekts im Dienst der Religion (unter der Maskierung als historische Wissenschaft).

Gøtzsche ist übrigens der hier:
https://forum.psiram.com/index.php?topic=17872.0

Über Placebo hatten wir hier schon dutzende Fäden, z. B.
https://forum.psiram.com/index.php?topic=15715.0
https://forum.psiram.com/index.php?topic=13516.0
https://forum.psiram.com/index.php?topic=12728.0
https://forum.psiram.com/index.php?topic=10053.0
u. v. a. m.
Wir hatten auch mal einen Blogpost, der mehr auf den ,,smartphone-Intensivuser" zugeschnitten war:
https://blog.psiram.com/2013/02/die-wunderkraft-des-placebo/
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: zimtspinne am 16. April 2023, 16:55:56
Zitat von: Peiresc am 15. April 2023, 15:05:03
Zitat von: zimtspinne am 15. April 2023, 12:37:57Denkst du ernsthaft, dass smartphone-Intensivuser [...] deinen Ausführungen hier jetzt folgen können? Ich habe so meine Zweifel.
Wenn's Dir zu lang ist (Du warst gewarnt) und über deinem Horizont, dann lies es einfach nicht. Ich mach das auch so.
 ;D

war gar nicht als Kritik gemeint, bin ja kein smartphone-Intensivtäter.
Ich finde nur die Textauszüge und auch deine Reaktionen/Rezensionen schwierig zu lesen und verstehen.

danke für die links zu Placebo, ich war mir zuvor gar nicht mal sicher, welche Position hier vertreten wird und ob das überhaupt schon mal Thema war.
Hätte auch gar nichts dazu geschrieben, da mir schon klar war, dass es hier um ganz was anderes ging, aber der Spiegel mit dem Tierplaceboeffekt-Experten war dann einfach zu viel.

Gerade dort wird mit falschen Vorstellungen und einfach auch Falschwissen(weitergabe!!) richtig Schaden angerichtet und Leid verursacht.
Während Erwachsene selber entscheiden, welchen Humbug sie in Anspruch nehmen, können sich Kinder und Tiere dagegen kaum wehren und bei Tieren kommt noch hinzu, dass die auch nicht mal eben laut brüllen vor Schmerzen (wie Kinder das tun können) und sich auch sonst kaum mitteilen können.

Nur mal als Beispiel das hier:

https://hundeprofil.de/placebo-effekt-bei-hunden/

ZitatFast 40% der Halter*innen und sogar fast 45% der Tierärzt*innen stellten nach der Placebo-Behandlung eine Verbesserung der Symptome fest. Die objektiven Messungen auf der Trittplatte ergaben jedoch ganz andere Werte: es konnten keine Veränderungen der Fehlbelastungen festgestellt werden – bei einigen Hunden gab es sogar eine Verschlechterung (Conzemius et al. 2012).
ZitatWie die vorangegangene Studie zeigt, kann der Placebo-Effekt sehr weitreichend sein. So berichten Bezugspersonen von einer Verbesserung in 14 von 15 Messbereichen der Feuerwerkangst ihres Hundes, obwohl dieser ,,nur" ein Placebo verabreicht bekam – dabei gab es keinen Unterschied zu der Testgruppe, die ein homöopathisches Mittel einnahmen (Cracknell & Mills 2008).

da fehlen einem doch die Worte  ::)

ich kenne eben genau solche Geschichten auch aus dem echten Leben und nicht nur eine.
Da ist eine Frau, die täglich morgens entscheidet, ob ihr Kater die für seine fortgeschrittene Arthrose verordnete Schmerztherapie erhält oder ein homöopathisches Mittel.

Das macht sie daran fest, wie er auf sie wirkt. Sprintet er den Kratzbaum hoch, hat er einen super Tag und braucht kein Schmerzmittel.
Angeblich kann sie das erkennen am Gangbild usw, ob er Schmerzen hat und gibt ihm dann je nach subjektivem Eindruck Zuckerkugeln oder Schmerzmittel. Die er dauerhaft bekommen soll, da er eben wie gesagt aufgrund der fortgeschrittenen Erkrankung auch Schmerzen hat, was natürlich auch abgesichert ist, sie hat da keine Kosten gescheut und geht zu einem TA, der sich gut damit auskennt.

auch sonst werden bei vielen einfach mal Medikamente weggelassen, wenn die Tagesform gut scheint oder irgendwelche obskuren Mittel von Tierheilpraktikern gegeben und anschließend kommt die Scheinverbesserung (Wahrnehmungsverzerrung) zum Einsatz.

Wie man dort Placebo-Faktoren überhaupt beurteilen möchte, frage ich mal lieber erst gar nicht.

Kann gerne verschoben werden, ich wusste aber nicht, in welches Placebo-Thema das passt. In keins so wirklich.
Titel: Re: Bücher, die man nicht gelesen haben muss
Beitrag von: Peiresc am 16. April 2023, 18:34:25
Zitat von: zimtspinne am 16. April 2023, 16:55:56Ich finde nur die Textauszüge und auch deine Reaktionen/Rezensionen schwierig zu lesen und verstehen.

Naja, es sind schon auch Spezialthemen. Ich glaube nicht, dass man sich was vorwerfen sollte, wenn man sich darum nicht kümmert. Für die Klarheit der Textauszüge bin ich natürlich nicht zuständig, höchstens dafür, sie noch andern zuzumuten.
 :grins2: