Hallo,
letztens war ich seit langer Zeit mal wieder beim Zahnarzt (Uni-Klinik).
Neben anderen wichtigeren Dingen empfahl man mir ganz unverbindlich und optional eine "Kariesinfiltration" - kommerziell "icon" genannt.
Nach ein bisschen Recherche fand ich heraus, dass es dazu nicht viel zu lesen gibt. Gefühl das einzige Paper, das dazu veröffentlicht war und etwas zur Evidenz sagte, waren die Doktoren der Herstellerfirma selbst. Es hätte auf jeden Fall eine Menge Geld gekostet, pro Zahn natürlich.
Später wollte man mir dann zur Tomographie Digitale Volumentomographie (DVT) (0) statt der kassenbezahlten Computer-Tomographie verkaufen. Davor sagte man mir, dass beim Herausziehen eines Zahnes eine permanente Lähmung o. ä. entstehen kann. Die DVT funktioniere wohl anders und besser und hat Vorteile wie u. a. eine geringere Strahlenbelastung. Vor Ort sollte ich mich quasi erst mal vor ein paar Azubis entscheiden, ob ich ein armer Schlucker oder Geizhals bin, dessen Gesundheit ihm nicht wichtig oder einer der natürlich das beste, was man ihm bietet. Schließlich bekam ich dann doch die Gelegenheit, bis zum nächsten Termin zu entscheiden.
Ich frage mir da: Bin ich jetzt plötzlich Radiologe, um beurteilen zu können, wie hoch der Schaden für mich als Patient ist? Wieso muss ich nach einem Zahnarzt-Termin im Internet recherchieren, ob der Zahnarzt einfach Knete von mir haben wollte, und das "neuere", "bessere" Verfahren überhaupt keinen nennenswerten Nutzen für mich bringt?
Eine Bekannte wollte sich vor kurzem die Zähne ziehen lassen. Vom einen Zahnarzt wurde sie, erst einmal zum nächsten Zahnarzt gesandt. Der wollte erst einmal nicht die Zähne ziehen und sie "beraten". Nach Hause kam sie mit einem Kostenvoranschlag für ein nicht-kassenbezahltes Produkt. Das Produkt nennt sich "collacone", und Google gibt nur ca. 8 Tausend Treffer. Das Produkt kostet 180€. Mit diesem Produkt sollten weniger Schmerzen nach der Zahn-OP aufkommen und sich die Heilung verkürzen.
Sicherlich kann man vom mündigen Patient ausgehen, der selbstbewusst zusagt und ablehnt, aber aus meiner Sicht ist das ein paar Vorstufen von: den Patienten Angst machen und ihnen dann etwas verkaufen, was sie eigentlich nicht brauchen. Ist das bei jedem Zahnarzt so? Oder bei der Mehrheit? Falls ja, würde ich mich als Berufsstand schon ziemlich schämen. Ich erwarte von (Zahn-)ärzten, dass sie einem genau das empfehlen, was Freunde einem Nahe legen würden. Und das wäre sicherlich kein überteuerter Müll, dessen Nutzen marginal ist.
(0) https://de.wikipedia.org/wiki/Digitale_Volumentomographie
Liebe Grüße,
lerau
Bei der DVT sehe ich das Problem eher darin, dass die (gesetzliche) Kasse sie nicht bezahlt, wohl aber völlig sinnlose Behandlungsmethoden (TK, Homöopathie). Als Antwort bekam ich von dieser Kasse die Auskunft, dass die Kunden das so wollen...
Hi lerau,
Ich finde, Dein Post ist schon so ziemlich einen Blog-Beitrag wert. IMHO.
Zitatdass beim Herausziehen eines Zahnes eine permanente Lähmung o. ä. entstehen kann.
Die Menschheit ist also vor der Ankunft der DVT sämtlich mit Lähmungen herumgelaufen, und die Kassenpatienten tun das immer noch. Die Beurteilung der Kassenfähigkeit von Methoden obliegt dem GB-A, und der richtet sich (im Allgemeinen jedenfalls) nach der Evidenz, wenn man auch an dieser oder jener Entscheidung mit Recht herumpolken kann. Welche brachialen Methoden setzen denn die Zahnärzte ein, dass sie einen motorischen Trigeminusast lädieren können? Und sollten da nicht mal ein paar Zahlen über Risiken usw. herumlungern, die sie dem hilflosen Patienten mitteilen sollten?
Stimmt. Können wir das verwenden?
Zitat von: Peiresc am 17. Januar 2018, 09:39:45
Welche brachialen Methoden setzen denn die Zahnärzte ein, dass sie einen motorischen Trigeminusast lädieren können?
Ich meine mich an einen Fall zu entsinnen, bei dem eine Spritze den Trigenimus getroffen haben könnte. In der Sache ging es um eine halbseitige Gesichtslähmung, aber ich bekomme nicht mehr zusammen, wie das ausging.
Zitat von: Sauropode am 17. Januar 2018, 09:44:38
Stimmt. Können wir das verwenden?
Von mir aus, liebend gerne!
lerau
https://blog.psiram.com/?p=21120&preview=1&_ppp=74a3417b15
Dies ist die Vorschau; der Beitrag ist noch nicht veröffentlicht.
The paper is open for discussion.
Der Titel dürfte ruhig noch etwas prägnanter sein, meine ich. Vorschlag:
Medicus oeconomicus: Zur Pandemie der provisionsabhängigen Zahnbehandlung
Zitat von: LaDeesse am 17. Januar 2018, 22:04:40
Der Titel dürfte ruhig noch etwas prägnanter sein, meine ich. Vorschlag:
Medicus oeconomicus: Zur Pandemie der provisionsabhängigen Zahnbehandlung
Das klingt schon mal deutlich ausgereifter, auf jeden Fall. Aber man sollte noch bedenken, dass googlefähige Begriffe zu bevorzugen sind; gefühlt wäre Zahnarzt besser als Zahnbehandlung. Andererseits kommt das dann nicht so verwegen originell. Hmm. :gruebel
Wissensfrage: Warum ist "Zahnbehandlung" nicht googlefähig?
Um Google würde ich mir da mal keine Sorgen machen. Eine schöne Überschrift sollte man dafür nicht opfern. (Und die ist wirklich schön, danke dafür LaDeesse)
Zitat von: LaDeesse am 17. Januar 2018, 22:30:36
Wissensfrage: Warum ist "Zahnbehandlung" nicht googlefähig?
Willst Du sagen, mit meinen Gefühlen stimmt was nicht? :schlaeger
:grins2:
Das musste ich zweimal lesen - und mir diesen Satz in Erinnerung rufen: "gefühlt wäre Zahnarzt besser als Zahnbehandlung"
Im Hinblick auf Google fühle ich wohl ein wenig anders. Ob sich das aber auf das Ranking auswirkt ...
Zitat von: LaDeesse am 17. Januar 2018, 22:04:40
Der Titel dürfte ruhig noch etwas prägnanter sein, meine ich. Vorschlag:
Medicus oeconomicus: Zur Pandemie der provisionsabhängigen Zahnbehandlung
Provision ist bei Ärzten meines Wissens ein unüblicher Begriff und schließt außerdem die abrechenbaren Dienstleistungen nicht ein. Vielleicht wäre einer dieser Vorschläge besser:
Medicus oeconomicus: ...
Zur Pandemie der honorarmaximierenden Zahnbehandlung
Zur Pandemie der honorargeführten Zahnbehandlung
Zur Pandemie der honorarabhängigen Zahnbehandlung
Das da bitte ... nein links davon ... nein, das davor ...
Zitat von: LaDeesse am 18. Januar 2018, 07:14:23
Medicus oeconomicus: ...
Zur Pandemie der honorarmaximierenden Zahnbehandlung
Danke. Wickelnses ein. :grins2:
Zitat von: Peiresc am 18. Januar 2018, 12:27:35
Das da bitte ... nein links davon ... nein, das davor ...
Zitat von: LaDeesse am 18. Januar 2018, 07:14:23
Medicus oeconomicus: ...
Zur Pandemie der honorarmaximierenden Zahnbehandlung
Ja, der. Genau.
Vorschlag für FB:
Mit dem Eid des Hippokrates verpflichtet sich der Arzt, "diätetische Maßnahmen ... gemäß meinem Urteil zum Nutzen der Kranken einsetzen, Schädigung und Unrecht aber ausschließen."
Immer mehr Zahnärzte hindert diese nicht, ihre Empfehlungen für Diagnose und Behandlung nicht allein am Nutzen für den Patienten auszurichten, sondern (mindestens) gleichermaßen an den erzielbaren Einnahmen.
Ob sich darin zeigt, dass deutsche Ärzte weder den Eid noch das Genfer Gelöbnis leisten müssen?
Zitat von: LaDeesse am 19. Januar 2018, 06:57:11
Vorschlag für FB:
Mit dem Eid des Hippokrates verpflichtet sich der Arzt, "diätetische Maßnahmen ... gemäß meinem Urteil zum Nutzen der Kranken einsetzen, Schädigung und Unrecht aber ausschließen."
Immer mehr Zahnärzte hindert diese nicht, ihre Empfehlungen für Diagnose und Behandlung nicht allein am Nutzen für den Patienten auszurichten, sondern (mindestens) gleichermaßen an den erzielbaren Einnahmen.
Ob sich darin zeigt, dass deutsche Ärzte weder den Eid noch das Genfer Gelöbnis leisten müssen?
Und gleich die Korrektur:
Mit dem Eid des Hippokrates verpflichtet sich der Arzt, "diätetische Maßnahmen ... gemäß seinem Urteil zum Nutzen der Kranken einzusetzen, Schädigung und Unrecht aber auszuschließen."
Immer mehr Zahnärzte hindert diese nicht, ihre Empfehlungen für Diagnose und Behandlung nicht allein am Nutzen für den Patienten auszurichten, sondern (mindestens) gleichermaßen an den erzielbaren Einnahmen.
Ob sich darin zeigt, dass deutsche Ärzte weder den Eid noch das Genfer Gelöbnis leisten müssen?
ZitatImmer mehr Zahnärzte
Auf diese Formel würde ich verzichten, wenn es nicht konkrete Belege dafür gibt, dass es
wirklich "immer mehr" werden.
"Eine Studie von WiFor Darmstadt in Kooperation mit dem Institut Deutscher Zahnärzte (IDZ) ergab nicht nur die Prognose, dass der sogenannte ,,Zweite Gesundheitsmarkt" in Zukunft eine tragende Rolle spielen wird, sondern kam auch zu dem Ergebnis, dass die höchsten Zuwachsraten in diesem Markt im Bereich der Zuzahlungen liegen."
https://www.zwp-online.info/zwpnews/wirtschaft-und-recht/praxismanagement/zusatzleistung-sinnvoll-beraten-statt-einfach-verkaufen
@ LaDeesse
In Deutschland ist es vernünftigerweise so, dass der Eid des Hippokrates von den Ärzten nicht mehr geleistet werden muß. Wenn man sich das Ding mal durchliest, wird auch schnell klar, warum das so ist.
Sicher. Darum der Hinweis auf das Genfer Gelöbnis als zeitgemäßerer Variante.
Vom Eid des Hippokrates könnte man sich am Schluss noch ein Stückchen weiter absetzen:
Mit dem Eid des Hippokrates verpflichtete sich der Arzt, "diätetische Maßnahmen ... gemäß seinem Urteil zum Nutzen der Kranken einzusetzen, Schädigung und Unrecht aber auszuschließen."
Nun wird aber immer häufiger berichtet, dass Zahnärzte ihre Empfehlungen nicht allein am Nutzen für den Patienten ausrichten, sondern auch an den erzielbaren Einnahmen. Ob sich darin zeigt, dass deutsche Ärzte weder einen Eid noch z.B. das Genfer Gelöbnis leisten müssen?
Ob sich nicht eher darin zeigt, dass das deutsche Zahnarztwesen zu wenig kontrolliert wird und Schwurbeleien Tür und Tor geöffnet werden? "Gelegenheit macht ... usw."
Mir wird übel, wenn ich die Suchergebnisse zu "Zahnarzt Heilpraktiker" lese. Z.B. sowas hier:
http://www.institut-abw.de/7-17/Zahnarzt-als-Heilpraktiker.htm
Ein Faß ohne Boden an legaler Abzocke.
Ein Gelöbnis muss sowieso nicht abgelegt werden. Es gilt die Berufsordnung, da steht drin, wie sich ein Zahnarzt zu verhalten hat.
Lerau, sofort das Weite suchen! Erschreckend, dass das in einer Uniklinik passiert. In welcher Stadt ist das denn?
Also ich war äh, kurzzeitig verhindert, aber wir könnten glaub ich bald mal zu Stuhle kommen. Für den FB-Text haben wir "noch keine konsentierte Fassung".
Zitat von: Maxi am 20. Januar 2018, 00:00:38
Ein Gelöbnis muss sowieso nicht abgelegt werden. Es gilt die Berufsordnung, da steht drin, wie sich ein Zahnarzt zu verhalten hat.
Zitat aus der Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer, Stand: 11. November 2017:
"Für jeden Zahnarzt gilt folgendes Gelöbnis: ..."
https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/recht/mbo.pdf
Vielleicht lässt sich etwas draus machen, dass darin nirgends zur Vermeidung nutzloser Kosten aufgefordert wird.
Neuer Vorschlag:
Mit dem Eid des Hippokrates verpflichtete sich der Arzt, "diätetische Maßnahmen ... gemäß seinem Urteil zum Nutzen der Kranken einzusetzen, Schädigung und Unrecht aber auszuschließen."
Nun wird aber immer häufiger berichtet, dass Zahnärzte ihre Empfehlungen nicht allein am Nutzen für den Patienten ausrichten, sondern auch an den erzielbaren Einnahmen. Die Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer, Stand: 11. November 2017, lässt ihnen dabei freie Hand. Zur Vermeidung nutzloser Kosten (z.B. durch teure Behandlungsmethoden ohne nachgewiesene Vorteile) wird darin an keiner Stelle aufgefordert.
Also ... ich könnte mit diesem Text gut leben. :grins2:
Wenn auch sonst niemand Einwände hat, könnte das doch raus, oder?
Zitat von: LaDeesse am 28. Januar 2018, 21:57:51
Wenn auch sonst niemand Einwände hat, könnte das doch raus, oder?
Morgen?
Wahrscheinlich ist es nur daran gescheitert, das jeder dachte, der andere machts ... 8) ok, ok, wäre eigentlich mein Ding gewesen ... :grins2:
So. Ab geht er, der Peter.
Mir fällt gerade auf, dass ein Bild schön wäre. Z.B. dieses?
https://vignette.wikia.nocookie.net/bondwiki/images/8/8d/Bei%C3%9Fer.jpg/revision/latest?cb=20151212134623
Ich habe es einfach mal eingebaut, nachträglich.