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Deutsch => Andere Webseiten oder Medien => Thema gestartet von: pelacani am 30. September 2015, 16:00:23

Titel: Umberto Eco in der ZEIT
Beitrag von: pelacani am 30. September 2015, 16:00:23
Umberto Eco hat ein Interview in der ZEIT vom 24.09.15, S. 45f. Anlass ist wohl sein jüngster Roman ,,Domani", in dem er sich mit mal wieder mit Verschwörungstheorien befasst.

ZitatEco: Sie können den Menschen noch so sehr auseinandersetzen, wie hirnrissig ihre Verschwörungstheorien sind, die meisten wollen trotzdem daran glauben. Aus dem gleichen Grund pilgern sie in Massen nach Medjugorje im ehemaligen Jugoslawien, weil einer Handvoll Hellsehern alle Nase lang die Madonna erscheint, bis es selbst dem Papst zu bunt wurde und er verlauten ließ, die Muttergottes sei nicht der Typ, der dauernd Postkarten schreibt.
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Eco: Ich wälze die Verantwortung ab. Aus dem gleichen Grund greifen die Menschen, die abends beruhigt einschlafen wollen, zu einem Krimi, weil er eine der großen metaphysischen Fragen befriedigt: Whodunit? — »Wer war's«? Das betrifft die Bibel ebenso wie den Krimi. In der Bibel ist das Problem hochkomplex, im Krimi ist die Lösung einfach. Die Verschwörung überträgt unsere Schwäche für Whodunit? auf den Alltag — wer hat die Twin Towers zum Einsturz gebracht? - und befriedigt das, was man in Italien den benaltrismo nennt: Glaubst du ernsthaft, so ist es gelaufen? Da steckt ben altro - etwas »ganz anderes« — dahinter! Um es mit Chesterton zu sagen: Wenn die Menschen aufhören, an Gott zu glauben, dann glauben sie nicht an nichts, sondern an alles Mögliche.

Das erinnert an den evolutionär wichtigen Mechanismus ,,Hypersensitive Agency Detection Device (HADD)", den wir kürzlich gestreift hatten.
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