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Deutsch => Allgemeine Diskussionen => Thema gestartet von: eLender am 12. Januar 2015, 20:23:18

Titel: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: eLender am 12. Januar 2015, 20:23:18
Habe vorhin zufälligerweise auf 3Sat einen Bericht über die Putenmast gesehen. Angeblich wäre das Fleisch nur deshalb so billig, weil durch massiven Antibiotikaeinsatz sehr hohe Bestandsdichten möglich wären. Zusätzlich sei das in den Märkten angebotenen Fleisch fast durchgängig mit multeresistenten Keimen "verseucht".

http://www.3sat.de/page/?source=/nano/umwelt/179900/index.html

Ein wenig alarmiert habe ich dann mal ein bisschen gegoogelt; es finden sich auf den ersten Seiten fast nur ähnlich klingende Horrormedlungen: etwa 90 aller Puten seien massiv mit Antibiotika belastet, teilweise würden auch Reserve-Antibiotika und verbotene Mittel eingesetzt. So z.B. die SZ:

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/antibiotika-in-der-tierhaltung-die-qual-der-puten-1.2237228

Nach etwas längerem Suchen habe ich dann diese Seite gefunden, die einen Bericht eines NRW-Ministeriums, auf dem die Panikmache z.T. beruht, als gefärbt beschrieben wird. Es wurde vom zuständigen Minister selektiv aus einem Untersuchungsbericht zitiert und wichtige Details weggelassen. Klingt nach einem alt bekanntem Vorgehen. Muss ich erwähnen, dass das zuständige Ministerium in grüner Hand ist? Hier die Seite:

http://www.wir-sind-tierarzt.de/2014/11/analyse_nrw_puten-studie/

Sicherlich gibt es Probleme in der Massentierhaltung und der Einsatz von Antibiotika ist unter Umständen problematisch. Aber das Ganze klingt mir sehr nach Desinformation, mit der eine politische Agenda verfolgt wird.
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: Robert am 12. Januar 2015, 20:57:08
Vor allem auf den Seiten eines Ministerium....  :facepalm
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: Hildegard am 13. Januar 2015, 11:11:42
Vielen Dank @eLender, für die Nachschau. Das lässt die Sache natürlich schon anders aussehen. Auf der anderen Seite bleibt auch laut http://wir-sind-tierarzt.de (http://wir-sind-tierarzt.de) immer noch genug übrig, um Putenfleisch gegenüber künftig misstrauisch zu sein.

Was mir übrigens an der gestrigen Berichterstattung im "Systemmedium" Bayern5 auffiel: Es war immer von "Putenfleisch aus dem Supermarkt" die Rede, mit dem man sich die resistenten Keime ins Haus hole. Als würde der liebe Bauer von nebenan nicht spritzen. Das passt natürlich wieder hervorragend zur Agenda der Grünen.
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: ajki am 13. Januar 2015, 13:01:03
Aktuell beziehen sich die medialen Berichte (z.B. sz (http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/bund-studie-putenfleisch-oft-mit-resistenten-keimen-belastet-1.2300960)) wohl auf eine Pressemitteilung von BUND vom 12.1.2015 (http://www.bund.net/nc/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/putenfleisch-aus-discountern-mit-krankheitskeimen-belastet-risiken-und-nebenwirkungen-der-industrie/). Dort wird berichtet über eine nicht-repräsentative Stichprobenkontrolle - der BUND hat bundesweit bei Supermärkten/Discountern (relativ wenige) Proben eingekauft und von einem Labor auf Keime testen lassen. Dabei wurden bei der überwiegenden Zahl der Proben Belastungen mit antibiotika-resistenten Keimen gefunden.

Keine Frage - es sind viel zu wenig Proben (drum nicht-repräsentativ). Auch die Schlussfolgerung "es ist die industrielle Tiermast mit massivem Antibiotika-Einsatz" ist heikel - wenn man vom Endpunkt der Distributionskette Proben nimmt, kommen einfach enorm viele Auftrittspunkte infrage sowohl im Fall einer Einzelprobe als auch als systemische Kette.

Das Problem dabei ist allerdings die in der Pressemitteilung angesprochene Problematik. Wenn Hinz und Kunz mit irgendeiner Agenda jederzeit Endverkaufspunkte abklappern können und trotz aller möglichen Produzenten-, Händler-, Transporteurs-, Lagerungs- und Verarbeiter-Versicherungen samt zugehörigem (riesigem) QS-Netz inklusive staatlicher Aufsicht *trotzdem* mit Leichtigkeit belastete Proben finden... dann läuft da entweder irgendwas systemisch falsch *oder* das Auftreten der Keime muß völlig anders erklärt werden. Da aber Hinz samt Kunz (setze irgendeine beliebige Gruppierung) auch in Zukunft solche Probennahmen immer wieder öffentlich machen werden (unaufwändig u. billig wenn nicht-repräsentativ) kann die Produktions- und Distributionsseite hier nicht einfach "aussitzen". Irgendwas müssen sie hier machen (lassen).
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: Groucho am 13. Januar 2015, 14:16:43
Weiß nicht, was die alle haben. Wenn man noch Keime findet, wurden falsche und/oder zu wenig ABs eingesetzt.  8)
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: Robert am 13. Januar 2015, 14:41:36
Wahlweise empfehle ich Chlor-Pute.
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: Groucho am 13. Januar 2015, 15:08:59
Zitat von: Roberta am 13. Januar 2015, 14:41:36
Wahlweise empfehle ich Chlor-Pute.

Würde ich ja bevorzugen, gibt's aber nicht.
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: Conina am 13. Januar 2015, 15:10:57
Dass man Geflügel wegen der Keime durchgaren muss, weiß sogar Lieschen Müller.

Diese aufgebauschen Nichtnachrichten sind doch alle peinlich.


Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: ly_schwatzmaul am 13. Januar 2015, 19:25:37
Ist schon irgendwie lustig was der BUND da wieder "publiziert". Die interessanten Daten tauchen nirgends auf, es gibt nur hübsch bunte Bildchen mit beeindruckenden %-Zahlen.
Interessent fände ich zum einen Infos über das zur Anwendung gekommende Nachweisverfahren, dann über das Labor von welchem die Nachweise erbracht wurden und wenn es sich um ein nicht standardisiertes/zertifiziertes Verfahren handelt würd ich gerne mal wissen, wie genau die Probenlagerung, Probengewinnung, Aufbereitung ausgesehen hat. Weiterhin wäre es in diesem zusammenhang spannend zu erfahren, welche Kontrollen verwendet wurden, denn wenn keine Hühnchen aus "guter nicht industrieller Haltung" als Kontrolle mit getestet wurden, ist eine Aussage wie "Böse industrielle Fleischproduktion führt zu Resistenzbildung" sowieso eher nicht erlaubt.
Interessant ist auch, dass das Bundesamt für Risikobewertung in früheren Untersuchungen (s. http://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_esbl__und_ampc_bildenden_antibiotikaresistenten_keimen-106471.html#topic_132409 ) zwar sicherlich bedenkliche Zahlen ermittelt hat, diese aber dennoch meilenweit von den in der "BUND Zahlenerhebung" entfernt liegen. Das mag der geringen Stichprobenzahl geschuldet sein, aber bei derart eklatanten unterschieden nährt die These eines systematischen Fehlers bei der Stichprobenauswahl oder der durchgeführten Tests (BUND Mitarbeiter haben gewusst, bei welcher "Hühnercharge" mal die Kühlkette unterbrochen war oder es zu Verpackungsproblemen gekommen ist etc. oder die haben die Proben selber bei der Testdurchführung im Labor verquanzt....) 
Eine weitere interessante Erkenntnis des Bundesamtes (vgl.  Punkt 2 auf http://www.bfr.bund.de/cm/343/esbl-bildende-bakterien-in-lebensmitteln-und-deren-uebertragbarkeit-auf-den-menschen.pdf  )ist im übrigen folgendes: "Von besonderer Bedeutung für die Übertragung auf Lebensmittel scheint der Schlachtprozess zu sein."
Vielleicht böte also die Verbesserung der Schlachthaushygiene einen nicht zu vernachlässigenden Ansatzhebel zur Verbesserung der Situation.
Naja, sind halt nur mal wieder ein paar spontane Gedanken zu dem Thema :).
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: eLender am 13. Januar 2015, 20:24:00
Stimmt, die aktuelle Alarmsituation geht auf den BUND-Bericht zurück. Wir hatten ja auch kürzlich eine ähnliche Diskussion, bei der es um die multiresistenten Keime ging. Man kann da durchaus einen Zusammenhang konstruieren, was auch jemand gemacht hat:

www.netzlandwirt.de/journalismus-oder-propaganda/

Meiner Meinung nach wird da eindeutig eine bestimmte Agenda verfolgt. Keine Verschwörung, nur eine konzertierte Aktion :grins Natürlich ist nicht alles Eierkuchen in der landwirtschaftlichen Produktion, aber so eine Irreführung und Panikmache soll doch wohl einem anderen Zweck, als der reinen Aufklärung dienen. Ich komme nochmal kurz auf den Bericht aus NRW zurück, der ja den Mythos von den "über 90% der Puten sind (massiv) mit Antibiotika belastet" zumindest vorgelegt hat. Es finden sich nur wenig kritische Stimmen, eine habe ich noch gefunden:

www.animal-health-online.de/gross/2014/11/26/datenlage-undurchsichtig-nrw-putenstudie-mit-vorsicht-zu-geniessen/28851/

Darauf baut ja dann die Panikbotschaft des BUND auf. Klar, es sind nur Stichproben, aber die werden anhand der vorherigen "Erkenntnisse" schnell als verallgemeinerbar gewertet. Die - hier schon angemerkte - grottige Methodik wird gar nicht mehr hinterfragt. Auch die Schlüsse stehen scheinbar schon fest: Die industrielle Landwirtschaft produziert Monsterkeime, die dann als getarnte biologische Waffe auf den Tellern der fleischsüchtigen Unterklasse landen. NWO, ick hör dir trapsen...

Das Heil liegt dann nur in der ökologischen Erzeugung von (wenn es unbedingt sein muss) Fleisch. Sowas gibt es aber selbstredend nicht beim Discounter um die Ecke, sondern nur in den schöpfungsbewahrenden Konsumtempeln für Ernährungsideologen.
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: Robert am 13. Januar 2015, 20:29:00
Zitataber so eine Irreführung und Panikmache soll doch wohl einem anderen Zweck, als der reinen Aufklärung dienen.

Die Grünen wollen eine Agrarwende und einen Ausstieg aus der Massentierhaltungtm. Daher muss man im Vorfeld ordentlich draufhauen, damit sich die nachfolgenden Maßnahmen legitimieren lassen. An einer Verbesserung der Landwirtschaft im Sinne von technischem Fortschritt, besserer Bewirtschaftung der Böden, auch was die Umwelt angeht, ist denen jedenfalls nicht gelegen. Denn es muss ja die Bio-Religion als Heilsbringer ran.

Wenn die damit durchkommen und das so, wie die Energiewende läuft, wird es gruslig.
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: ajki am 14. Januar 2015, 00:08:48
Das sind mir zuviele Quoting-Anknüpfpunkte, ich gehe deshalb nur in freier Form auf einige Dinge ein, die (auch) mir im Zusammenhang auffallen.

Ich glaube nicht, dass mit einer Haltung wie "alles übliche Hysterie" irgendeiner Sache gedient ist. Dieser Angelegenheit auf jeden Fall deshalb nicht, weil man sich landauf, landab die Endergebnisse im Irrationalbereich jederzeit abholen kann - also die facebook- und vglb.-Kommentare wie "landwirtschaft tötet!1!!", "MONSANTO!", "wenn der militärisch-industrielle monopolkapitalismus nicht gestoppt wird, dann werden alle nichtpreviligierten systematisch vergiftet!" (entsprechende Tippfehler und sonstige Hyperventilierungen hinzudenken). Auch die hier leider übliche Eingrenzung auf irgendeine "politische" Gruppierung führt wie immer auf eine falsche Spur - hier gut bekannte Rohköstler und andere breit vertretene Gruppierungen haben keine "grüne" Agenda, sondern eine rein esoterisch-hysterische. Wenn man auch in diesem Thema mit der prüfenden Haltung aufhört weil "Hysterie", dann wird letztlich die gesamte psiramsche u. vglb. Überlegungsarbeit ein sinnloser Akt (von angenehmer Hobby-Beschäftigung mal abgesehen).

Das Problem scheint mir doch die schon oft im Zusammenhang angeklungene "Story" zu sein, die im Verbund vieler Kräfte und Quellen sich im Laufe einer nun sehr langen Zeit zu einem gesellschaftlich wirksamen Erzählungsstand verdichtet hat. (nur im Nebenbei: mit langem Zeitraum meine ich auch und unter anderem die völkischen Naturbewegungen ab Ende des 19ten Jhdts.)

Die "Story", die immer in mehr oder weniger präsentem Ausmaß hier und anderswo die Grundlage bildet, geht doch stark verkürzt so: "In großen Kliniken gibt es das immer größer werdende Problem von Infektionen (Fragezeichen 1 bis 17+; s. zu dieser Story u.a. die ab den 80ern beginnenden öffentlichen Horror-Stories u.a. in den Medien). Es wird darüber hinaus vermittelt, dass den Infektionen aufgrund immer gehäufter auftretender Resistenzbildung immer schlechter begegnet werden kann (Fragezeichen ?? bis ??). Gleichzeitig und völlig parallel gibt es die ständigen medialen Lebensmittelskandale, die immer schlimmer werden (Fragezeichen ?? bis ??). Die werden durch die industrielle und nur auf billige Produktion ausgerichtete internationale Agrarökonomie verursacht, von der der Verbraucher immer nur einen minimalen Anteil an Skandalen überhaupt mitbekommt (Fragezeichen ?? bis ??).  Bedingt durch die permanenten Skandalmeldungen muss man als Verbraucher davon ausgehen, dass in der industriellen Agrarökonomie systemisch betrogen wird (Fragezeichen ?? bis ??). Zum Problemkomplex gehört auch der massive Einsatz von Antibiotika (Fragezeichen ?? bis ??). Dessen Auswirkung besteht unter anderem in der dadurch stärker werdenden Resistenz verschiedener Bakterien und Viren, die ihrerseits über verschiedene Einfalltore unvermeidlich bis zu menschlichen Trägern gelangen (Fragezeichen en masse). Das trägt zu den Problemen in Kliniken und sonstwo mit resistenten Stämmen bei oder stark bei (Fragezeichen in beliebiger Zahl)."

Diese "Story" stimmt in keiner Hinsicht. Wahrscheinlich im Ganzen bzw. Groben nicht und in Details auf keinen Fall. Aber soweit ich das erkennen kann, ist sie als "Story" dasjenige, was gesellschaftlich zumindest in schwacher oder "ist mir doch egal"-Form so präsent ist, dass jedes Medium immer schon diese Story voraussetzt bei irgendeiner Thematisierung. Sie ist *wirkmächtig*.

Ganz unter anderem findet man die Auswirkung dieser Story-Mythe auch in entfernt betroffenen Nebenfeldern. So äußert sich aktuell Frau Hendricks (Bundesumweltminister) z.B. wie folgt (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/umweltministerin-hendricks-will-gentechnikfreies-deutschland-1.2300535):

Zitat"Die grüne Gentechnik hat sich als Holzweg erwiesen", sagte Hendricks. Diese sei für Umwelt und Natur riskant und werde von Verbrauchern nicht gewünscht

Soweit mir (oberflächlich) bekannt ist, ist die sog. "grüne Gentechnik" alles andere als erfolglos - eher im Gegenteil (auch wenn jede Menge Aktien-Verkaufshype der 90er eben nur Hype war - aber das ist ja immer so). Von irgendeinem *besonderen* Risiko für Umwelt und Natur weiß ich auch nichts - im Gegenteil erwiesen sich praktisch alle Räuberpistolen, die über Risiken von GMO hyperventilieren, als effektiv gegenstandslos. Richtig ist hingegen sehr wohl, dass die Verbraucher in Dtschl. u. anderswo die Produkte nicht "wünschen". Hierbei ist mit Sicherheit die oben skizzierte "Story" ursächlich und das "nicht erwünschen" die Folge der Wirksamkeit der "Story" (samt den facebook-Sprüchen).

Hinsichtlich z.B. der Restistenz-Probleme wurden oben schon genau die richtigen Sofortfragen gestellt - also z.B., wie sieht es denn eigentlich wirklich im *Vergleich* aus zwischen "Bio"-Produkten und "Agrarindustrie"-Produkten? Nach allem, was in vielen Jahren hierzu immer mal wieder an Vergleichen bekannt wurde, dürfte man auf gar keinen Fall von irgendwelchen qualitativen Besserstellungen zwischen diesen Segmenten ausgehen - im Gegenteil gab es in bekannten Vergleichsfällen sogar Nachteile für das Bio-Segment. Oder: was bedeutet es, wenn "resistente Keime" gefunden werden in Endverkaufsstellen? Bedeutet dies, dass es "früher" diese Keime nicht gab oder wird nur so berichtet, als wäre das ein neues Problem? Und so weiter und so fort.

Der Punkt, auf den ich mit dieser Textwand heraus will, ist folgender: wenn man in dieser Gesellschaft von der Hysterie im Themenbereich abkommen will, dann muß eine *andere* "Story" her. Eine, die fakten- und evidenzbasiert die Wirklichkeit besser abbildet. Dazu ist es unbedingt erforderlich, dass man unter anderem Fakten bereitstellt (z.B. durch Institute, Verbände und Lobbys). Das muß zugunsten einer "Story" auch einigermaßen "koordiniert" passieren - es nutzt überhaupt nichts, wenn 20.873 hochwertige Studien entweder gar nicht erschienen oder hinter einer paywall verborgen sind.

Und das eben ist mein Vorwurf an die Agrarwirtschaft in dieser Hinsicht: *ihr* habt die Horrorstory seit Jahrzehnten anwachsen und wirksamer werden sehn. *Ihr* macht mit all' den Verbandsmöglichkeiten keine Gegenstory auf. *Ihr* seid öffentlich nicht *wirksam*. Warum nicht? Als Beteiligter im Lebensmittelbereich oder bei der Erzeugung würde ich meine nicht geringen Mitgliedsbeiträge zu Institutionen und Verbänden in dieser Hinsicht stark in Frage stellen. Und die politischen Vertretungen scheinen auch alle durchweg nicht in eine verkaufbare Gegenstory eingebunden zu sein (und das gilt *auch* für CDU/CSU-Vertreter, um das hier nochmal klarzustellen). (und über solche Witzfiguren wie FDP und AfD denke ich noch nicht mal nach)
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: ZKLP am 14. Januar 2015, 18:19:47
Ncht nur der B.U.N.D. kann Polemik:
Resistente Keime: Mobiltelefone, TV-Fernbedienungen und Wale immer gut durchbraten (http://www.animal-health-online.de/gross/2015/01/12/resistente-keime-mobiltelefone-tv-fernbedienungen-und-wale-immer-gut-durchbraten-2/29212/)
:ohnmacht:


Erwähnenswert ist auch, dass aus dem Einheitsbrei der Berichterstattung ausgerechnet die TAZ positiv hervorsticht:
Wenigstens Jost Maurin hat sich die Zeit genommen, Rücksprache mit den Fachleuten vom BfR zu halten, anstatt die B.U.N.D.-Sensationsnachricht schnellstmöglich zu verbreiten.
Dementsprechend liest sich sein Artikel auch etwas distanzierter als die der Konkurrenz:
http://www.taz.de/Untersuchung-zu-Bakterien/!152716/
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: ajki am 14. Januar 2015, 20:00:09
Würde ich HerrFrau taz auch dringend anraten, bei so'nem Kram journalistisch aufmerksamer zu arbeiten - immerhin haben sie sich kürzlich noch einen Superstunt an PR-Schmierenkomödie (https://forum.psiram.com/index.php?topic=13677.msg178171#msg178171) geleistet. Sonst kommt eben die nächste eMail-Schlacht mit Jung- oder Altredakteuren...
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: eLender am 14. Januar 2015, 22:45:30
Zitat von: ajki am 14. Januar 2015, 00:08:48
Der Punkt, auf den ich mit dieser Textwand heraus will, ist folgender: wenn man in dieser Gesellschaft von der Hysterie im Themenbereich abkommen will, dann muß eine *andere* "Story" her. Eine, die fakten- und evidenzbasiert die Wirklichkeit besser abbildet. Dazu ist es unbedingt erforderlich, dass man unter anderem Fakten bereitstellt (z.B. durch Institute, Verbände und Lobbys). Das muß zugunsten einer "Story" auch einigermaßen "koordiniert" passieren - es nutzt überhaupt nichts, wenn 20.873 hochwertige Studien entweder gar nicht erschienen oder hinter einer paywall verborgen sind.

Und das eben ist mein Vorwurf an die Agrarwirtschaft in dieser Hinsicht: *ihr* habt die Horrorstory seit Jahrzehnten anwachsen und wirksamer werden sehn. *Ihr* macht mit all' den Verbandsmöglichkeiten keine Gegenstory auf. *Ihr* seid öffentlich nicht *wirksam*. Warum nicht? Als Beteiligter im Lebensmittelbereich oder bei der Erzeugung würde ich meine nicht geringen Mitgliedsbeiträge zu Institutionen und Verbänden in dieser Hinsicht stark in Frage stellen. Und die politischen Vertretungen scheinen auch alle durchweg nicht in eine verkaufbare Gegenstory eingebunden zu sein (und das gilt *auch* für CDU/CSU-Vertreter, um das hier nochmal klarzustellen). (und über solche Witzfiguren wie FDP und AfD denke ich noch nicht mal nach)

Manche Stories verkaufen sich halt besser als andere, vor allem wenn sie den drohenden Untergang des Abendlandes vorhersagen. Da kommt man mit rationalem Argumentieren und Faktenbezug nicht sehr viel weiter. Sowas nutzt jeder gerne, der eine bestimmte Agenda durchbringen will. Ich hatte ja schon angedeutet, dass die aktuelle Panikmache eine konzertierte Aktion von Organisationen ist, die einen gemeinsamen Nenner haben und auf der Suche nach einer Neuorientierung sind. Die Aufmerksamkeit ist immer da, wo die Warnleuchten blinken.

Die ganze Thematik "multiresistente Keime" und Landwirtschaft hatten wir hier ja schon öfters, auffallend oft in der letzten Zeit, diskutiert, z.B.:

http://forum.psiram.com/index.php?topic=13571.0
http://forum.psiram.com/index.php?topic=12966.0

Und es wird wohl nicht das letzte Mal gewesen sein. Interessant sind ja auch gewisse zeitliche Zusammenhänge. Die nächste Aktion steht auch schon an:

http://blogagrar.de/

Und es gibt sie eben doch, die Gegenbewegung. Interessant auch die Kommentare im verlinkten TAZ-Artikel. Da meldet sich auch der Herr, der hinter animal-health-online.de steckt. Die machen sich auch eine Menge Arbeit, um gegen moderne Schauermärchen anzukämpfen, werden aber wahrscheinlich schnell in die Ecke "industrienah" geschoben. Noch ein paar Windmühlenkrieger: http://www.fragdenlandwirt.de/

Ich gebe dir aber trotzdem Recht, man könnte und sollte mehr machen. Hätte man frühzeitig und intensiver über die Schauermärchen der Anti-GT Lobby aufgeklärt, wären wir heute wahrscheinlich auch nicht "GT-frei".
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: ajki am 07. November 2015, 19:26:35
Ich habe weiter oben gekritzelt:

ZitatDer Punkt, auf den ich mit dieser Textwand heraus will, ist folgender: wenn man in dieser Gesellschaft von der Hysterie im Themenbereich abkommen will, dann muß eine *andere* "Story" her. Eine, die fakten- und evidenzbasiert die Wirklichkeit besser abbildet. Dazu ist es unbedingt erforderlich, dass man unter anderem Fakten bereitstellt (z.B. durch Institute, Verbände und Lobbys). Das muß zugunsten einer "Story" auch einigermaßen "koordiniert" passieren - es nutzt überhaupt nichts, wenn 20.873 hochwertige Studien entweder gar nicht erschienen oder hinter einer paywall verborgen sind.

Und das eben ist mein Vorwurf an die Agrarwirtschaft in dieser Hinsicht: *ihr* habt die Horrorstory seit Jahrzehnten anwachsen und wirksamer werden sehn. *Ihr* macht mit all' den Verbandsmöglichkeiten keine Gegenstory auf. *Ihr* seid öffentlich nicht *wirksam*.

eLender hat dann in der Folge (berechtigt) darauf hingewiesen, dass die diversen landwirtschaftlichen Verbände mittlerweile sehr wohl versuchen, medial wirksam aufzutreten.

*Wie* außerordentlich schwierig das ist, wenn das Kind schon seit ewigen Zeiten im Brunnen liegt, darauf verweist ein Text der FAZ v. 7.11.2015, der einen ausgeuferten Streit verschiedener Landwirtschaftsverbände und -medien mit dem Presseprodukt "Die Zeit" beschreibt. Dabei geht es um eine Artikelserie in der "Die Zeit" (http://www.zeit.de/serie/toedliche-keime), darunter der bewußt reißerische Artikel "Das bringt uns noch um (http://www.zeit.de/2014/48/massentierhaltung-bakterien)" aus 2014, die seither von seiten der Landwirtschaftsverbände massiv angegriffen wird - oder besser aus Sicht des Presseprodukts "FAZ" gesehen: versucht wird, massiv anzugreifen. U.a. gab es "offene Briefe", diverse Stellungnahmen in verschiedenen Publikationen, Leserbriefe en masse, Twitter-Schlachten inklusive Godwin plus "offizielle" Versuche - hier also: den Versuch, eine Presseratsrüge zu erwirken.

Da mir der Beschreibungsartikel derzeit nur im Print vorliegt, kann ich nicht darauf verlinken. Aber ein paar Dinge kann man daraus quoten, die das Problem aus "Journalistensicht" beschreiben:

Zitat..In dem Text, den zwölf Journalisten der Zeitung und der Recherchegruppe Correctiv verfasst hatten, ging es um die Problematik multiresistenter Keime [..], die durch landwirtschaftliche Tierhaltung entstehen. Offiziellen Zahlen zufolge sterben bis zu 15000 Menschen pro Jahr in Deutschland an solchen Infektionen. Rund zwei Prozent der Keime sind gegen alle Antibiotika resistent, weil Landwirte diese in der Tierhaltung einsetzen. Demnach wären 300 Tote im Jahr auf die landwirtschaftliche Praxis zurückzuführen.
Ob das viel oder wenig ist, eine Abwägungssache oder ethisch inakzeptabel, das ist eine andere Frage. Die Reporter listeten die Fakten auf, besuchten Betroffene und Tierärzte, die das System nicht mehr wollten. Das alles war lange bekannt, bis auf eine nicht ganz richtig interpretierte Studie korrekt und im Text hochverdichtet. Der Tonfall war stellenweise anklagend und moralisierend: ..

[..]

Der DBV drückte nun selbst aufs Empörungspedal. Er rief den Presserat an und wollte eine Rüge erwirken, was ihm trotz größter Mühen und teurer Anwälte nicht gelang. Der Verband beanstandete Dutzende Punkte und verkaufte es dann als Sieg, dass der Presserat eine Darstellung der Arbeit eines Tiermediziners als nicht sorgfältig bezeichnete: "Der DBV sieht sich damit bestätigt, dass die Empörung der Tierhalter über den 'Zeit'-Artikel sowie die massive Kritik zahlreicher Verbände und Landwirte berechtigt war, wonach nicht sorgfältig recherchiert wurde." Damit sollte der ganze Artikel diskreditiert sein und das Thema vom Tisch. Bauern sagten und schrieben in den Foren, der Artikel sei gerügt worden, schlecht recherchiert. "Top Agrar online" behauptet bis heute, der Artikel habe sich eine "Rüge" eingehandelt. [..]

Die Serie "Tödliche Keime" wurde aktuell mit einem Journalistenpreis ausgezeichnet, u.a. mit Verweis auf die Recherchequalität, was die "Bauern"-Seite wiederum aktuell komplett aufschäumt.

Wenn jemand wissen will, wie man die oben von mir angemahnte Öffentlichkeitsarbeit durchführen sollte, dann lautet eine Antwort darauf: *So* nicht - Wutbürgereien, Kommentariatsausfälligkeiten und festes Schließen einer Antifront gegen das Böse(TM) funktioniert nicht bzw. nur für die eigenen Reihen, die aber genau diese Vergewisserung des Eigenguten nicht brauchen. *So* katapultiert man sich nur aus Diskussionen heraus.
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: Groucho am 07. November 2015, 20:12:23
Schreib einen Blogartikel. Bitte. Das Wesentliche ist ja bereits erfasst.
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: HorstHuber am 08. November 2015, 08:45:51
Zitat von: ajki am 07. November 2015, 19:26:35
...
Da mir der Beschreibungsartikel derzeit nur im Print vorliegt, kann ich nicht darauf verlinken. Aber ein paar Dinge kann man daraus quoten, die das Problem aus "Journalistensicht" beschreiben:

Zitat..In dem Text, den zwölf Journalisten der Zeitung und der Recherchegruppe Correctiv verfasst hatten, ging es um die Problematik multiresistenter Keime [..], die durch landwirtschaftliche Tierhaltung entstehen. Offiziellen Zahlen zufolge sterben bis zu 15000 Menschen pro Jahr in Deutschland an solchen Infektionen. Rund zwei Prozent der Keime sind gegen alle Antibiotika resistent, weil Landwirte diese in der Tierhaltung einsetzen. Demnach wären 300 Tote im Jahr auf die landwirtschaftliche Praxis zurückzuführen.
Ob das viel oder wenig ist, eine Abwägungssache oder ethisch inakzeptabel, das ist eine andere Frage. Die Reporter listeten die Fakten auf, besuchten Betroffene und Tierärzte, die das System nicht mehr wollten. Das alles war lange bekannt, bis auf eine nicht ganz richtig interpretierte Studie korrekt und im Text hochverdichtet. Der Tonfall war stellenweise anklagend und moralisierend: ..

Warum geht dann der Artikel nicht auf die restlichen 98% mrsa Todesfälle nicht kurz ein. Denn die meisten werden wahrscheinlich nichts über die verschiedenen Klassifizierung wissen, aber das ist unabdingbar wenn man diesen Streit einordnen will
LA-MRSA ist das was aus der Landwirtschaft stammt (um die 2%-5%).
Aber leider wird nicht die HA-MRSA und die CA-MRSA Quelle nicht genannt. Das sind die wichtigsten.
Vor allem steigt die CA-MRSA Rate massiv an und das hat wieder etwas mit Tieren zu tun. Aber nicht mit Nutztieren und auch nicht mit dem Essen/Futter sondern wegen der Haustieren die - weil keine Lebensmittelliefernde Tiere - mit den gleichen Antibiotika behandelt werden können wie Menschen.

Das Antibiotika in der Nutztierhaltung nach teilweise 50 Jahren Einsatz immer noch funktionieren scheint auch viele Journalisten nicht zum nachdenken anzuregen.

Auch ist die MRSA-Rate aufgeschlüsselt nach Länder in Europa auch sehr interessant. Die Niederlande bzw. Dänemark als Hort Intensivster Landwirtschaft hat im Vergleich zu Spanien oder Griechenland sehr geringe Raten. Warum regt das die Journalisten nicht zum nachdenken an?

Das alles wurde jedoch jahrelang von diversen Agrarlobby-Verbänden immer wieder den Journalisten mit entsprechenden fundierten wissenschaftlichen Untersuchungen genannt. Den Erfolg sieht man ja.
Zitat
[..]
Der DBV drückte nun selbst aufs Empörungspedal. Er rief den Presserat an und wollte eine Rüge erwirken, was ihm trotz größter Mühen und teurer Anwälte nicht gelang. Der Verband beanstandete Dutzende Punkte und verkaufte es dann als Sieg, dass der Presserat eine Darstellung der Arbeit eines Tiermediziners als nicht sorgfältig bezeichnete: "Der DBV sieht sich damit bestätigt, dass die Empörung der Tierhalter über den 'Zeit'-Artikel sowie die massive Kritik zahlreicher Verbände und Landwirte berechtigt war, wonach nicht sorgfältig recherchiert wurde." Damit sollte der ganze Artikel diskreditiert sein und das Thema vom Tisch. Bauern sagten und schrieben in den Foren, der Artikel sei gerügt worden, schlecht recherchiert. "Top Agrar online" behauptet bis heute, der Artikel habe sich eine "Rüge" eingehandelt. [..]
Deshalb ist es auch nicht verwunderlich das ein Strategiewechsel erfolgte.
Das der Presserat nach meiner Info sehr sparsam mit Rügen umgeht, sollte vielleicht auch noch erwähnt werden wenn man eine einordnenden Artikel schreibt.
Das muss man aber wissen damit man die folgende Beurteilung - mangelnde Sorgfalt - richtig einordnen kann wenn man diesen Fall als Leser nicht verfolgt hat.
ZitatDie Serie "Tödliche Keime" wurde aktuell mit einem Journalistenpreis ausgezeichnet, u.a. mit Verweis auf die Recherchequalität, was die "Bauern"-Seite wiederum aktuell komplett aufschäumt.
Es sollte aber vielleicht zum Nachdenken anregen das ein Interessenverband diesen Preis auslobt und das die Autoren auch noch von einem Hersteller für alternative Arzneien ausgezeichnet wurden.

Ich finde es schon verwunderlich das dem Autor des FAZ Artikels nicht auffällt das dies auch Lobbyverbände/Eigeninteressenten sind die auch eigene Ziele verfolgen. Warum gelingt ihm dies beim Bauernverband zu erwähnen aber nicht bei den anderen?
Journalistenpreis hört sich zwar sehr Neutral an, aber das sind sie nie. Es sollte dann schon eine Einordnung erfolgen welche Interessen die entsprechenden Verleiher haben. Das findet aber nicht statt.
Ist das also gute Öffentlichkeitsarbeit im Sinne von fair und neutral?

Deshalb
ZitatWenn jemand wissen will, wie man die oben von mir angemahnte Öffentlichkeitsarbeit durchführen sollte, dann lautet eine Antwort darauf: *So* nicht - Wutbürgereien, Kommentariatsausfälligkeiten und festes Schließen einer Antifront gegen das Böse(TM) funktioniert nicht bzw. nur für die eigenen Reihen, die aber genau diese Vergewisserung des Eigenguten nicht brauchen. *So* katapultiert man sich nur aus Diskussionen heraus.
klingt dieser Artikel für mich als sehr gutes Beispiel was ich zur Zeit in vielen Presseprodukte feststelle.

Die journalistische Arbeit nähert sich dem virtuellen Stammtisch an. Sprich eine relativ neutrale sachliche Berichterstattung findet immer weniger statt.
Soziale Medien fördern - wie viele Untersuchungen mittlerweile deutlich zeigen - eben keinen offenen Pluralen Meinungsaustausches, sondern plakativ Ausgedrückt fördern diese abgeschlossene Stammtische.

Merkt man sehr deutlich daran welche soziale Netzwerke einen starken Zuwachs derzeit haben. Das sind die, welche vor allem die User nicht mit "unangenehmen" Nachrichten versorgen, sondern die nur Mitteilungen pushen die den Interessen der User entsprechen.

Sprich mag ich Katzenbilder dann bekomme ich halt viele positive "Nachrichten" über Katzen. Die Wahrscheinlichkeit wird mit der Zeit sogar abnehmen "negative" Katzenberichte zu bekommen wenn ich diese nicht lese bzw. negativ (je nach sozialem Netzwerk) bewerte.
Denn die sozialen Netzwerke werden ja auch durch kommerzielle Unternehmen betrieben. Diese sind ja an zufrieden Kunden interessiert und deshalb werden sie dann kein Interesse haben ihre Kunden mit schlechten Nachrichten zu "Quälen". Denn dann werden die Kunden zu anderen Netzwerken abwandern. Deshalb werden die Algorithmen auf "Wohlfühlen" und "Empören" optimiert. Die zwei Lieblingsinteressen des Menschen.

Damit habe ich kein Problem. Das ist mehr als legitim das Soziale Netzwerk-Unternehmen so ihren Umsatz versuchen zu steigern. Doch diese Tatsache muss man halt im Hinterkopf behalten wenn man deren Rolle bewerten will.

Das die Presse auch ein legitimes Interesse an guten Erlösen hat ist auch OK. Aber es gibt eine kleine Einschränkung. Denn die freie Presse wird zusätzlich durch bestimmte Gesetze massiv geschützt bzw. im Fall öffentlich rechtlicher Presseunternehmen sogar bezahlt.
Diese rechtliche Sonderstellung und die damit einhergehenden Verantwortung scheinen viele Journalisten meiner Meinung nach vergessen zu haben.

Deshalb sehe ich diesen Streit nicht als Beispiel was schlechte Öffentlichkeitsarbeit ist, sondern als exemplarischen Fall wie die zukünftige Öffentlichkeitsarbeit aussehen wird.
Das die freie Presse - sollte sie sich noch weiter in ihrer Arbeit den Algorithmen der Sozialen Netzwerken annähern - mit der Zeit überflüssig wird bzw. sie sich in reine Meinungsunternehmen verwandeln über deren einzelne Produkte/Beiträge/Artikel etc. dann gesondert gestritten wird. Sprich die FAZ steht dann nicht mehr als Beispiel für eine seriösen konservativen Berichterstattung wahrgenommen, sondern je nach Artikel wird dies anhand der Klickzahlen entschieden.

[edit - ich habe mir erlaubt, noch ein abschließendes quote-tag hinter das erste Zitat zu setzen - d. e. m.]
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: ZKLP am 08. November 2015, 10:06:39
Zitat von: ajki am 07. November 2015, 19:26:35ein Text der FAZ v. 7.11.2015, der einen ausgeuferten Streit verschiedener Landwirtschaftsverbände und -medien mit dem Presseprodukt "Die Zeit" beschreibt. [...]
Da mir der Beschreibungsartikel derzeit nur im Print vorliegt, kann ich nicht darauf verlinken.
Bitteschön:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/landwirtschaft-die-rache-der-bauernlobby-13898308.html



Zitat von: ajki am 07. November 2015, 19:26:35
U.a. gab es "offene Briefe", diverse Stellungnahmen in verschiedenen Publikationen, Leserbriefe en masse, Twitter-Schlachten inklusive Godwin plus "offizielle" Versuche - hier also: den Versuch, eine Presseratsrüge zu erwirken.

Leider wird auch im FAZ-Artikel die unglückliche Rolle des Pressrates nur unzureichend widergegeben.
Da die schriftliche Begründung des Presserats nicht vorliegt, kann ich nur auf die Aussagen der Kontrahenten verweisen, wobei sich natürlich beide Seiten als Gewinner sehen:

http://blog.zeit.de/fragen/2015/08/11/presserat-multiresistente-keime-bauernverband/ (11.08.2015)
ZitatDer Presserat hat nun diesen Vorgang behandelt und der ZEIT in einem einzigen Punkt einen Hinweis erteilt.
[...]
Ein Hinweis ist neben Rüge und Missbilligung die mildeste Form der Kritik des Presserates. In allen anderen Punkten hat der Presserat die Beschwerden des Bauernverbandes zurückgewiesen: "Darüber hinaus erkennt der Beschwerdeausschuss in der vorliegenden Berichterstattung keine weiteren Verstöße gegen den Pressekodex."

http://www.bauernverband.de/presserat-zeit-artikel-verstiess-gegen-journalistische-sorgfalt (03.08.2015)
ZitatDer Deutsche Presserat hat die Beschwerde des Deutschen Bauernverbandes (DBV) gegen den ZEIT-Artikel ,,Die Rache aus dem Stall" vom 20.11.2014 als begründet erklärt. Insbesondere hat der Presserat einen Verstoß gegen die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht kritisiert.
[...]
Der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserates sah sich nach ausführlicher Beratung der Kritikpunkte und nach eingeholten Stellungnahmen jedoch nicht in der Lage, die vom DBV aufgeführten wissenschaftlichen Studien und Untersuchungen über den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung gegenüber den von der ZEIT herangezogenen Studien zu bewerten. Nach Ansicht des DBV macht es sich der Presserat damit zu leicht. Doch in der schriftlichen Begründung verweist der Beschwerdeausschuss darauf, dass es sich in den vom DBV erhobenen Vorwürfen um ,,eine Expertendiskussion handelt, die nicht der Presserat, sondern die Wissenschaft aufzuklären hat". Im Zusammenhang mit dem Kritikpunkt des DBV, es gäbe zwischen Anzahl der Tiere in einer Region und der Häufigkeit von MRSA-Fällen keinen Zusammenhang, kam der Presserat zu der Bewertung, dass es sich ,,um eine Diskussion handelt, die ein so hohes Expertenwissen fordert, dass der Beschwerdeausschuss es mit seinen Mitteln für nicht aufklärbar hält, welche dieser Studien die verlässlichere ist". Eindeutig wurde dagegen die unzutreffende Darstellung der ärztlichen Behandlung einer Patientin mit Antibiotika als Verstoß gegen das Gebot zur Sorgfalt verurteilt.

"Ausgewogene Berichterstattung" ist eben kein Kriterium im Pressecodex (http://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/). Von daher geht die Beurteilung des Presserats wohl formal in Ordnung.  :(
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: ajki am 08. November 2015, 11:38:24
Zitat von: ZKLP am 08. November 2015, 10:06:39
Von daher geht die Beurteilung des Presserats wohl formal in Ordnung.  :(

Das Problem hatten wir hier schon mehrfach, z.B. hier (https://forum.psiram.com/index.php?topic=14226.msg187050#msg187050). Der Presserat ist eine Standesorganisation, vergleichbar mit so etwas wie der "Freiwilligen Selbstkontrolle". Meine persönliche Meinung zu solchen "Eigenkontrollformen" habe ich anderwärts so formuliert:

ZitatEs kann sogar eine Art Messwert angegeben werden, wann die selbstheilende Eigenkritik der Medienlandschaft funktioniert: nämlich dann, wenn es kritische Außenbetrachtungen durch Blogs nicht mehr braucht. Und es kann eindeutig beurteilt werden, dass die derzeit eingerichteten Maßnahmen zur "Freiwilligen Selbstkontrolle", etwa der Presserat oder Rundfunkbeiräte oder sonstige standesrechtliche Institutionen NICHT funktionieren.

Was wiederum nicht bedeuten soll, dass sich Berufsstände nicht mit Eigenkritik und entsprechenden Foren aufhalten sollten (weil sinnlos), sondern eben: standeseigene Institutionen sind als alleinige Kontrollfunktion unzureichend.

Ich teile also die Außenbewertung von HorstHuber und ZKLP in der Sache. Deshalb habe ich auch "sorgfältig" zum FAZ-Bericht hinzugesetzt:

Zitataus Sicht des Presseprodukts "FAZ" gesehen:

Das ist in meinen Augen in der Medienlandschaft eins der zentralen Probleme, die ich anderwärts im obigen Zusammenhang sehe und das man verkürzt als "eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" beschreiben kann. Presserat und Medienlandschaft bilden hier eine gemeinsame Basis, die im Zweifelsfall auch zu einem Lager wird - wie eben auch in diesem Fall.

Das bricht man meines Erachtens nach nicht auf, indem man flugs Fronten aufbaut, sondern indem man konstruktiv wirkt. HorstHuber hat völlig recht, wenn er darauf hinweist, dass die verfügbare Datenlage dazu führen müßte/sollte, die wahrscheinlichen 90+% Risikofälle ins Auge zu fassen und nicht die in jedem Fall minoren möglichen paar Prozent-Risiken. Allerdings ist es so, dass medial auch sehr wohl die Massenrisiken sehr häufig in diversen Formen medial verwertet wurden (seit  Ewigkeiten). Hier und jetzt in diesem Fall waren es aber die paar wenigen Prozent im Bereich Agrarindustrie (siehe auch weiter oben im thread den Anlass - die leicht skandalisierbaren Keimfunde).

Es gibt nur wenige Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Entweder kann man schlüssig mit guten Studienqualitäten nachweisen, dass es *nicht* der Fall ist, was die Presse als Studienergebnisse präsentiert. Das wäre der beste Fall, der auch für eine Standesorganisation dazu führen müßte, das Presseprodukt entsprechend zu rügen. Derzeit ist diese Möglichkeit jedoch anscheinend nicht gegeben - ein Thema kann das also erst dann sein, wenn irgendwann mal solche Beweisketten vorliegen werden. *Dann* könnte es möglich sein, mittels einer geschickten Kampagne die Kompetenz/Kredibilität von Zeitungsplattformen bezüglich solcher Themen (noch weiter) öffentlich zu diskreditieren. (Mit dem Ziel, die Presseplattformen endlich von ihrer dämlichen Sensationalisierungstendenz wegzubringen - was durchaus auf Langfrist gesehen auch ein konstruktives und legitimes Ziel wäre)

Oder aber man greift das Thema auf und arbeitet damit. Also Interviews, Redaktionsbesuche (ich hätte das Angebot der Redaktionsmitarbeit sofort angenommen), Ernstnehmen der "Befindlichkeiten", Versuch der Begegnung mit Angeboten zur Verbesserung uswusf.... Das ist die normale Verbandsarbeit. Dafür werden die Beiträge bei den Klienten erhoben (soweit es das Öffentlichkeitsgeschäft betrifft).

Frontstellungen helfen *nur* dann, wenn ein Krieg gewonnen werden kann. Wenn ein Krieg nur verloren werden kann, egal welche Seite zuletzt steht, weil die umkämpfte Fläche rettungslos verbrannt ist, dann ist ein Krieg *sinnlos*.

 
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: ZKLP am 08. November 2015, 15:36:44
Zitat von: ajki am 08. November 2015, 11:38:24Es gibt nur wenige Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Entweder kann man schlüssig mit guten Studienqualitäten nachweisen, dass es *nicht* der Fall ist, was die Presse als Studienergebnisse präsentiert. Das wäre der beste Fall, der auch für eine Standesorganisation dazu führen müßte, das Presseprodukt entsprechend zu rügen. Derzeit ist diese Möglichkeit jedoch anscheinend nicht gegeben - ein Thema kann das also erst dann sein, wenn irgendwann mal solche Beweisketten vorliegen werden.
Das halte ich mittlerweile für einen naiven Ansatz.

Bestes Beispiel: "Glyphosat in Muttermilch".
Auch wenn klar ist, dass es sich bei der damaligen "Studie" nur um eine primitive Laboranalyse handelte, die aufgrund mangelhafter Methodik keinerlei Aussagekraft hat, lässt sich dieses Thema nicht mehr einfangen.
Selbst mit der besten Beweiskette wirst du keine Rüge einfordern können; schließlich haben die Medien ja nur das geschrieben, was ihnen die Auftraggeber der "Studie" diktiert haben. Wo soll da der Verstoß gegen den Pressecodex sein?


Zitat von: ajki am 08. November 2015, 11:38:24Oder aber man greift das Thema auf und arbeitet damit. Also Interviews, Redaktionsbesuche (ich hätte das Angebot der Redaktionsmitarbeit sofort angenommen), Ernstnehmen der "Befindlichkeiten", Versuch der Begegnung mit Angeboten zur Verbesserung uswusf.... Das ist die normale Verbandsarbeit. Dafür werden die Beiträge bei den Klienten erhoben (soweit es das Öffentlichkeitsgeschäft betrifft).
Gerade in der Antibiotikadiskussion laufen hier sehr viele Aktionen.
Dass diese aber oft der Öffentlichkeit weitgehend verborgen bleiben, liegt zu einem erheblichen Teil an der Unfähigkeit der landwirtschaftlichen Standesvertretungen (das ist ja nicht nur der Bauernverband), eine zeitgemäße Öffentlichkeitsarbeit auf die Beine zu stellen.

Die Hauptschuld daran, dass dieser Ansatz nicht funktioniert, liegt nach meiner Ansicht aber in erster Linie bei der Presse. Die gibt der landw. Standesvertretung gar nicht mehr die Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge zu veröffentlichen. Überspitzt formuliert, werden bei jedem Tierhaltungsskandal werden mindestens ein Grünenpolitiker und zwei NGO-Vertreter zitiert, aber keiner, der entsprechendes Fachwissen hat.
Dazu passend:
http://medienwoche.ch/2012/10/29/mein-schatz-hats-gruen-so-gern/#more-10428


Der von Dir kritisierte Konfrontationskurs wurde übrigens nicht vom Bauernverband gestartet, sondern entspringt der Initiative einiger einzelner Tierhalter und Tierärzte (http://www.topagrar.com/news/Home-top-News-Wir-machen-Euch-satt-Gegenprotest-formiert-sich-im-Netz-1641639.html).
Der Bauernverband ist erst dann auf den Zug aufgesprungen, als er die Resonanz auf diese Initiative erkannt hat. Und das auch recht halbherzig. Hätte er sich dem aber weiterhin verweigert, wäre ihm der Rückhalt der Basis noch weiter verloren gegangen.
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: uran am 11. Januar 2016, 19:00:17
Zitat von: ZKLP am 08. November 2015, 15:36:44
Überspitzt formuliert, werden bei jedem Tierhaltungsskandal werden mindestens ein Grünenpolitiker und zwei NGO-Vertreter zitiert, aber keiner, der entsprechendes Fachwissen hat.
http://www.tagesschau.de/inland/antibiotika-milchkuh-101.html (http://www.tagesschau.de/inland/antibiotika-milchkuh-101.html)
Oder man läutet gleich die Werbetrommel für die NGOs.
ZitatVor allem der Einsatz sogenannter Reserveantibiotika müsse reduziert und besser kontrolliert werden, so die Landwirtschaftsexpertin von Germanwatch, Reinhild Benning. Der entsprechende Bericht der Organisation liegt dem NDR vorab vor.
Wo kämen wir denn da hin, wenn sich die Gegenseite den Wisch auch gleich ansehen könnte und so manches ins rechte Licht rücken könnte?
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: Scipio am 16. Januar 2016, 14:00:19
Passt zum Thema: http://www.deutschlandfunk.de/anton-hofreiter-reserveantibiotika-duerfen-nicht-in.694.de.html?dram%3Aarticle_id=342598 (http://www.deutschlandfunk.de/anton-hofreiter-reserveantibiotika-duerfen-nicht-in.694.de.html?dram%3Aarticle_id=342598)
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: Groucho am 16. Januar 2016, 15:01:29
Zitat von: Scipio am 16. Januar 2016, 14:00:19
Passt zum Thema:http://www.deutschlandfunk.de/anton-hofreiter-reserveantibiotika-duerfen-nicht-in.694.de.html?dram%3Aarticle_id=342598

Meine Güte. Ich wollte schon zu einer größeren Suade ausholen, aber ich geh mal lieber Schnee schippen.

Nur soviel: Was für ein Dummschwätzer.
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: eLender am 16. Januar 2016, 15:15:09
Zitat von: Scipio am 16. Januar 2016, 14:00:19
Passt zum Thema: http://www.deutschlandfunk.de/anton-hofreiter-reserveantibiotika-duerfen-nicht-in.694.de.html?dram%3Aarticle_id=342598 (http://www.deutschlandfunk.de/anton-hofreiter-reserveantibiotika-duerfen-nicht-in.694.de.html?dram%3Aarticle_id=342598)

Die Problematik mal aus der Sicht eines Praktikers: http://www.wir-sind-tierarzt.de/2015/03/liste-reserveantibiotika-bis-2016/

Der Hofreiter will also Tiere elend verrecken lassen, Hauptsache es werden keine Antibiotika "verbrannt". Muss ich mir merken.
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: Groucho am 16. Januar 2016, 15:38:01
Zitat von: eLender am 16. Januar 2016, 15:15:09
Der Hofreiter will also Tiere elend verrecken lassen, Hauptsache es werden keine Antibiotika "verbrannt". Muss ich mir merken.

Das isses ja, was einem bei dem Typen die Sprache verschlägt, er bringt es fertig, sich in einem Satz zu widersprechen.
Titel: Re: Angeblich massiver Antibiotikaeinsatz in der Putenmast
Beitrag von: MrSpock am 20. Januar 2016, 09:10:33
Die beiden sind doch Zwillinge, oder?