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Deutsch => Allgemeine Diskussionen => Skeptisches Denken => Thema gestartet von: Robert am 13. Juli 2014, 10:34:03

Titel: Eine neue Schrottstudie zur Ernährung
Beitrag von: Robert am 13. Juli 2014, 10:34:03
http://www.animal-health-online.de/lme/2014/06/03/ernahrungsunsinn-des-monats-juni-2014-drei-pommes-machen-fett-fast-food-restaurants-ubergewicht-kein-zusammenhang/8412/

ZitatWer in der Nähe von Fast-Food-Restaurants lebt und arbeitet, der wird dick, so die Titel zahlreicher Medienberichte (1). Basis dieser Zeitgeist-Meldungen war wie so oft eine Beobachtungsstudie (2). ,,Grundsätzlich kann eine Beobachtungsstudie keine Kausalität, also keine Ursache-Wirkungs-Beziehung belegen", erklärt Ernährungswissenschaftler Uwe Knop, ,,aber was hier an Daten geboten wird, das taugt nicht einmal als Korrelation, sondern nur für herzhafte Lacher: Umgerechnet drei Pommes am Tag können das Risiko für Fettleibigkeit verdoppeln, so das Fazit der Autoren im renommierten British Medical Journal BMJ."

ZitatSchaut man sich Studie genauer an, wird die ,,Anti-Fast-Food-Propaganda" noch absurder: Denn hier wurde nicht der Besuch und Verzehr in diesen Gaststätten analysiert – sondern es ging ausschließlich darum, wie viel der Schnell-Restaurants ("takeaway food outlet" – was in England oft genug auch indische und besonders chinesische Küche ist) sich in der Nähe des Wohnorts, des Arbeitsplatzes und auf dem Arbeitsweg der Studienteilnehmer befanden. Der tatsächliche Verzehr von Pommes, Pizza, Burgern & Co. hingegen wurde willkürlich geschätzt: Probanden mit den meisten Fastfood-Restaurants in der Nähe konsumierten diesen Schätzungen zufolge 5,7 Gramm – das entspricht etwa 3 (!) Pommes frites – mehr Fastfood pro Tag als die Gruppe mit den wenigsten Gaststätten in der Umgebung.
Titel: Re: Eine neue Schrottstudie zur Ernährung
Beitrag von: pelacani am 13. Juli 2014, 10:45:27
Ups. Ich habe das BMJ früher für eine gute Zeitschrift gehalten, auch wenn sie öfter mal sehr duldsam gegenüber der Paramedizin waren (und sind). Fairerweise lassen sie aber auch Gegenstimmen zu. Manchmal hat man den Eindruck, die Briten wären quasi-fanatisch evidenzfixiert. Ob das Ergebnis sinnvoll ist oder nicht, spielt keine Rolle - Hauptsache signifikant.

Vor langer Zeit habe ich mal eine Studie dort gelesen, die eine Korrelation des Ärztekittel-Gewichts mit der Dienststellung belegt hat. Der Kittel des Assistenzarztes (Fachbücher und allerlei Untersuchungsutensilien drin) war signifikant höher als das des Chefarztkittels (da ist nur ein edler Füllfederhalter drin, niemals ein Kugelschreiber). Das Gewicht des Letzteren unterschied sich nicht mehr signifikant von dem eines leeren Kontrollkittels.
Titel: Re: Eine neue Schrottstudie zur Ernährung
Beitrag von: Harpo am 13. Juli 2014, 11:51:35
ZitatIn our analyses, compared with people least exposed to takeaway food outlets, we estimate those most exposed consumed an additional 5.7 g per day of takeaway food, which would constitute a 15% higher consumption than those least exposed. In a week, this translates into an additional 39.9 g of takeaway food. This weekly amount constitutes more than half a small serving of McDonald's French Fries (typically 71 g per serving) and about one quarter of the grams of takeaway food purchased per person per week in the UK in 2010.

Wahnsinn! 39.9 g mehr! Pro Woche! Jedenfalls sofern die Probanden sich in diesem speziellen Polarkoordinatensystem bewegen:

ZitatHome and work neighbourhoods were defined as circular buffers with a 1 mile Euclidean (straight line) radius centred on these locations, based on previous studies suggesting that this definition relates closely to actual food purchasing behaviours among adults.

http://www.bmj.com/content/348/bmj.g1464

@Robert: Dein Link gilt nicht, es kommt die Zeichenfolge P o l l m e r darin vor.
Titel: Re: Eine neue Schrottstudie zur Ernährung
Beitrag von: Robert am 13. Juli 2014, 12:08:02
Zitat39.9 g mehr!

Gab es nicht mal sowas wie ein Massenerhaltungsgesetz (http://de.wikipedia.org/wiki/Massenerhaltungssatz)?

Zitat@Robert: Dein Link gilt nicht, es kommt die Zeichenfolge P o l l m e r darin vor.

Jehova, Jehova!  :aetsch:
Titel: Re: Eine neue Schrottstudie zur Ernährung
Beitrag von: P.G. am 15. Juli 2014, 15:48:50
" hier wurde wohl nur getestet, wie weit die Kompetenz von Ernährungsexperten reicht." Nicht sehr weit.  Der Verriss ist Schrott. Wenn man denkt ein Regressionskoeffizient wäre ein willkürlicher Wert, hat man nicht mal Basics drauf. Die lesen "estimated" und denken das heiß Pi mal Daumen.
Peinlich.
Titel: Re: Eine neue Schrottstudie zur Ernährung
Beitrag von: Superkalifragilistisch am 15. Juli 2014, 15:57:53
Zitat
Last but not least ... stellt sich die Frage nach einer offiziellen internationalen Definition von Fast Food? Was genau soll Fast Food sein? Die Antwort kennt das ökotrophologische Universalcredo: Nichts Genaues weiß man nicht. Deshalb kann sich jeder die Daten so zusammenstellen, wie er es braucht.
Titel: Re: Eine neue Schrottstudie zur Ernährung
Beitrag von: P.G. am 15. Juli 2014, 18:31:54
Zitat von: Superkalifragilistisch am 15. Juli 2014, 15:57:53
Zitat
Last but not least ... stellt sich die Frage nach einer offiziellen internationalen Definition von Fast Food? Was genau soll Fast Food sein? Die Antwort kennt das ökotrophologische Universalcredo: Nichts Genaues weiß man nicht. Deshalb kann sich jeder die Daten so zusammenstellen, wie er es braucht.
Da hätte man nur einen Blick in die Veröffentlichung werfen müssen:
ZitatAll food outlets were classified by one researcher, based on a classification system for food environments developed by Lake and colleagues.44 Web table 2 provides details of our takeaway food outlet definition. UK local authorities typically categorise these outlets as "hot food takeaways" (class A5 under the Town and country Planning 2005 Use Classes Order).9 Planning restrictions are beginning to apply to these types of food outlets,7 8 9 making our definition of a takeaway food outlet particularly relevant to policy. We excluded workplace canteens and other food outlets not selling directly to the public from analyses.

Da ist eindeutig definiert um was es geht.
Natürlich kann jeder eine andere Definition verwenden, aber das ist in der Forschung allgemein ein Problem. Mit dem Argument kann man jede noch so gute Studie kritisieren.