Hallo,
nachdem man ja Quacksalberei kaum noch von echter Medizin unterscheiden kann (Kassen zahlen auch Quack, zugelassene Mediziner treiben Homöopathie und verticken merkwürdige Therapien...), wenn man sich nicht Stunden, Jahre und Tage durch Studien wühlen will, einfach mal die Frage in die Runde:
Gibt es sowas wie Psychosomatik wirklich? Und können die Effekte wirklich so heftig sein, wie es oft behauptet wird?
Mir und vielen Bekannten ist es nämlich in letzter Zeit öfters passiert, daß erst mal die Fragen nach seelischen Ursachen (Haben sie Stress? Belastet sie was?) kamen, die kaum noch jemand in Deutschland wird verneinen können. Dann wurde erst mal zugewartet, und erst wenn dann keine Besserung eintrat, erfolgte eine ausgedehntere Diagnostik.
Was meint ihr hier dazu?
Gruß,
Wiesen-Sohle
(P.S.: Wer noch weiß, woher mein Nick stammt, bekommt einen Gummipunkt ;-) )
Hallo,
es gibt zumindest eine entsprechende Facharztausbildung, eine ärztliche Fachgesellschaft (http://www.awmf.org/fachgesellschaften/mitgliedsgesellschaften/visitenkarte/fg/deutsche-gesellschaft-fuer-psychosomatische-medizin-und-aerztliche-psychotherapie.html) und Leitlinien der AWMF:
http://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien/ll-liste/deutsche-gesellschaft-fuer-psychosomatische-medizin-und-aerztliche-psychotherapie.html
Deine Bedenken kann ich verstehen: früher war die Psychosomatik ein Tummelplatz der Psychoanalyse und der eigenartigen Hypothesen über postulierte kausale Verknüpfungen einer bestimmten Psychodynamik mit bestimmten organischen Erkrankungen.
Hier hat sich zum Glück in den letzten Jahren Grundlegendes geändert.
Dies ist z.B. ein recht gutes Fachbuch, das den
state of the art abbildet - allerdings finde ich die Formulierungen ungünstig und unpräzise, mit denen auf der Seite des DÄV der Buchinhalt charakterisiert wird:
http://www.aerzteverlag.de/buecher/buch.asp?id=1942
ZitatDann wurde erst mal zugewartet, und erst wenn dann keine Besserung eintrat, erfolgte eine ausgedehntere Diagnostik.
Natürlich gibt es die so genannten "funktionellen Störungen" (ohne belastbare klinische Befunde); aber es ist fahrlässig, zunächst alles in die psychosomatische Schublade zu stecken und keine adäquate Basisdiagnostik durchzuführen.
Wenn allerdings jemand mit einer dicken Patientenakte kommt und schon ohne auffällige Befunde von Pontius zu Pilatus gewandert ist, dann sollte man doch in diese Richtung denken.
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-001pl_S3_Nicht-spezifische_funktionelle_somatoforme_Koerperbeschwerden_2012-12.pdf
Stress kann natürlich
alle Beschwerden verschlimmern - auch überwiegend somatisch verursachte.
Bekomme ich jetzt einen Gummi-Punkt?
[gelöscht durch Administrator]
Hallo,
Zitat von: MrSpock am 09. September 2013, 15:56:46
Bekomme ich jetzt einen Gummi-Punkt?
nur, wenn du glaubhaft versichern kannst, daß du das nicht gegoogelt hast...
...ach, was, ich will mal nicht so sein:
.Er ist auch ganz sicher aus Gummi...
Klar gibt es das - die Frage für mich ist nur inwieweit die Modelle zutreffen. Und ein Problem ist natürlich das Abschieben auf psychosomatische und Psychodiagnosen nur weil man nichts findet.
Zitat von: WalterE am 18. September 2013, 10:24:21
Und ein Problem ist natürlich das Abschieben auf psychosomatische und Psychodiagnosen nur weil man nichts findet.
Das umgekehrte Problem gibt es aber auch: behandeln, behandeln, behandeln -möglichst lukrativ und egal, ob konventionell oder komplementär.
Wie lange soll man suchen bzw wie viele Fachärzte müssen konsultiert sein, bis akzeptiert wird, dass man "nichts findet"?
Die oben verlinkte Leitlinie für Patienten ist da ganz erhellend:
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-001pl_S3_Nicht-spezifische_funktionelle_somatoforme_Koerperbeschwerden_2012-12.pdf
Zitat von: Wiesen-Sohle am 09. September 2013, 15:16:18
Gibt es sowas wie Psychosomatik wirklich?
Ich behaupte, es gibt nichts anderes. Die Psyche ist nämlich ein Körperteil.
Zitat von: sweeper am 18. September 2013, 10:34:12
Zitat von: WalterE am 18. September 2013, 10:24:21
Und ein Problem ist natürlich das Abschieben auf psychosomatische und Psychodiagnosen nur weil man nichts findet.
Wie lange soll man suchen bzw wie viele Fachärzte müssen konsultiert sein, bis akzeptiert wird, dass man "nichts findet"?
Thema Fachärzte:
finde ich zum beispiel bei der Schilddrüsendiagnostik und insgesamt in der Endokrinologie besonders ulkig.
Meine Erfahrung: bis da mal jemand den Allerwertesten hochkriegt und die unzureichenden Testergebnisse des Vorgängers oder von vor zwei Jahren oder länger überprüft oder hinterfragt kann man zu 5 von solchen Spezialisten gehen.
Am tollsten habe ich es in der Uniklinik Mainz erfahren. Vollpfosten begann die Untersuchung mit den Worten, alles wäre bestens, er hätte 30 Jahre Erfahrung und diejenigen, deren Untersuchungen ich überprüft haben wollte, wären seine besten SchülerInnen gewesen.
Die Schilddrüsenpräparate könnten in der bisherigen Dosis (Empfehlung des Hausarztes) nicht wirken, wären Placebo usw.
Anschließend etwas von Einbildung, Psychotherapie und ggf. Psychosomatik geblubbert und darauf verwiesen, dass noch andere Patienten draußen wären - das waren vielleicht 5 Minuten "Untersuchung".
.... und ja, Schilddrüsenmedikamente wirken, weil für deren Wikung nicht mein Körpergewicht, sondern allenfalls die Masse der Schilddrüse entscheidend ist, und/oder deren Wirkungsweise....
Die Empfehlung zu geistigen Sphären kommt mir zu schnell, wenn es eben um klar körperliche Beschwerden geht, die eben eingehender Untersuchungen bedürfen.
Edit: aber was das kostet, da könnte ja jeder kommen, wenn das alle täten... Fuck Off.
Edit 2: und der psychotherapeut meinte nur verächtlich: "Wenn sie glauben, dass das Schlucken von Schilddrüsenpräparaten hilft, anstatt das Problem an der Wurzel anzugehen, dann irren Sie, das ist nur Symptombehandlung." - natürlich unterstellend, die Psyche sei die Wurzel meiner Schilddrüse..... Das Ansehen von Heilberufen schwindet bei mir seit Jahren.
Zitat von: Homeboy am 18. September 2013, 19:17:42
Anschließend etwas von Einbildung, Psychotherapie und ggf. Psychosomatik geblubbert und darauf verwiesen, dass noch andere Patienten draußen wären - das waren vielleicht 5 Minuten "Untersuchung".
So ein A
ber
dasworts
agtmandoch
nicht. >:(
ZitatVollpfosten begann die Untersuchung mit den Worten, alles wäre bestens, er hätte 30 Jahre Erfahrung und diejenigen, deren Untersuchungen ich überprüft haben wollte, wären seine besten SchülerInnen gewesen.
Ach je. Da hattest Du die Schlacht schon verloren, bevor sie begonnen hatte.
@Wiesen-Sohle: dass psychosomatische "Störungen" existieren und schwerwiegend sein können, bezweifelt wohl niemand. Ich kann mit monatelangen Magenschmerzen, Schlafproblemen und Herzrhythmusstörungen aufwarten. Stressbedingt.
Zitat von: Tezcatlipoca am 18. September 2013, 20:33:44
Zitat von: Homeboy am 18. September 2013, 19:17:42
Anschließend etwas von Einbildung, Psychotherapie und ggf. Psychosomatik geblubbert und darauf verwiesen, dass noch andere Patienten draußen wären - das waren vielleicht 5 Minuten "Untersuchung".
So ein Aberdaswortsagtmandochnicht. >:(
Medizin wäre super, wenn nur diese Patienten nicht wären, die stören einfach bei der Arbeit.
Zitat von: Tezcatlipoca am 18. September 2013, 20:33:44
ZitatVollpfosten begann die Untersuchung mit den Worten, alles wäre bestens, er hätte 30 Jahre Erfahrung und diejenigen, deren Untersuchungen ich überprüft haben wollte, wären seine besten SchülerInnen gewesen.
Ach je. Da hattest Du die Schlacht schon verloren, bevor sie begonnen hatte.
Interessante Metapher, nur gehe ich da nicht hin um zu kämpfen, sondern um meine Symptomatik zu erforschen/aufzuklären und entsprechend anzugehen, sprich heilen oder lindern.
Ein anderer Arzt sagte mir zu dieser Episode: da will wohl jemand Geld verdienen.
Zitat von: Tezcatlipoca am 18. September 2013, 20:33:44
@Wiesen-Sohle: dass psychosomatische "Störungen" existieren und schwerwiegend sein können, bezweifelt wohl niemand. Ich kann mit monatelangen Magenschmerzen, Schlafproblemen und Herzrhythmusstörungen aufwarten. Stressbedingt.
Das mit der Psychosomatik ist ziemlich schwierig. Sind Regelkreise wie in der Ökologie, selbstverstärkend, dämpfend, ausbrechend, prädisponierend etc, und alles bunt gemischt und das alles hart gedeckelt von der Biophysik, wo es dann auch wieder Regelkreise gibt. Die natürlich interagieren. Oder auch nicht. Oben drauf die semantische Vielfältigkeit des Begriffes.
Klassischerweise ist damit jeder erstmal überfordert, wenn er tatsächlich verstehen will. Als Erstes ist es schon mal super, wenn man überhaupt in der Lage ist, zu erkennen wie komplex das ist, zu erkennen, dass Erklärungsmodelle immer nur Teilaspekte betrachten, diese deswegen nicht falsch sein müssen aber können - aber eben auch nicht umfassend erklärend.
So ist das halt mit Metaphern...
ZitatEin anderer Arzt sagte mir zu dieser Episode: da will wohl jemand Geld verdienen.
Jawohl, und dafür hätte ich einen Rationalisierungsvorschlag, der einen Patientendurchsatz von 10 - 20 Stück pro Minute ermöglicht:
"
Guten Tag, der Nächste bitte!"
Zitat von: Tezcatlipoca am 18. September 2013, 20:49:58
So ist das halt mit Metaphern...
ZitatEin anderer Arzt sagte mir zu dieser Episode: da will wohl jemand Geld verdienen.
Jawohl, und dafür hätte ich einen Rationalisierungsvorschlag, der einen Patientendurchsatz von 10 - 20 Stück pro Minute ermöglicht:
"Guten Tag, der Nächste bitte!"
Die mangelnde Vergütung ausführlicher Therapie-Gespräche in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die begünstigte Situation der Homöopathen auf diesem Sektor wurde bereits in diversen Threads thematisiert.
Über pauschales Ärzte-Bashing sollte man hier eigentlich hinaus sein.
Zitat von: Hildegard am 19. September 2013, 15:23:50
Über pauschales Ärzte-Bashing sollte man hier eigentlich hinaus sein.
Sollten wir evtl. über die Bedeutung von "pauschal" diskutieren? ::)
Meine Zielperson hat sich diese Boshaftigkeit wohl verdient, will mir scheinen.