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Deutsch => Allgemeine Diskussionen => Skeptisches Denken => Thema gestartet von: Morgaine am 25. Juni 2013, 03:53:37

Titel: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 03:53:37
Der Nocebo-Effekt:

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/39389

http://www.sueddeutsche.de/wissen/gebrochene-herzen-tod-aus-der-seele-1.270855-2


... deucht mich fast besser erforscht als der Placebo-Effekt:


http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-52032649.html


Somit ist es fast logisch, daß Esoterik bei Menschen, die nicht über entsprechendes Hintergrundwissen verfügen, auf fruchtbaren Boden fällt (?).
Wenn denn schon Vodoo (Nocebo-Beispiel) "wirkt"  ;) - nur "wirkt" es anders als die Esoteriker annehmen.
Ganz ähnlich verhält es sich mit den vielfältigen Arten von Placebos.

Ich beschäftige mich immer noch mit den Hintergründen, wieso Menschen der Esoterik (im weitesten Sinne) verfallen können/ wollen ... .

Oft höre ich die Erklärung: "es ist doch egal, hauptsache der Kranke ist wieder gesund/ irgendwas hat gewirkt".
Grrr ...

Weitergehende Forschung hat gezeigt, daß ein Placebo auch wirkt, wenn es ganz transparent gehändelt wird - Visualisierung/ Imagination in vielfältiger Form sind schon lange Methoden verschiedener anerkannter Psychotherapieformen.

Das Hauptproblem ist die Attribution - scheint mir?


Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: bayle am 25. Juni 2013, 06:32:29
Placebo ist hier öfter mal Thema:
http://forum.psiram.com/index.php?topic=10053.0
http://blog.psiram.com/2013/02/die-wunderkraft-des-placebo/

Der erste Beitrag
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/39389
beginnt mit einer Voodoo-Szene. Tod vor Schreck oder aus psychischer Ursache wird so oft kolportiert, dass es aussieht, als handele es sich dabei um eine leibhaftige Wahrheit. Selbst wenn es plausible Fallgeschichten geben sollte (woran ich zweifle) – auf Einzelschicksale können wir keine Rücksicht nehmen, oder vornehmer: Anekdoten sind nicht Daten.

ZitatDer Frankfurter Chirurg Bernd Hontschik zählt zu den seltenen Medizinern, die das duale Weltbild von Ursache und Wirkung anzweifeln.
Und hoffentlich bleibt es dabei, dass solche Mediziner selten sind.

Zitat»Der Schaden durch Nocebos geht in die Milliarden«, sagt Manfred Schedlowski, Psychologe an der Universität Essen. »Viele Menschen nehmen ihre Medikamente aus Angst vor möglichen Nebenwirkungen nicht ein – Ärzte müssten viel besser darüber aufklären.« Schedlowski ärgert sich, dass kaum ein Mediziner seinen Patienten die beruhigende Wahrheit sagt ....
Ein kluger Mann, dieser Schedlowski :gaehn:. 

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 03:53:37
Weitergehende Forschung hat gezeigt, daß ein Placebo auch wirkt, wenn es ganz transparent gehändelt wird - Visualisierung/ Imagination in vielfältiger Form sind schon lange Methoden verschiedener anerkannter Psychotherapieformen.
Nur eben nicht bei organischen Krankheiten, zumindest nicht wirklich.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 06:57:25
Hmmm ...

Du würdest also postulieren, daß organische Krankheiten vollkommen unabhängig von der Erwartungshaltung des Kranken und seinen Attributionen, seinen Ressourcen und den (direkten und indirekten) Botschaften des Arztes ablaufen?
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: bayle am 25. Juni 2013, 07:02:45
Im Prinzip ja. Und es ist kein Postulat.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:21:08
Wie passiert es dann, daß immer wieder Menschen entgegen der krankheitsbezogenen Prognose gesunden bzw. versterben?

Die (ganz persönlichen) Attributionen gehen dann von: "ich habe Glück gehabt" über "der Arzt war genial"/ "bei mir haben die Medikamente gut angeschlagen"/ "ich habe die Ernährung umgestellt"/ "hab aufgehört zu rauchen"/ "hab mein Leben geordnet" bis hin zu "ich hab mich selbst erkannt"/ "Gott hat mir geholfen" und alle esoterischen Paradigmen quer Beet.

Es gibt ja nun Menschen, die zum Sterben nach Hause entlassen wurden und die tatsächlich wieder komplett gesundeten (als krassestes Beispiel), genauso wie die, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen einen Tag vor der Entlassung aus dem Krankenhaus starben (auch nur ein Beispiel).
Erstere landen nicht selten bei der Esoterik/ in der Kirche o.ä., weil die evidenzbasierte Medizin keine Erklärung anbietet ... .

Die Hirnforschung hat da doch schon einiges herausgefunden: (ca. ab 7. Minute) http://www.youtube.com/watch?v=raSNXCrJBkE
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Robert am 25. Juni 2013, 07:33:13
Zitat
Auch die deutschen Mediziner lassen oft das nötige Feingefühl vermissen. Im Sommer 2012 druckte das Deutsche Ärzteblatt deshalb eine Sammlung von Sätzen, mit denen sie ihren Patienten Schaden zufügen. Besonders im Klinikalltag unterlaufen unbedachte Äußerungen, die hilfreich gemeint sind, aber fatale Wirkungen auslösen können. Ängstliche Patienten legen jedes Wort auf die Goldwaage. Murmelt der Arzt beim Ultraschall der Schwangeren, dass der Kopf des Babys »etwas groß sei«, vermuten die eben noch hoffnungsvollen Eltern sofort einen Wasserkopf und schwere Behinderungen. Sätze wie »Vielleicht hilft dieses Medikament ja« oder »Probieren wir mal dieses Mittel« reichen, um Patienten in tiefe Unsicherheit zu stürzen. Anschaulich gemeinter Fachjargon (»Wir schneiden Sie jetzt in viele dünne Scheiben« vor der Computertomografie) oder eine missverständliche Entwarnung (»Die Suche nach Metastasen verlief negativ«) lösen im Krankenbett eher Sorgen aus. »Wir machen Sie jetzt fertig«, mag eine unter Pflegern übliche Äußerung dafür sein, wenn Patienten auf eine Operation vorbereitet werden, ebenso wie »wir schläfern Sie jetzt ein« vor der Narkose. Aber auch diese Bemerkungen beunruhigen Patienten unnötig. Das gilt auch für negative Suggestionen wie: »Sie sind ein Risikopatient« oder »Ihr Rückenmark wird sonst abgequetscht«. Und durch ungeschickte Fragen werden sie – ähnlich wie beim Studium des Beipackzettels – überhaupt erst auf Nebenwirkungen aufmerksam gemacht: »Ist Ihnen übel?« oder »Rühren Sie sich, wenn Sie Schmerzen haben« gehören dazu. Wenig beruhigend wirken auch Verneinungen, die dennoch den negativen Aspekt betonen: »Sie brauchen jetzt keine Angst zu haben« oder »Das blutet jetzt ein bisschen«.

Selbst Ärzte, denen dieses Problem bewusst ist, befinden sich in einem Dilemma: Schließlich sind auch sie dazu verpflichtet, möglichst umfassend über mögliche Risiken und Nebenwirkungen von Eingriffen und Therapien zu sprechen – doch die mehrseitigen Aufklärungsbögen und Beipackzettel verunsichern Patienten eher, als dass sie beruhigen. Eine Studie aus dem Jahr 2011 ergab, dass auch in diesem Fall Patienten, die beim sogenannten Aufklärungsgespräch ausführlicher über lästige, aber ungefährliche Nebenwirkungen aufgeklärt wurden, häufiger unter genau jenen Nebenwirkungen litten.

Ich halte diese Beispiele für maßlos übertrieben. Das zeigt lediglich, dass es zu viel Unwissenheit unter Patienten gibt.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:37:11
Meinst Du fachliche, Krankheitsbild-bezogene Unsicherheit?
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Robert am 25. Juni 2013, 07:37:32
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:21:08
Wie passiert es dann, daß immer wieder Menschen entgegen der krankheitsbezogenen Prognose gesunden bzw. versterben?

Die (ganz persönlichen) Attributionen gehen dann von: "ich habe Glück gehabt" über "der Arzt war genial"/ "bei mir haben die Medikamente gut angeschlagen"/ "ich habe die Ernährung umgestellt"/ "hab aufgehört zu rauchen"/ "hab mein Leben geordnet" bis hin zu "ich hab mich selbst erkannt"/ "Gott hat mir geholfen" und alle esoterischen Paradigmen quer Beet.

Es gibt ja nun Menschen, die zum Sterben nach Hause entlassen wurden und die tatsächlich wieder komplett gesundeten (als krassestes Beispiel), genauso wie die, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen einen Tag vor der Entlassung aus dem Krankenhaus starben (auch nur ein Beispiel).
Erstere landen nicht selten bei der Esoterik/ in der Kirche o.ä., weil die evidenzbasierte Medizin keine Erklärung anbietet ... .

Die Hirnforschung hat da doch schon einiges herausgefunden: (ca. ab 7. Minute) http://www.youtube.com/watch?v=raSNXCrJBkE

Krankheiten verlaufen nunmal nicht immer so, wie es im Lehrbuch steht.

Natürlich kann die Befindlichkeit den Krankheitsverlauf beeinflussen. Zum Bsp. wirkt Dauerstress über die Corticoidfreisetzung dämpfend auf das Immunsystem und erhöht u.U. den Blutdruck.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: bayle am 25. Juni 2013, 07:40:25
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:21:08
Wie passiert es dann, daß immer wieder Menschen entgegen der krankheitsbezogenen Prognose gesunden bzw. versterben?
Prognosen sind immer statistische Aussagen, sie können Wahrscheinlichkeiten vermitteln, aber keine Gewissheiten.

ZitatEs gibt ja nun Menschen, die zum Sterben nach Hause entlassen wurden und die tatsächlich wieder komplett gesundeten (als krassestes Beispiel)
Einfachste Erklärung: Fehldiagnose. Nobody is perfect.

Zitatgenauso wie die, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen einen Tag vor der Entlassung aus dem Krankenhaus starben (auch nur ein Beispiel).
Was heißt "nicht nachvollziehbar"? Die Autopsie hat keine Todesursache aufgedeckt? Kommt vor, wenn auch nicht häufig. Gemeint ist wahrscheinlich eher: "nicht vorhergesehen"; ja.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Robert am 25. Juni 2013, 07:40:49
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:37:11
Meinst Du fachliche, Krankheitsbild-bezogene Unsicherheit?

Ja, und die Neigung, Worte auf die Goldwaage zu legen. Wenn der Arzt irgendwas sagt, was man nicht versteht, hat man einen Mund zum Nachfragen.

Wenn der Arzt sowas wie " Es blutet ein bisschen" schon nicht mehr sagen kann, was bitte kann er dann überhaupt noch sagen? Meine Güte, da wird ein ganz schöner Popanz aufgebaut.....
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:50:09
Zitat von: bayle am 25. Juni 2013, 07:40:25
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:21:08
Wie passiert es dann, daß immer wieder Menschen entgegen der krankheitsbezogenen Prognose gesunden bzw. versterben?
Prognosen sind immer statistische Aussagen, sie können Wahrscheinlichkeiten vermitteln, aber keine Gewissheiten.

ZitatEs gibt ja nun Menschen, die zum Sterben nach Hause entlassen wurden und die tatsächlich wieder komplett gesundeten (als krassestes Beispiel)
Einfachste Erklärung: Fehldiagnose. Nobody is perfect.

Zitatgenauso wie die, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen einen Tag vor der Entlassung aus dem Krankenhaus starben (auch nur ein Beispiel).
Was heißt "nicht nachvollziehbar"? Die Autopsie hat keine Todesursache aufgedeckt? Kommt vor, wenn auch nicht häufig. Gemeint ist wahrscheinlich eher: "nicht vorhergesehen"; ja.

Nein, es ging nicht um Fehldiagnosen - die (somatischen und absolut eindeutigen) Fälle, die ich persönlich kenne, sind nachgewiesen (und bereiten mir enormes Kopfzerbrechen).
Die Attributionen der Betroffenen gehen bestenfalls in Richtung "Riesenglück", "starker Wille", schlechtestenfalls in Richtung Esoterik, aber niemand/ kaum jemand nimmt die angebotene Attribution der Prozesse im Gehirn an ... .


Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:55:26
Zitat von: Robert am 25. Juni 2013, 07:40:49
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:37:11
Meinst Du fachliche, Krankheitsbild-bezogene Unsicherheit?

Ja, und die Neigung, Worte auf die Goldwaage zu legen. Wenn der Arzt irgendwas sagt, was man nicht versteht, hat man einen Mund zum Nachfragen.

Wenn der Arzt sowas wie " Es blutet ein bisschen" schon nicht mehr sagen kann, was bitte kann er dann überhaupt noch sagen? Meine Güte, da wird ein ganz schöner Popanz aufgebaut.....

Da bin ich absolut anderer Ansicht (ich habe erlebt, wie ich selbst und andere quasi "verdummen", wenn es um einen selbst oder die eigenen Kinder geht - obwohl man vom Fach ist und "es eigentlich besser wissen müßte"; wie "anfällig" sind dann erst Menschen, die überhaupt keine Grundkenntnisse haben und sich ggfs. zusätzlich befangen fühlen?).
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:58:28
doppelt gepostet ...  :-[
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Robert am 25. Juni 2013, 08:04:43
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:55:26
Zitat von: Robert am 25. Juni 2013, 07:40:49
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:37:11
Meinst Du fachliche, Krankheitsbild-bezogene Unsicherheit?

Ja, und die Neigung, Worte auf die Goldwaage zu legen. Wenn der Arzt irgendwas sagt, was man nicht versteht, hat man einen Mund zum Nachfragen.

Wenn der Arzt sowas wie " Es blutet ein bisschen" schon nicht mehr sagen kann, was bitte kann er dann überhaupt noch sagen? Meine Güte, da wird ein ganz schöner Popanz aufgebaut.....

Da bin ich absolut anderer Ansicht (ich habe erlebt, wie ich selbst und andere quasi "verdummen", wenn es um einen selbst oder die eigenen Kinder geht - obwohl man vom Fach ist und "es eigentlich besser wissen müßte"; wie "anfällig" sind dann erst Menschen, die überhaupt keine Grundkenntnisse haben und sich ggfs. zusätzlich befangen fühlen?).

Und ich habe es eben anders erlebt. Und nun?

Wie erklärst Du denn die wundersame Gesundung des als final entlassenen Patienten? Das hat doch nichts mit Nocebos zu tun.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: bayle am 25. Juni 2013, 08:05:44
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:50:09
Nein, es ging nicht um Fehldiagnosen - die (somatischen und absolut eindeutigen) Fälle, die ich persönlich kenne, sind nachgewiesen (und bereiten mir enormes Kopfzerbrechen).
Mehr Details bitte.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 08:22:11
Zitat von: bayle am 25. Juni 2013, 08:05:44
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:50:09
Nein, es ging nicht um Fehldiagnosen - die (somatischen und absolut eindeutigen) Fälle, die ich persönlich kenne, sind nachgewiesen (und bereiten mir enormes Kopfzerbrechen).
Mehr Details bitte.

1.
Not-OP wg. Ileus im Rahmen eines Darmkarzinoms - postoperativ starke Zyanose usw. (Extremraucher, konnte nicht abhusten usw.) - Beatmung - wochenlang Koma mit katastrophalen PCo2 Werten/ überhaupt Blutwerten, 7 Reanimationen - Ärzte sind überzeugt, daß Patient nie mehr aus dem Koma kommt und falls das "wie durch ein Wunder" doch geschehen sollte, dann sei das Gehirn "platt" (stärkste geistige Behinderung), man solle ihn sterben lassen (das verweigerten die Angehörigen, sie kümmerten sich Tag und Nacht um den Patienten im Krankenhaus) - der Patient lebte 15 weitere Jahre völlig beschwerdefrei und ohne Einschränkungen zu Hause und starb an etwas anderem

2.
Krebspatientin - zunächst Brustkrebs - Chemo - keine Besserung -  Metastasen (zum Schluß fast überall, auch die Knochen waren befallen) - auf eigenen Wunsch nach Hause entlassen, Pflege durch die Angehörigen und Versorgung durch den Hausarzt gewährleistet, die Prognose betrug wenige Tage - Patientin gesundete zu Hause und lebt seitdem 11 Jahre ohne weitere gesundheitliche "Vorkommnisse"

Das waren die extremsten Fälle, die ich persönlich kenne, etwas weniger dramatische hätte ich auch noch, aber diese beiden lassen mich nicht los ... .
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Robert am 25. Juni 2013, 08:25:01
sog. Vooadootod: http://www.meduniwien.ac.at/med_audiovisuals/Seminare/Powerpoint/SymbolischesHeilen-I/VooDoo%20Death.pdf
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 08:26:05
Zitat von: Robert am 25. Juni 2013, 08:04:43
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:55:26
Zitat von: Robert am 25. Juni 2013, 07:40:49
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 07:37:11
Meinst Du fachliche, Krankheitsbild-bezogene Unsicherheit?

Ja, und die Neigung, Worte auf die Goldwaage zu legen. Wenn der Arzt irgendwas sagt, was man nicht versteht, hat man einen Mund zum Nachfragen.

Wenn der Arzt sowas wie " Es blutet ein bisschen" schon nicht mehr sagen kann, was bitte kann er dann überhaupt noch sagen? Meine Güte, da wird ein ganz schöner Popanz aufgebaut.....

Da bin ich absolut anderer Ansicht (ich habe erlebt, wie ich selbst und andere quasi "verdummen", wenn es um einen selbst oder die eigenen Kinder geht - obwohl man vom Fach ist und "es eigentlich besser wissen müßte"; wie "anfällig" sind dann erst Menschen, die überhaupt keine Grundkenntnisse haben und sich ggfs. zusätzlich befangen fühlen?).

Und ich habe es eben anders erlebt. Und nun?

Wie erklärst Du denn die wundersame Gesundung des als final entlassenen Patienten? Das hat doch nichts mit Nocebos zu tun.

Ich habe keine Erklärung (und das ärgert mich sehr) - ich denke in Richtung radikaler Konstruktivismus und Hirnforschung und bin für weitere wissenschaftliche Erklärungsansätze offen.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 08:33:36
Zitat von: Robert am 25. Juni 2013, 08:25:01
sog. Vooadootod: http://www.meduniwien.ac.at/med_audiovisuals/Seminare/Powerpoint/SymbolischesHeilen-I/VooDoo%20Death.pdf

Habs kurz überschlagen (werds noch mal genauer lesen - bin im Zeitdruck), danke.

Es gibt ja einige "Pänomene" in dieser Richtung (ebenfalls die Experimente aus dem kalten Krieg bis hin zum hier schon mehrfach geschilderten Rosenthal-Effekt uvm.), die schon recht alt sind.

Vielleicht ermöglicht die recht junge Hirnforschung samt ihrer neuen Verfahren ja irgendwann einen genaueren Einblick und räumt mit alten Konstrukten auf (?) ... .

Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: P.G. am 25. Juni 2013, 09:37:00
Wissenschaftlich wäre es, von einer ganz einfachen Erklärung auszugehen und zu suchen und nicht zu versuchen, anhand von Zeitungsartikeln und Joachim Bubblath eine nobelpreisverdächtige Entdeckung zu machen.
Nur so als Denkanstoss: In der Psychiatrie habe ich immer wieder mal mit Menschen zu tun, die mal sterbenskrank waren und plötzlich geheilt waren oder aktuell an Krebs, Aids etc. erkrankt sind. Irgendwann stößt man dann auf verschiedene Ungereimtheiten.....
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: KranzFonz am 25. Juni 2013, 09:46:59
Zitat von: Robert am 25. Juni 2013, 07:33:13
Zitat
Auch die deutschen Mediziner lassen oft das nötige Feingefühl vermissen. Im Sommer 2012 druckte das Deutsche Ärzteblatt deshalb eine Sammlung von Sätzen, mit denen sie ihren Patienten Schaden zufügen. Besonders im Klinikalltag unterlaufen unbedachte Äußerungen, die hilfreich gemeint sind, aber fatale Wirkungen auslösen können. Ängstliche Patienten legen jedes Wort auf die Goldwaage. Murmelt der Arzt beim Ultraschall der Schwangeren, dass der Kopf des Babys »etwas groß sei«, vermuten die eben noch hoffnungsvollen Eltern sofort einen Wasserkopf und schwere Behinderungen. Sätze wie »Vielleicht hilft dieses Medikament ja« oder »Probieren wir mal dieses Mittel« reichen, um Patienten in tiefe Unsicherheit zu stürzen. Anschaulich gemeinter Fachjargon (»Wir schneiden Sie jetzt in viele dünne Scheiben« vor der Computertomografie) oder eine missverständliche Entwarnung (»Die Suche nach Metastasen verlief negativ«) lösen im Krankenbett eher Sorgen aus. »Wir machen Sie jetzt fertig«, mag eine unter Pflegern übliche Äußerung dafür sein, wenn Patienten auf eine Operation vorbereitet werden, ebenso wie »wir schläfern Sie jetzt ein« vor der Narkose. Aber auch diese Bemerkungen beunruhigen Patienten unnötig. Das gilt auch für negative Suggestionen wie: »Sie sind ein Risikopatient« oder »Ihr Rückenmark wird sonst abgequetscht«. Und durch ungeschickte Fragen werden sie – ähnlich wie beim Studium des Beipackzettels – überhaupt erst auf Nebenwirkungen aufmerksam gemacht: »Ist Ihnen übel?« oder »Rühren Sie sich, wenn Sie Schmerzen haben« gehören dazu. Wenig beruhigend wirken auch Verneinungen, die dennoch den negativen Aspekt betonen: »Sie brauchen jetzt keine Angst zu haben« oder »Das blutet jetzt ein bisschen«.

Selbst Ärzte, denen dieses Problem bewusst ist, befinden sich in einem Dilemma: Schließlich sind auch sie dazu verpflichtet, möglichst umfassend über mögliche Risiken und Nebenwirkungen von Eingriffen und Therapien zu sprechen – doch die mehrseitigen Aufklärungsbögen und Beipackzettel verunsichern Patienten eher, als dass sie beruhigen. Eine Studie aus dem Jahr 2011 ergab, dass auch in diesem Fall Patienten, die beim sogenannten Aufklärungsgespräch ausführlicher über lästige, aber ungefährliche Nebenwirkungen aufgeklärt wurden, häufiger unter genau jenen Nebenwirkungen litten.

Ich halte diese Beispiele für maßlos übertrieben. Das zeigt lediglich, dass es zu viel Unwissenheit unter Patienten gibt.

Worte werden in vielen Bereichen absichtlich zur Manipulation genutzt, z.B. in der Werbung. Texter vermeiden Wörter wie "Angst" oder "Risiko", wenn sie positive Gefühle hervorrufen wollen. Mitarbeiter im Callcenter lernen Negativwortlisten und Ablaufpläne, um bspw. ärgerliche Anrufer lammfromm zu machen. Ich habe das selbst einmal ausprobieren dürfen und muss sagen: Es funktioniert tadellos.

Warum sollten die Worte nicht auch wirken, wenn sie unabsichtlich genutzt werden? Ich kann zwar nichts dazu sagen, inwieweit Negativwörter medizinisch wirken. Aber wenn ein Patient Angst hat, bin ich davon überzeugt, dass der Arzt die Angst durch oben genannte Beispiele verstärken kann. Und umgekehrt kann der Arzt Angst nehmen, indem er nicht sagt "Sie brauchen jetzt keine Angst zu haben.", sondern "Sie sind bei mir in guten Händen. Ich habe das schon 1000 mal gemacht.". Das allein sollte eigentlich schon reichen, dass ein Arzt seine Wortwahl überdenkt.

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 08:26:05
Ich habe keine Erklärung (und das ärgert mich sehr) - ich denke in Richtung radikaler Konstruktivismus und Hirnforschung und bin für weitere wissenschaftliche Erklärungsansätze offen.

Das erscheint mir als eines der Hauptprobleme zu sein, warum Menschen so leichtgläubig sind. Sie können ohne Erklärung nicht leben. Menschen wollen Antworten. Haben sie eine Antwort gefunden, versuchen sie, einen Beweis dafür zu finden. Dabei sollte es doch umgekehrt sein, dass man erst Untersuchungen anstellt und anschließend Schlüsse daraus zieht, auch auf die Gefahr hin, keine Antwort zu erhalten.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Groucho am 25. Juni 2013, 10:12:59
Zitat von: KranzFonz am 25. Juni 2013, 09:46:59
Und umgekehrt kann der Arzt Angst nehmen, indem er nicht sagt "Sie brauchen jetzt keine Angst zu haben.", sondern "Sie sind bei mir in guten Händen. Ich habe das schon 1000 mal gemacht.". Das allein sollte eigentlich schon reichen, dass ein Arzt seine Wortwahl überdenkt.

"Sie brauchen keine Angst haben, schließlich muss jeder mal sterben. Und ich hatte sogar mal einen Patienten mit ihrer Erkrankung, den ich fast heilen konnte, bis er starb."

Zitat
Das erscheint mir als eines der Hauptprobleme zu sein, warum Menschen so leichtgläubig sind. Sie können ohne Erklärung nicht leben.

Nennt sich Ambiguitätstoleranz. Hat nicht jeder.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: bayle am 25. Juni 2013, 11:36:01
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 08:22:11
Not-OP wg. Ileus im Rahmen eines Darmkarzinoms - postoperativ starke Zyanose usw. (Extremraucher, konnte nicht abhusten usw.) - Beatmung - wochenlang Koma mit katastrophalen PCo2 Werten/ überhaupt Blutwerten, 7 Reanimationen - Ärzte sind überzeugt, daß Patient nie mehr aus dem Koma kommt und falls das "wie durch ein Wunder" doch geschehen sollte, dann sei das Gehirn "platt" (stärkste geistige Behinderung), man solle ihn sterben lassen (das verweigerten die Angehörigen, sie kümmerten sich Tag und Nacht um den Patienten im Krankenhaus) - der Patient lebte 15 weitere Jahre völlig beschwerdefrei und ohne Einschränkungen zu Hause und starb an etwas anderem
Gerade bei posthypoxischen Enzephalopathien ist eine gute Prognose-Einschätzung aus der klinischen Untersuchung heraus möglich. Wie waren die Pupillenreaktionen nach der Reanimation? War er wirklich ohne Sedierung tief komatös, mit fehlender gerichteter Abwehr, und ev. mit generalisierten Myoklonien?

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 08:22:11Krebspatientin - zunächst Brustkrebs - Chemo - keine Besserung -  Metastasen (zum Schluß fast überall, auch die Knochen waren befallen) - auf eigenen Wunsch nach Hause entlassen, Pflege durch die Angehörigen und Versorgung durch den Hausarzt gewährleistet, die Prognose betrug wenige Tage - Patientin gesundete zu Hause und lebt seitdem 11 Jahre ohne weitere gesundheitliche "Vorkommnisse"
Wo ist der Fall veröffentlicht? Er wäre es wert.

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 08:26:05
ich denke in Richtung radikaler Konstruktivismus
Ich nicht.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: bayle am 25. Juni 2013, 15:27:29
Auch noch zum Voodoo-Tod:
ZitatDer psychogene Tod ist in seiner Tatsächlichkeit nach wie vor umstritten. Rechtsmedizinische Post-mortem-Untersuchungen bieten im Einzelfall kaum Möglichkeiten, diese Form des Sterbens positiv zu belegen. Dazu kommt, dass sich dieses Phänomen, welches in indigenen Kulturen häufig beschrieben wurde, beim heutigen Zivilisationsmenschen zumindest ausgedünnt zu haben scheint, wozu ein Verlust des Partizipationserlebens, respektiv des magischen Denkens im Zuge der Bewusstseinsevolution beigetragen haben dürfte.
Hier habe ich Zweifel: die schlichtere Erklärung ist, dass das Publikum mit steigendem Bildungsstand einfach weniger wundergläubig ist und solche Berichte weniger goutiert. Ein Iraner, der seit langem in Deutschland lebt, hat mir einmal erschüttert erzählt, wie der Schwachsinn, den Ahmadinedshad öffentlich verkündet (,,in der UNO-Vollversammlung ein grünes Licht gesehen", ,,der Mond zeigt die Züge des Ajatollah Chomeini"), in den persischen Dörfern 1:1 geglaubt wird.
Zitat... Aufgrund verschiedener Indizien kann nicht ausgeschlossen werden, dass psychogene Todesfälle insbesondere bei Kulturfremden und in psychischen Extremsituationen auftreten können ....
[Knecht T: Der psychogene Tod. Fiktion oder Realität? Nervenheilkunde 2010; 29: 311-314]
Sehr vorsichtig – da hat sich der Autor keinesfalls in die Nesseln gesetzt.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Superkalifragilistisch am 25. Juni 2013, 15:46:30
ZitatWie sollte die Medizin weiter ehrlich praktiziert werden, wenn die Körper selbst zu lügen anfangen [...] Ein Symptom kann auftreten, aber falsch sein: Pseudo-Hemiplegie, Pseudo-Hypertropie etc. Eine Hysterische kann spontant von Stigmen befallen werden, zum Beispiel von einem Hautgangrän und nichts widerspricht dem, daß sie daran stirbt. Charcot hingegen wird sagen: Seid mißtrauisch, das war ein pseudo-Gangrän, ein »Doppelgänger« einer organischen Regung, »das wir zu enthüllen verstehen sollten.«
Und ihr Tod, sollte auch er nur der Doppelgänger eines echten Todes gewesen sein?
(Georges Didi-Huberman)

http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/DeathByDespair

Citizen One: Indeed and it was at that very moment that Rachel Jackson began to die of grief.
Citizen Two: Grief?
Citizen One: It's the nineteenth century. That's the kind of shit that happened then.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: bayle am 25. Juni 2013, 15:50:21
Und darf ich Dich um Deinen Kommentar dazu bitten, was den Realitätsgehalt Deiner Zitate angeht?
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 18:25:15
Zitat von: P.G. am 25. Juni 2013, 09:37:00
Wissenschaftlich wäre es, von einer ganz einfachen Erklärung auszugehen und zu suchen und nicht zu versuchen, anhand von Zeitungsartikeln und Joachim Bubblath eine nobelpreisverdächtige Entdeckung zu machen.
Nur so als Denkanstoss: In der Psychiatrie habe ich immer wieder mal mit Menschen zu tun, die mal sterbenskrank waren und plötzlich geheilt waren oder aktuell an Krebs, Aids etc. erkrankt sind. Irgendwann stößt man dann auf verschiedene Ungereimtheiten.....

Wissenschaftlich ist es, eine Hypothese aufzustellen, mit den entsprechenden Verfahren zu überprüfen und dann zu verwerfen oder ggfs. ein Paradigma zu überdenken.
Psychotherapieforschung hat da in den letzten Jahren (im Prinzip erst seit Grawe) einiges geleistet: Kommunikation, selektive Wahrnehmung und Attribution sind wesentlich stärker in den Fokus gerückt im Rahmen der Psychotherapieeffektstrukturen usw..
Und so lassen sich dann auch die gewissen Ungereimtheiten in der Psychiatrie erklären ... (allerdings habe ich da noch keine Krebs- oder Aidskranken erlebt, außer im Rahmen einer Psychose).
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 18:32:47
Zitat von: KranzFonz am 25. Juni 2013, 09:46:59
Zitat von: Robert am 25. Juni 2013, 07:33:13
Zitat
Auch die deutschen Mediziner lassen oft das nötige Feingefühl vermissen. Im Sommer 2012 druckte das Deutsche Ärzteblatt deshalb eine Sammlung von Sätzen, mit denen sie ihren Patienten Schaden zufügen. Besonders im Klinikalltag unterlaufen unbedachte Äußerungen, die hilfreich gemeint sind, aber fatale Wirkungen auslösen können. Ängstliche Patienten legen jedes Wort auf die Goldwaage. Murmelt der Arzt beim Ultraschall der Schwangeren, dass der Kopf des Babys »etwas groß sei«, vermuten die eben noch hoffnungsvollen Eltern sofort einen Wasserkopf und schwere Behinderungen. Sätze wie »Vielleicht hilft dieses Medikament ja« oder »Probieren wir mal dieses Mittel« reichen, um Patienten in tiefe Unsicherheit zu stürzen. Anschaulich gemeinter Fachjargon (»Wir schneiden Sie jetzt in viele dünne Scheiben« vor der Computertomografie) oder eine missverständliche Entwarnung (»Die Suche nach Metastasen verlief negativ«) lösen im Krankenbett eher Sorgen aus. »Wir machen Sie jetzt fertig«, mag eine unter Pflegern übliche Äußerung dafür sein, wenn Patienten auf eine Operation vorbereitet werden, ebenso wie »wir schläfern Sie jetzt ein« vor der Narkose. Aber auch diese Bemerkungen beunruhigen Patienten unnötig. Das gilt auch für negative Suggestionen wie: »Sie sind ein Risikopatient« oder »Ihr Rückenmark wird sonst abgequetscht«. Und durch ungeschickte Fragen werden sie – ähnlich wie beim Studium des Beipackzettels – überhaupt erst auf Nebenwirkungen aufmerksam gemacht: »Ist Ihnen übel?« oder »Rühren Sie sich, wenn Sie Schmerzen haben« gehören dazu. Wenig beruhigend wirken auch Verneinungen, die dennoch den negativen Aspekt betonen: »Sie brauchen jetzt keine Angst zu haben« oder »Das blutet jetzt ein bisschen«.

Selbst Ärzte, denen dieses Problem bewusst ist, befinden sich in einem Dilemma: Schließlich sind auch sie dazu verpflichtet, möglichst umfassend über mögliche Risiken und Nebenwirkungen von Eingriffen und Therapien zu sprechen – doch die mehrseitigen Aufklärungsbögen und Beipackzettel verunsichern Patienten eher, als dass sie beruhigen. Eine Studie aus dem Jahr 2011 ergab, dass auch in diesem Fall Patienten, die beim sogenannten Aufklärungsgespräch ausführlicher über lästige, aber ungefährliche Nebenwirkungen aufgeklärt wurden, häufiger unter genau jenen Nebenwirkungen litten.

Ich halte diese Beispiele für maßlos übertrieben. Das zeigt lediglich, dass es zu viel Unwissenheit unter Patienten gibt.

Worte werden in vielen Bereichen absichtlich zur Manipulation genutzt, z.B. in der Werbung. Texter vermeiden Wörter wie "Angst" oder "Risiko", wenn sie positive Gefühle hervorrufen wollen. Mitarbeiter im Callcenter lernen Negativwortlisten und Ablaufpläne, um bspw. ärgerliche Anrufer lammfromm zu machen. Ich habe das selbst einmal ausprobieren dürfen und muss sagen: Es funktioniert tadellos.

Warum sollten die Worte nicht auch wirken, wenn sie unabsichtlich genutzt werden? Ich kann zwar nichts dazu sagen, inwieweit Negativwörter medizinisch wirken. Aber wenn ein Patient Angst hat, bin ich davon überzeugt, dass der Arzt die Angst durch oben genannte Beispiele verstärken kann. Und umgekehrt kann der Arzt Angst nehmen, indem er nicht sagt "Sie brauchen jetzt keine Angst zu haben.", sondern "Sie sind bei mir in guten Händen. Ich habe das schon 1000 mal gemacht.". Das allein sollte eigentlich schon reichen, dass ein Arzt seine Wortwahl überdenkt.

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 08:26:05
Ich habe keine Erklärung (und das ärgert mich sehr) - ich denke in Richtung radikaler Konstruktivismus und Hirnforschung und bin für weitere wissenschaftliche Erklärungsansätze offen.

Das erscheint mir als eines der Hauptprobleme zu sein, warum Menschen so leichtgläubig sind. Sie können ohne Erklärung nicht leben. Menschen wollen Antworten. Haben sie eine Antwort gefunden, versuchen sie, einen Beweis dafür zu finden. Dabei sollte es doch umgekehrt sein, dass man erst Untersuchungen anstellt und anschließend Schlüsse daraus zieht, auch auf die Gefahr hin, keine Antwort zu erhalten.

Das wird aber kompliziert ... .
Wenn man "wirklich" ohne Antworten gut leben könnte (ist im Rahmen der Attributionsforschung eigentlich widerlegt), dann gäbe es nicht dieses große Interesse an Forschung. Es fällt ja schon ungemein schwer, damit zu leben, daß Antworten momentan nicht verfügbar sind.
Allerdings ist diese Art von Beweissuche ein großes Problem in der Esoterik - die kognitive Flexibilität läßt schnell nach, subjektiv "gefundene", unwissenschaftliche Antworten gehen schnell mit einer entsprechenden Konditionierung und Generalisierung einher und ein sich zementierender Tunnelblick mag entstehen.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 18:40:36
Zitat von: Groucho am 25. Juni 2013, 10:12:59
Zitat von: KranzFonz am 25. Juni 2013, 09:46:59
Und umgekehrt kann der Arzt Angst nehmen, indem er nicht sagt "Sie brauchen jetzt keine Angst zu haben.", sondern "Sie sind bei mir in guten Händen. Ich habe das schon 1000 mal gemacht.". Das allein sollte eigentlich schon reichen, dass ein Arzt seine Wortwahl überdenkt.

"Sie brauchen keine Angst haben, schließlich muss jeder mal sterben. Und ich hatte sogar mal einen Patienten mit ihrer Erkrankung, den ich fast heilen konnte, bis er starb."

Zitat
Das erscheint mir als eines der Hauptprobleme zu sein, warum Menschen so leichtgläubig sind. Sie können ohne Erklärung nicht leben.

Nennt sich Ambiguitätstoleranz. Hat nicht jeder.




Mein damaliger Statistikprofessor war der Überzeugung, Intelligenz sagt kaum was aus, der wahre Ansatzpunkt wäre die Ambiguitätstoleranz.
Aber Ambiguitätstoleranz wird leider auch mit Scheuklappen/ Festgefahrenheit und infolgedessen Desinteresse verwechselt ... .
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 19:45:04
Zitat von: bayle am 25. Juni 2013, 11:36:01
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 08:22:11
Not-OP wg. Ileus im Rahmen eines Darmkarzinoms - postoperativ starke Zyanose usw. (Extremraucher, konnte nicht abhusten usw.) - Beatmung - wochenlang Koma mit katastrophalen PCo2 Werten/ überhaupt Blutwerten, 7 Reanimationen - Ärzte sind überzeugt, daß Patient nie mehr aus dem Koma kommt und falls das "wie durch ein Wunder" doch geschehen sollte, dann sei das Gehirn "platt" (stärkste geistige Behinderung), man solle ihn sterben lassen (das verweigerten die Angehörigen, sie kümmerten sich Tag und Nacht um den Patienten im Krankenhaus) - der Patient lebte 15 weitere Jahre völlig beschwerdefrei und ohne Einschränkungen zu Hause und starb an etwas anderem
Gerade bei posthypoxischen Enzephalopathien ist eine gute Prognose-Einschätzung aus der klinischen Untersuchung heraus möglich. Wie waren die Pupillenreaktionen nach der Reanimation? War er wirklich ohne Sedierung tief komatös, mit fehlender gerichteter Abwehr, und ev. mit generalisierten Myoklonien?

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 08:22:11Krebspatientin - zunächst Brustkrebs - Chemo - keine Besserung -  Metastasen (zum Schluß fast überall, auch die Knochen waren befallen) - auf eigenen Wunsch nach Hause entlassen, Pflege durch die Angehörigen und Versorgung durch den Hausarzt gewährleistet, die Prognose betrug wenige Tage - Patientin gesundete zu Hause und lebt seitdem 11 Jahre ohne weitere gesundheitliche "Vorkommnisse"
Wo ist der Fall veröffentlicht? Er wäre es wert.

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 08:26:05
ich denke in Richtung radikaler Konstruktivismus
Ich nicht.

Der erste Fall ist zu lange her - sorry, so dezidiert weiß ich es nicht mehr.
(was hängengeblieben ist, sind hauptsächlich die Aussagen ...  ;) )

Der zweite Fall wurde öffentlich gemacht - leider kann ich das nicht beweisen (wäre Verletzung der Schweigepflicht).


Und ja, über Theorien kann man unterschiedlicher Ansicht sein.


Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: bayle am 25. Juni 2013, 20:28:22
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 19:45:04
Der erste Fall ist zu lange her - sorry, so dezidiert weiß ich es nicht mehr.
(was hängengeblieben ist, sind hauptsächlich die Aussagen ...  ;) )
Das ist leider bei den meisten solcher Berichte so. In diesem speziellen Fall bin ich mir sicher: ich hätte diese Details auch nach Jahren noch gewusst - bzw: ohne diese Details hätte ich mir den Fall gar nicht erst gemerkt.

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 19:45:04
Der zweite Fall wurde öffentlich gemacht - leider kann ich das nicht beweisen (wäre Verletzung der Schweigepflicht).
Hat dann nicht die Verletzung der Schweigepflicht schon in der Öffentlichmachung gelegen?

Zur Wahrscheinlichkeit solcher Geschichten: sie sind ja vielleicht nicht völlig unmöglich, wie auch Hauptgewinne im Lotto nicht unmöglich sind:
ZitatWahrscheinlichkeit bei etwa 1 zu 14 Millionen
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/spontanheilung-wenn-krebs-von-selbst-verschwindet-a-340774.html
(Ich spare mir jetzt mal, nach seriöseren Quellen zu suchen). Aber sie erschüttern noch kein Weltbild und lassen auch nicht an das Gehirn als den mächtigen Gesundmacher denken. Es hätte dazu sehr viel häufiger Gelegenheit. In Lourdes hatte diese Fähigkeit eine großartige Gelegenheit, sich zu manifestieren, und sie hat es auch zur Genüge getan. Nur leider ist die Wunderkraft der Quelle / des Gehirns inzwischen versiegt:
ZitatSome 1,200 cures were said to have been observed between 1858 and 1889, and about one hundred more each year during the "Golden Age" of Lourdes, 1890–1914. We studied 411 patients cured in 1909–14 and thoroughly reviewed the twenty-five cures acknowledged between 1947 and 1976. No cure has been certified from 1976 through 2006.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22843835

Nochmal zurück zur ersten Textstelle:
ZitatDie erfolglose Ursachenforschung hat nicht wenige Ärzte dazu bewegt, Spontanremissionen generell als Märchen zu werten. In manchen Fällen ist die Skepsis durchaus berechtigt. Wannenmacher etwa musste erst kürzlich im Fernsehen mit ansehen, wie die Erholung eines krebskranken Kindes als wundersame Spontanheilung dargestellt wurde, obwohl der kleine Patient eine konventionelle Krebstherapie hinter sich hatte. Die aber hatte die Mutter offenbar schlicht verdrängt.
Es scheint mir doch gerechtfertigt, bei außergewöhnlichen Ansprüchen auch außergewöhnlich gute Belege zu fordern.

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 19:45:04
Und ja, über Theorien kann man unterschiedlicher Ansicht sein.
Zweifellos. Es gibt richtige und falsche.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Hildegard am 25. Juni 2013, 21:03:34
Zitat von: Morgaine link=topic=11470.msg141231#msg141231
Aber Ambiguitätstoleranz wird leider auch mit Scheuklappen/ Festgefahrenheit und infolgedessen Desinteresse verwechselt ... .
Wie bitte? Ich habe genau das Gegenteil gelernt, nämlich dass kreative Menschen eine überdurchschnittlich Ambiguitätstoleranz aufweisen.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Groucho am 25. Juni 2013, 21:20:45
Zitat von: Hildegard am 25. Juni 2013, 21:03:34
Zitat von: Morgaine link=topic=11470.msg141231#msg141231
Aber Ambiguitätstoleranz wird leider auch mit Scheuklappen/ Festgefahrenheit und infolgedessen Desinteresse verwechselt ... .

Wie bitte? Ich habe genau das Gegenteil gelernt, nämlich dass kreative Menschen eine überdurchschnittlich Ambiguitätstoleranz aufweisen.

Verwechselt, das passt doch.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Gefährliche Bohnen am 25. Juni 2013, 22:21:19
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 18:32:47
Zitat
Das erscheint mir als eines der Hauptprobleme zu sein, warum Menschen so leichtgläubig sind. Sie können ohne Erklärung nicht leben.Menschen wollen Antworten. Haben sie eine Antwort gefunden, versuchen sie, einen Beweis dafür zu finden. Dabei sollte es doch umgekehrt sein, dass man erst Untersuchungen anstellt und anschließend Schlüsse daraus zieht, auch auf die Gefahr hin, keine Antwort zu erhalten.

Das wird aber kompliziert ... .
Wenn man "wirklich" ohne Antworten gut leben könnte (ist im Rahmen der Attributionsforschung eigentlich widerlegt), dann gäbe es nicht dieses große Interesse an Forschung. Es fällt ja schon ungemein schwer, damit zu leben, daß Antworten momentan nicht verfügbar sind.

Täusche ich mich, oder klingt das nach der von dir selbst festgestellten Verwechselung der Ambiguitätstoleranz mit Desinteresse?:

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 18:40:36
Zitat von: Groucho am 25. Juni 2013, 10:12:59
Zitat
Das erscheint mir als eines der Hauptprobleme zu sein, warum Menschen so leichtgläubig sind. Sie können ohne Erklärung nicht leben.

Nennt sich Ambiguitätstoleranz. Hat nicht jeder.


Mein damaliger Statistikprofessor war der Überzeugung, Intelligenz sagt kaum was aus, der wahre Ansatzpunkt wäre die Ambiguitätstoleranz.
Aber Ambiguitätstoleranz wird leider auch mit Scheuklappen/ Festgefahrenheit und infolgedessen Desinteresse verwechselt ... .
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 22:42:05
Auch "nur" ein Wort kann schon so unterschiedliche Assoziationen (und wahrscheinlich noch mehr "dahinter", also Metakommunikation) auslösen ... .  :grins2:

Wenn man denn Definitionen dieses Begriffs aus den unterschiedlichen Bereichen zusammensucht:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ambiguit%C3%A4tstoleranz

http://www.psychology48.com/deu/d/ambiguitaetstoleranz/ambiguitaetstoleranz.htm

http://www.sfb637.uni-bremen.de/pubdb/repository/SFB637-A2-07-006-IIIA.pdf

....

wirds deutlicher.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 25. Juni 2013, 23:03:23
Zitat von: bayle am 25. Juni 2013, 20:28:22
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 19:45:04
Der erste Fall ist zu lange her - sorry, so dezidiert weiß ich es nicht mehr.
(was hängengeblieben ist, sind hauptsächlich die Aussagen ...  ;) )
Das ist leider bei den meisten solcher Berichte so. In diesem speziellen Fall bin ich mir sicher: ich hätte diese Details auch nach Jahren noch gewusst - bzw: ohne diese Details hätte ich mir den Fall gar nicht erst gemerkt.

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 19:45:04
Der zweite Fall wurde öffentlich gemacht - leider kann ich das nicht beweisen (wäre Verletzung der Schweigepflicht).
Hat dann nicht die Verletzung der Schweigepflicht schon in der Öffentlichmachung gelegen?

Zur Wahrscheinlichkeit solcher Geschichten: sie sind ja vielleicht nicht völlig unmöglich, wie auch Hauptgewinne im Lotto nicht unmöglich sind:
ZitatWahrscheinlichkeit bei etwa 1 zu 14 Millionen
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/spontanheilung-wenn-krebs-von-selbst-verschwindet-a-340774.html
(Ich spare mir jetzt mal, nach seriöseren Quellen zu suchen). Aber sie erschüttern noch kein Weltbild und lassen auch nicht an das Gehirn als den mächtigen Gesundmacher denken. Es hätte dazu sehr viel häufiger Gelegenheit. In Lourdes hatte diese Fähigkeit eine großartige Gelegenheit, sich zu manifestieren, und sie hat es auch zur Genüge getan. Nur leider ist die Wunderkraft der Quelle / des Gehirns inzwischen versiegt:
ZitatSome 1,200 cures were said to have been observed between 1858 and 1889, and about one hundred more each year during the "Golden Age" of Lourdes, 1890–1914. We studied 411 patients cured in 1909–14 and thoroughly reviewed the twenty-five cures acknowledged between 1947 and 1976. No cure has been certified from 1976 through 2006.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22843835

Nochmal zurück zur ersten Textstelle:
ZitatDie erfolglose Ursachenforschung hat nicht wenige Ärzte dazu bewegt, Spontanremissionen generell als Märchen zu werten. In manchen Fällen ist die Skepsis durchaus berechtigt. Wannenmacher etwa musste erst kürzlich im Fernsehen mit ansehen, wie die Erholung eines krebskranken Kindes als wundersame Spontanheilung dargestellt wurde, obwohl der kleine Patient eine konventionelle Krebstherapie hinter sich hatte. Die aber hatte die Mutter offenbar schlicht verdrängt.
Es scheint mir doch gerechtfertigt, bei außergewöhnlichen Ansprüchen auch außergewöhnlich gute Belege zu fordern.

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 19:45:04
Und ja, über Theorien kann man unterschiedlicher Ansicht sein.
Zweifellos. Es gibt richtige und falsche.

In beiden Fällen war ich sehr persönlich involviert, beim ersten war ich noch sehr jung (aber schon medizinisch fit).
Ich wünschte, ich hätte mehr dokumentiert.

Ich weiß, worauf Du hinauswillst - vieles wird fehlinterprtiert, bzw. werden fundamental wichtige Fakten geflissentlich weggelassen.
Das meiste davon geschieht eher nicht wissentlich - es ist schon erstaunlich, ein und dieselbe Krankengeschichte aus den verschiedenen Perspektiven zu hören, z.B. die ärztliche und die pflegerische Sicht. Die Sicht der Angehörigen ist meist noch einmal anders.
Aber auch unter den beteiligten Fachärzten (wie unter den einzelnen Pflegekräften) lassen sich mitunter ganz andere Erklärungen finden.

Im ersten Fall (Darm-OP) war ein Arzt völlig überzeugt, daß der Patient sterben würde, zwei weitere äußerten sich wenig konkret, wirkten professionell zuversichtlich, eine (ältere) Ärztin "gab alles" und betonte stets, sie hätte schon alles erlebt.
Der Chefarzt unterstütze diese Ärztin sehr.
WAS genau dann ein Anghöriger aus dem Gehörten selektiv herausfiltert ("hören will") oder gar uminterpretiert, ist wieder eine ganz andere Sache ... .


Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: bayle am 26. Juni 2013, 06:20:15
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 23:03:23
Im ersten Fall (Darm-OP) war ein Arzt völlig überzeugt, daß der Patient sterben würde, zwei weitere äußerten sich wenig konkret, wirkten professionell zuversichtlich, eine (ältere) Ärztin "gab alles" und betonte stets, sie hätte schon alles erlebt.
So klingt es schon deutlich weniger sensationell.

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 23:03:23
In beiden Fällen war ich sehr persönlich involviert, beim ersten war ich noch sehr jung (aber schon medizinisch fit).
Ich wünschte, ich hätte mehr dokumentiert.
...
es ist schon erstaunlich, ein und dieselbe Krankengeschichte aus den verschiedenen Perspektiven zu hören, z.B. die ärztliche und die pflegerische Sicht. Die Sicht der Angehörigen ist meist noch einmal anders.
Und das ist dann die empirische Basis des radikalen Konstruktivismus?
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 26. Juni 2013, 07:24:28
Zitat von: bayle am 26. Juni 2013, 06:20:15
Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 23:03:23
Im ersten Fall (Darm-OP) war ein Arzt völlig überzeugt, daß der Patient sterben würde, zwei weitere äußerten sich wenig konkret, wirkten professionell zuversichtlich, eine (ältere) Ärztin "gab alles" und betonte stets, sie hätte schon alles erlebt.
So klingt es schon deutlich weniger sensationell.

Zitat von: Morgaine am 25. Juni 2013, 23:03:23
In beiden Fällen war ich sehr persönlich involviert, beim ersten war ich noch sehr jung (aber schon medizinisch fit).
Ich wünschte, ich hätte mehr dokumentiert.
...
es ist schon erstaunlich, ein und dieselbe Krankengeschichte aus den verschiedenen Perspektiven zu hören, z.B. die ärztliche und die pflegerische Sicht. Die Sicht der Angehörigen ist meist noch einmal anders.
Und das ist dann die empirische Basis des radikalen Konstruktivismus?

Im Nachhinein (es dauerte drei Wochen nach Extubation bis sich abzeichnete, daß wahrscheinlich keine Folgeschäden mehr blieben) teilten alle Ärzte mit, daß sie eine Gesundung für "im Prinzip" unmöglich gehalten haben, auch besagte Ärztin.
Es ging um meinen Vater (damit es deutlicher wird ... und ich war fast rund um die Uhr dabei, hatte grad mein Krankenpflegeexamen bestanden und fing an zu studieren).
Dieser Vorfall hätte mich fast in den Strudel esoterisch angehauchter Kontstrukte getrieben - aber auch nur fast - ich kann zumindest nachvollziehen, daß Menschen so attribuieren können und wünschte mir wissenschaftliche Erklärungen, die es sicher irgendwann einmal geben wird.

Wahrnehmung und Kommunikation (es gibt sehr gute Theorien dazu, auch zu Wahrnehmungsfehlern und Kommunikationsdesastern) sind eine empirische Grundlage.
Und der radikale Konstruktivismus ist wiederum eine Grundlage für weitergehende Konzepte, u.a. für die systemische Therapie (die zwar anerkannt ist, aber leider noch nicht kassenzugelassen) und für die Wirtschaft sowieso.
Ich denke, daß diese Pfade zusammen mit der Hirnforschung enorm weiterführen werden.
Warten wirs ab (es tut sich momentan so einiges).


Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: bayle am 26. Juni 2013, 08:35:12
Aber mit diesem Thema sind wir doch schon durch, vgl. ab hier:
http://forum.psiram.com/index.php?topic=10571.msg126940#msg126940
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 26. Juni 2013, 09:49:38
Zitat von: bayle am 26. Juni 2013, 08:35:12
Aber mit diesem Thema sind wir doch schon durch, vgl. ab hier:
http://forum.psiram.com/index.php?topic=10571.msg126940#msg126940

Jep, ich bin mit der Esoterik (schon sehr lange) gänzlich durch (fast phobisch ...  ;D). Ähnlich geht es mit mit der Küchentischphilosophie/ Alltagspsychologie.

Ich möchte aber anderen gewisse abstruse Ideen ersparen, indem ich meine mir bekannten Theorien (Placebo/ Nocebo, Konstruktivismus, selbst-erfüllende Prophezeihung, Rosenthal, Halo-Effekt usw. usw.) "ordne" oder "zusammenbringe" und das wissenschaftlich fundiert.

Allein das Gegenreden, bewiesene Fakten usw. erzeugen letztendlich oft Reaktanz und somit genau das Gegenteil.

Ich finde die in diesem Artikel dargestellte Idee,

Nicht allein das Gehirn bestimme über unser Bewusstsein, sondern umgekehrt würden auch »Bewusstsein und Geist, die von physikalischen Prozessen im Gehirn auf eine spezifische Weise hervorgebracht werden, ihrerseits dieses Gehirn bestimmen«. Anders ausgedrückt: »Das Gehirn wird vom Geist bestimmt, den es selbst hervorbringt.«
http://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/02/Mensch-Individuum-Selbstbewusstsein/seite-4

unabhängig von der Überschrift sehr interessant und suche "Input" oder überzeugende Gegenargumente (aber keine Plattitüden).

Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Superkalifragilistisch am 26. Juni 2013, 17:18:32
Der Konstruktivismus hat nichts mit Deiner komischen Schwurbelei von Hirnforschung und so weiter zu tun. Was Du eigentlich meinst ist Solipsismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Solipsismus) das ist ein großer Unterschied. Der Konstruktivismus befaßt sich mit der institutionalisierten/kulturellen Formung von Wahrnehmungs-, Erzeugungs- und Handlungsmustern (generative Grammatiken usw.) und kann als linguistische Disziplin betrachtet werden. Er besagt lediglich daß Wissenserwerb (Assimilierung) nur auf Basis von bereits vorhandenem Wissen möglich ist. Aus einem Bereich "mehrdeutiger" Information - wie in einem Stimmengewirr auf einer Party - muß eine bestimmte interpretatorische Auswahl getroffen werden.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Superkalifragilistisch am 26. Juni 2013, 17:24:02
Zitat von: bayle am 25. Juni 2013, 15:50:21
Und darf ich Dich um Deinen Kommentar dazu bitten, was den Realitätsgehalt Deiner Zitate angeht?
Realitätsgehalt meiner Zitate? Ist das wieder einer Deiner Skeptizismus-Bullshit-Bingo Einwände? Was soll ich Dir beweisen? Daß die Autoren existieren? Daß ich die Postings verfaßt habe und es sich nicht um illusionäre Geist-Postings handelt?
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: bayle am 26. Juni 2013, 20:01:11
Zitat von: Superkalifragilistisch am 26. Juni 2013, 17:18:32
Der Konstruktivismus hat nichts mit Deiner komischen Schwurbelei von Hirnforschung und so weiter zu tun. Was Du eigentlich meinst ist Solipsismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Solipsismus) das ist ein großer Unterschied. Der Konstruktivismus befaßt sich mit der institutionalisierten/kulturellen Formung von Wahrnehmungs-, Erzeugungs- und Handlungsmustern (generative Grammatiken usw.) und kann als linguistische Disziplin betrachtet werden. Er besagt lediglich daß Wissenserwerb (Assimilierung) nur auf Basis von bereits vorhandenem Wissen möglich ist. Aus einem Bereich "mehrdeutiger" Information - wie in einem Stimmengewirr auf einer Party - muß eine bestimmte interpretatorische Auswahl getroffen werden.
Bei "komischer Schwurbelei von Hirnforschung" gehe ich ja davon aus, dass nicht ich mit dem "Du" gemeint bin ;); aber ich bin dennoch ziemlich sicher, dass der Konstruktivismus in seiner konsequenten Form in den Solipsismus führt; das ist kein großer Unterschied.

Zitat von: Superkalifragilistisch am 26. Juni 2013, 17:24:02
Zitat von: bayle am 25. Juni 2013, 15:50:21
Und darf ich Dich um Deinen Kommentar dazu bitten, was den Realitätsgehalt Deiner Zitate angeht?
Realitätsgehalt meiner Zitate? Ist das wieder einer Deiner Skeptizismus-Bullshit-Bingo Einwände? Was soll ich Dir beweisen? Daß die Autoren existieren? Daß ich die Postings verfaßt habe und es sich nicht um illusionäre Geist-Postings handelt?
Ich gebe noch einmal Dein Zitat wieder, auf das sich meine Nachfrage bezieht:
ZitatWie sollte die Medizin weiter ehrlich praktiziert werden, wenn die Körper selbst zu lügen anfangen [...] Ein Symptom kann auftreten, aber falsch sein: Pseudo-Hemiplegie, Pseudo-Hypertropie etc. Eine Hysterische kann spontant von Stigmen befallen werden, zum Beispiel von einem Hautgangrän und nichts widerspricht dem, daß sie daran stirbt. Charcot hingegen wird sagen: Seid mißtrauisch, das war ein pseudo-Gangrän, ein »Doppelgänger« einer organischen Regung, »das wir zu enthüllen verstehen sollten.«
Und ihr Tod, sollte auch er nur der Doppelgänger eines echten Todes gewesen sein?
(Georges Didi-Huberman)
Ist eine psychogene Hemiparese dasselbe wie eine organische Hemiparese? Was ist eine "Hypertropie", und was gar eine "Pseudo-Hypertropie"? Glaubt Georges Didi-Huberman, dass man an ,,einem [sic] eingebildeten Gangrän" stirbt? Ist ,,ihr Tod" als ,,der Doppelgänger eines echten Todes" ein Gedankenspiel oder ein reales Vorkommnis? Was ist damit für oder gegen Charcot gesagt? Mir scheint, wir sehen hier den Konstruktivismus in Aktion.
Du kannst das gern als einen meiner ,,Skeptizismus-Bullshit-Bingo Einwände" auffassen, wenn Dir das Erleichterung verschafft.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Superkalifragilistisch am 26. Juni 2013, 22:14:34
Wie führt der Konstruktivismus in den Solipsismus? Ist Dir das Konzept der Viabilität überhaupt bekannt? Der Solipsismus ist der Ansicht, daß wir die Welt, dadurch daß wir sie konstruieren so erschaffen können, wie wir möchten. Diese Ansicht wird durch die Annahme von Viabilität keinesfalls gestützt. Und was ist überhaupt Deine Alternative? Kognitionspüschologie und "Hirnforschung", womöglich noch mit Theorien über das Unbewußte, das für alle Mängel der Wahrnehmung verantwortlich sein soll?

Und zu meinem Zitat. Falls es da Mißverständnisse geben sollte: Das ist nicht die Meinung von Monsieur Huberman. Er beschreibt kritisch die Ansichten des "großen Charcot" und der sich daraus ergebende Widersprüche. Die Psychosomatik bezichtigt den Körper der Lüge, aber wie kann eine Erkrankung wahr und falsch zugleich sein? Wenn die "psychogene Krankheit" sogar zum Tod führen kann, wie könnte dieser eine Lüge des Unbewußten sein? Das ist absurd. Krankheiten sind entweder da, dann sind sie echt - oder sie sind nicht da. Dazwischen gibt es nichts, wie eine Verschwörung des Unbewußten gegen die Medizin.

ZitatWas ist damit für oder gegen Charcot gesagt?
Sentimentale Paranoia gegen Krankheit und Kitsch aus Romanen des 19. Jahrhunderts.
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: Morgaine am 26. Juni 2013, 23:57:02
Zitat von: Superkalifragilistisch am 26. Juni 2013, 17:18:32
Der Konstruktivismus hat nichts mit Deiner komischen Schwurbelei von Hirnforschung und so weiter zu tun. Was Du eigentlich meinst ist Solipsismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Solipsismus) das ist ein großer Unterschied. Der Konstruktivismus befaßt sich mit der institutionalisierten/kulturellen Formung von Wahrnehmungs-, Erzeugungs- und Handlungsmustern (generative Grammatiken usw.) und kann als linguistische Disziplin betrachtet werden. Er besagt lediglich daß Wissenserwerb (Assimilierung) nur auf Basis von bereits vorhandenem Wissen möglich ist. Aus einem Bereich "mehrdeutiger" Information - wie in einem Stimmengewirr auf einer Party - muß eine bestimmte interpretatorische Auswahl getroffen werden.

Ich weiß, was radikaler Konstrutivismus ist.  :grins2:

Zentraler Aspekt ist die "Realität", die demnach aus bereits Vorhandenem und neu Wahrgenommenem besteht.
Genau das ist der Punkt bei meinen Fragen!

Der radikale Konstruktivismus grenzt sich selbst vom Solipismus klar ab, aber ob ihm das stringent gelingt, liegt im Auge des Betrachters (womit wir wieder beim radikalen Konstruktivismus wären ...).

Ich weiß jetzt nicht, ob Du meine Aussagen verstanden hast Und/ oder sie mit dem Begriff "Schwurbelei" abwerten möchtest, aber ich sehe schon interessante Zusammenhänge, z.B.: http://elib.suub.uni-bremen.de/edocs/00101850-1.pdf
Titel: Re: Placebo/ Nocebo und Esoterik
Beitrag von: bayle am 27. Juni 2013, 08:07:35
   
Zitat von: Superkalifragilistisch am 26. Juni 2013, 22:14:34Wie führt der Konstruktivismus in den Solipsismus?
Ganz leicht. Wenn die Welt nicht real, sondern nur in meiner Vorstellung existent ist, dann existieren in der Konsequenz auch alle anderen Menschen nur in meiner Vorstellung.

Zitat von: Superkalifragilistisch am 26. Juni 2013, 22:14:34Ist Dir das Konzept der Viabilität überhaupt bekannt?
Nach dem, was ich durch Überfliegen feststellen kann, ist es eine Prothese, ein Holzbein für den Korrespondenzbegriff der Wahrheit, auf den man im Konstruktivismus verzichten muss.

Zitat von: Superkalifragilistisch am 26. Juni 2013, 22:14:34Und was ist überhaupt Deine Alternative?
Heidegger jedenfalls nicht.

Zitat von: Superkalifragilistisch am 26. Juni 2013, 22:14:34Falls es da Mißverständnisse geben sollte: Das ist nicht die Meinung von Monsieur Huberman. Er beschreibt kritisch die Ansichten des "großen Charcot" und der sich daraus ergebende Widersprüche.
Monsieur Huberman hat keine blasse Ahnung von dem Inhalt der Begriffe, die er verwendet. Der Umfang meines Wortschatzes reicht nicht hin, den Ursprungsterminus zu identifizieren, dessen Verballhornung zu dem Neologismus ,,Pseudo-Hypertropie" geführt hat. Vielleicht kannst Du mir da weiterhelfen.

Zitat von: Superkalifragilistisch am 26. Juni 2013, 22:14:34Die Psychosomatik bezichtigt den Körper der Lüge, aber wie kann eine Erkrankung wahr und falsch zugleich sein?  ... Krankheiten sind entweder da, dann sind sie echt - oder sie sind nicht da. Dazwischen gibt es nichts, wie eine Verschwörung des Unbewußten gegen die Medizin.
Nochmal:
Zitat von: bayle am 26. Juni 2013, 20:01:11Ist eine psychogene Hemiparese dasselbe wie eine organische Hemiparese?
Die Alternative zum Unbewussten ist (hier) nicht, die ,,psychogene Krankheit" (ich ziehe den Begriff der psychogenen Störung vor) für ,,wahr" zu halten, sondern den Betroffenen selber zum Simulanten, zum bewussten Lügner zu erklären.

Zitat von: Superkalifragilistisch am 26. Juni 2013, 22:14:34Wenn die "psychogene Krankheit" sogar zum Tod führen kann, wie könnte dieser eine Lüge des Unbewußten sein? Das ist absurd.
Ich stimme zu. Nachdem Huberman unerschrocken die psychogene Störung zur ,,Lüge" erklärt hat, führt er sich selbst kühn ad absurdum, indem er den ,,psychogenen Tod" dagegen ins Feld führt. Nebenbei: ich nehme nicht an, dass Huberman auch nur entfernt auf die Idee gekommen ist, die empirischen Belege für diesen psychogenen Tod zu prüfen. 

Zitat von: Superkalifragilistisch am 26. Juni 2013, 22:14:34
ZitatWas ist damit für oder gegen Charcot gesagt?
Sentimentale Paranoia gegen Krankheit und Kitsch aus Romanen des 19. Jahrhunderts.
Das ist schon eine groteske Verkennung der Rolle von Charcot in der Entwicklung der Neurologie. Wer hat sie, die sentimentale Paranoia? Huberman oder Charcot?