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Deutsch => Allgemeine Diskussionen => Skeptisches Denken => Thema gestartet von: Scipio am 23. April 2018, 06:45:25

Titel: Genetik und Menschen
Beitrag von: Scipio am 23. April 2018, 06:45:25
Hi ich habe gerade folgenden Artikel in der NZZ gelesen:

https://www.nzz.ch/feuilleton/der-genetiker-david-reich-loest-in-den-usa-einen-intellektuellen-streit-ueber-erbgut-und-rassen-aus-ld.1378433

Könnt ihr mir erklären, was da an dem was Herr Reich behauptet dran ist?
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 21. November 2022, 21:35:25
Wolfgang Nellen (hat auch bei uns schon mal geschreibselt) beschäftigt sich mit dem (erweiterten) genetischen Fingerabdruck und warum es ggf. auch mal nicht so toll ist, wenn nicht sein kann, was nicht sein darf:

ZitatDie Phänotypisierung beruht im Prinzip auf einem erweiterten ,,genetischen Fingerabdruck". Die ursprünglich von Alec Jeffries entwickelte Methode lieferte tatsächlich nur einen sehr einfachen Strich-Code. Damit konnten Verwandschaftsverhältniss geklärt werden und im direkten Vergleich konnte festgestellt werden, ob zwei Proben von der selben Person stammen. Eine Aussagen über körperliche Eigenschaften eines Individuums oder den Phänotyp (das Aussehen) waren nicht möglich.
Mit den heutigen Methoden kann man jedoch mühelos mehr als 1 Mio Orte auf der DNA vergleichen und bei Bedarf das ganze Genom sequenzieren. Daraus können zunehmend mit gewisser Wahrscheinlichkeit (!) sowohl phänotypische Merkmale als auch die ethnographische Herkunft abgeleitet werden
https://www.biowisskomm.de/2022/11/phantombilder-aus-dna-analyse/

Habe mal den Stein des Anstoßes gefettet. Man kann also feststellen, aus welcher "Ethnie" jemand stammt. Wenn man Ethnie mit Rasse assoziiert (das Thema ist ganz heikel, vor allem dann, wenn man damit gleichzeitig Rassenwahn denkt und meint) ist man schnell bei Tabus. Es gibt auch von biologischer (ich nehme mal an: nicht ideologischer Seite) Überlegungen, den Begriff nicht nur abzulehnen. Die Links kann ich ggf. mal raussuchen. Tabus können dann auch Konsequenzen haben:

ZitatIn Deutschland ist die Nutzung von Markern zur Phänotypisierung und zur ethnographischen Herkunft weitgehend verboten. Zu groß ist die Angst vor rassistischen Vorwürfen. Nur neutrale genetische Marker, die keine Aussage zum Aussehen erlauben, dürfen verwendet werden. Diese können nur zu einem Ergebnis führen, wenn es einen ,,Treffer" in der Datenbank gibt oder die DNA mit der eines Verdächtigen übereinstimmt. Eher verlässt man sich auf dubiose Zeugenaussagen (der Täter hatte ein ,,europäisches" oder ein ,,südländisches" Aussehen – was auch immer das bedeutet). Oder man nutzt sachdienliche Hinweise wie ,,der Täter trug eine schwarze Hose".

Lieber windet man sich raus, als die Möglichkeiten zu nutzen. Natürlich ist das auch heikel, wer möchte schon alleine anhand seiner DNA "rekonstruiert" werden? Finde das Dilemma!

(Es gibt doch irgendeinen SciFi-Film, wo der Täter komplett anhand seiner DNA rekonstruiert (d.h. neu geboren) wird, um ihn dann zu verurteilen. Weil man den echten Täter halt ned in die Finger bekommen kann, ey. K.A. wo ich das mal gesehen habe. Aber sicherlich wird man das als mahnendes Beispiel irgendwo zitieren, so absurd das ist.)
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Daggi am 21. November 2022, 21:43:09
Den Begriff der menschlichen Rasse hat man aufgegeben. Was nicht heissen soll, dass es keine Möglichkeiten gibt aus "genetischem Material" auf die ethnische Herkunft zu schliessen. Es gibt auch die Möglichkeit (wo es erlaubt ist) in Kriminalfällen beim Auffinden von genetischem Material auf die Herkunft und auch das Aussehen zu schliessen. Und das hat in der Vergangenheit funktioniert bestimmte Täter quasi auszusortieren und andere einzusortieren. 
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 21. November 2022, 22:16:46
Das Ganze wird dann zum Problem, wenn man es problematisiert ( ::) ), d.h. wenn ich "ethnische Herkunft" als genauso problematisch einstufe, wie "Rasse". Darum geht es.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Scipio 2.0 am 22. November 2022, 14:11:18
Ob du da nun ethnische Herkunft oder Rasse als Begriff drauf pinselst ist zweitrangig. Im Kern geht es darum das menschliche Population genetische Unterschiede aufweisen. Das ist ja an sich das was man aus evolutionärer Sicht erwarten würde.

Die Sache wird dadurch problematisch, das es offenbar ein sehr kleiner gedanklicher Schritt ist, auf Basis dieser Unterschiede Wertigkeiten zu vergeben und eine entsprechende Auswahl von höherwertig vor niederwertig auszurufen, mit bekannten Folgen.

Wie man damit jetzt genau umgehen soll weiß ich leider auch nicht.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Peiresc am 22. November 2022, 14:35:21
Zitat von: Scipio 2.0 am 22. November 2022, 14:11:18Im Kern geht es darum das menschliche Population genetische Unterschiede aufweisen.
Ich verstehe nicht, was du meinst. Jeder Mensch ist von jedem anderen genetisch verschieden. Das taugt i. allg. zu genau gar nichts, außer bei der Diagnostik genetischer Erkrankungen.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Max P am 22. November 2022, 15:09:22
Zitat von: Peiresc am 22. November 2022, 14:35:21
Zitat von: Scipio 2.0 am 22. November 2022, 14:11:18Im Kern geht es darum das menschliche Population genetische Unterschiede aufweisen.
Ich verstehe nicht, was du meinst. Jeder Mensch ist von jedem anderen genetisch verschieden. Das taugt i. allg. zu genau gar nichts, außer bei der Diagnostik genetischer Erkrankungen.

Körperliche Eigenheiten wie Hautpigmentierung, Haarfarbe und -struktur, Augenfalte bei Asiaten etc. sind großräumig auftretende Merkmale in der äußeren Erscheinung, an denen der herkömmliche Rassenbegriff ja meist festgemacht wird. Tatsächlich ist das natürlich willkürlich. Man könnte auch irgendwelche physiologischen Unterschiede zur Definition von "Rassen" heranziehen, z.B. die Fähigkeit, als Erwachsener Milchzucker verdauen oder nicht verdauen zu können. Es gäbe demzufolge eine "Milchrasse" und eine "Antimilchrasse". (Die statistische Verteilung von Lactosetoleranz bzw. -intoleranz deckt sich wahrscheinlich global gesehen sogar teilweise mit den herkömmlichen Rassenunterscheidungen, aber eben nur teilweise.) Die einzige Schwierigkeit dabei wäre, dass die jeweilige Rassenzugehörigkeit nicht sofort sichtbar, sondern nur durch aufwändige Tests feststellbar wäre. Dito beliebige andere physiologische Eigenheiten, die in diversen Populationen vorherrschen können.

In jedem Fall ist das Auftreten solcher Unterschiede, ob nun Hautfarbe oder Laktosetoleranz, wohl evolutionsbiologisch interessant, aber ansonsten banal und postuliert objektiv keine "Rassen" im Sinne irgendwelcher Rassentheorien.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 23. November 2022, 00:13:59
Zitat von: Scipio 2.0 am 22. November 2022, 14:11:18Die Sache wird dadurch problematisch, das es offenbar ein sehr kleiner gedanklicher Schritt ist, auf Basis dieser Unterschiede Wertigkeiten zu vergeben und eine entsprechende Auswahl von höherwertig vor niederwertig auszurufen, mit bekannten Folgen.

Ist aber kein notwendiger Schritt und bestimmt nicht aus der einer objektiven Perspektive ableitbar. Solche Vorstellungen waren früher verbreitet, nicht nur bei den Nazis. Auch Rudolf Steiner mit seiner Lehre war so ein Vertreter, das tradieren die Anthroposophen bis heute weiter. Und sie stört es auch nicht weiter.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: RPGNo1 am 23. November 2022, 07:43:15
Cornelius Courts hat zu diesem Thema (im Rahmen seines Fachgebiets) Artikel verfasst.

https://scienceblogs.de/bloodnacid/2014/05/28/forensic-dna-phenotyping-die-dna-verraet-wie-der-taeter-aussieht/?all=1
https://scienceblogs.de/bloodnacid/2019/11/18/nach-ueberfaelliger-stpo-reform-kann-nun-auch-in-deutschland-eingeschraenkt-forensische-dna-phaenotypisierung-durchgefuehrt-werden/
https://scienceblogs.de/bloodnacid/2022/04/12/forensische-altersbestimmung-mittels-dna-methylierungsanalyse/

Vielleicht hilft das bei der Diskussion weiter.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 24. November 2022, 23:02:33
Zitat von: RPGNo1 am 23. November 2022, 07:43:15Cornelius Courts hat zu diesem Thema (im Rahmen seines Fachgebiets) Artikel verfasst.
Das ist natürlich der Spezialist für das Gebiet. Er schreibt im ersten Link:

ZitatDann entwickelten sie ein statistisches Modell, um den Einfluss von Genen, Geschlecht und Morphotyp (also europäisch vs. afrikanisch etc.) auf die Lage dieser Punkte und damit die Gesamtform des Gesichts einschätzen zu können.

Ich denke, das meint das gleiche wie Ethnie. Wahrscheinlich wollten es die Autoren vermeiden, das Wort "Rasse" zu verwenden. Weiter unten heißt es, man habe den Einfluss des Morphotypen (und den des Geschlechts) herausgerechnet, um nur ganz spezielle Gene, die das Gesicht "prägen", zu finden. Man möge sich selber denken, was das heißt.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 26. November 2022, 23:24:21
So, jetzt habe ich den Artikel, den ich gedanklich schon frei zitiert habe, gefunden. Er stammt von Jerry Coyne (why evolution ist true), von dem zur Genderdebatte schon sehr gute Bemerkungen (insb. zur Biologie) gekommen sind.

Er schreibt öfters mal über das Problem mit dem Begriff Rasse. Hier ein sehr guter Beitrag dazu. Ich zitiere mal ein Highlight:

ZitatThere I cited the 2002 paper of Rosenberg et al. reporting that "one can show by using data from many genes and gene sites, and clustering algorithms, that humanity can be shown to form genetic clusters that correspond to geography (different continents or subcontinents), which of course correspond to evolutionary history." As I also said then,...
https://whyevolutionistrue.com/2022/07/19/once-again-are-races-social-constructs-without-scientific-or-biological-meaning/

Man weiß das schon länger und es ist evolutionsbiologisch auch beinahe zwingend, dass die genetische Drift (auch) ein geographischer Prozess ist. Man findet, wenn man sich eine Vielzahl genetischer Variationen ansieht und diese statistisch auswertet, dass man Cluster (mit der Clusteranalyse werden Cluster identifiziert, die auch eine hierarchische Struktur haben (können)) findet, die mit geographischen Regionen korrelieren. Man muss gar nicht irgend etwas definieren, man sieht es schon in der Struktur der Daten.

Es gibt bei Ethnien (man kann den Begriff mit Rasse gleichsetzen und hat das auch gemacht, aber weil der Begriff missbraucht wurde, verwendet man heute andere Begriffe) auch eine Selbstzuschreibung, die sehr eng mit genetischen Merkmalen verknüpft ist und die einen (ggf. historischen) geographischen Ursprung verrät. Deshalb ist das auch forensisch interessant.

Die Ethnie ist also kein (rein) soziales Konstrukt, so wie es die postmoderne Perspektive heute verkaufen will. Auch die Selbstzuweisung zu einer Ethnie korreliert mit genetischen Merkmalen, wie zigfach wissenschaftlich belegt ist. Es ist ein wenig wie mit dem Genderschwurb: objektiv und ohne eine nötige Bewertung gibt es biologische Einteilungen. Die Selbstzuschreibung kann abweichen, aber der biologische Unterbau ist nicht verhandelbar (um mal ein Wort aus dem postmodernen Sprech zu verwenden). Das zeigt Coyn sehr schön.

ZitatJust remember this: when you hear that human race/ethnicity is a purely social construct, and doesn't say anything about biology or evolution, that's just wrong.

Wer sich mal genetisch Dekonstruieren lassen will, kann das mittlerweile recht günstig tun. Sein Genom sequenzieren und auswerten zu lassen, bekommt man schon für knapp 80 Dollaten im Sonderangebot. Schönes Weihnachtsgeschenk* (das ich mir vll. mal selbst gönne, Datenschutz mal ausgeblendet).

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* Hinweis auf schwere Erbkrankheiten und Krebswahrscheinlichkeiten könnten allerdings die fröhliche Stimmung trüben
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Gefährliche Bohnen am 27. November 2022, 00:43:56
Zitat von: eLender am 26. November 2022, 23:24:21Wer sich mal genetisch Dekonstruieren lassen will, kann das mittlerweile recht günstig tun. Sein Genom sequenzieren und auswerten zu lassen, bekommt man schon für knapp 80 Dollaten im Sonderangebot. Schönes Weihnachtsgeschenk* (das ich mir vll. mal selbst gönne, Datenschutz mal ausgeblendet).

ZitatFind out what your DNA says about you and your family.
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* Hinweis auf schwere Erbkrankheiten und Krebswahrscheinlichkeiten könnten allerdings die fröhliche Stimmung trüben
(Hervorhebung von mir)

Ich entschuldige mich im Voraus für mangelnden Restverstand, falls mein Flachsometer schon wieder kaputt ist, aber darf ich fragen, was du dir davon versprechen würdest?

Mein Fazit als ich mich das letzte Mal damit beschäftigt habe, war, dass die tatsächlich verlässlichen Aussagen aus solch einem Test mit einem Blick in den Spiegel sogar noch günstiger zu haben sind (ca. 0 Dollar). Aber vielleicht bin ich da auch nicht auf dem neuesten Stand (habe den Coyne-Artiel bisher auch nur überflogen). Aber selbst wenn die verlässliche geographische Auflösung mittlerweile die Kontinentebene verlassen hat und man sich damit zuverlässig seine Vanille-Präferenz gegenüber Schokolade bestätigen lassen könnte- warum das Ganze/bzw. dafür Geld ausgeben?
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Max P am 27. November 2022, 01:53:27
ZitatAuch die Selbstzuweisung zu einer Ethnie korreliert mit genetischen Merkmalen, wie zigfach wissenschaftlich belegt ist.

Das verstehe ich nicht. Oder ist es wirklich so trivial gemeint, dass man sich in der Regel der Ethnie selbst zuweist, in die man hineingeboren und aufgewachsen ist? Ansonsten ist Ethnie natürlich nicht dasselbe wie "Rasse", sondern ein rein kulturell-historischer Zusammenhang. Ein Sizilianer bsw., der aus irgendwelchen Gründen in Lappland in einer traditionellen Samen-Familie aufwächst und als voll zugehörig anerkannt wird, ist ethnisch ein Same, genetisch aber immer noch Sizilianer. Ein biologisches Fundament der Samen-Ethnie gibt es, wenn man so will, natürlich durch die in der Regel gemeinsame Abstammung, aber das spezifisch Ethnische wird durch Sprache, Kultur und Tradition konstituiert und nicht durch Biologie.

Möglichweise findet hier auch eine Begriffsverwirrung statt. Wenn Populationsforscher die geographische Verteilung genetischer Muster untersuchen wollen, sprechen sie begreiflicherweise nicht mehr von Rassen, sondern unverfänglicher eben von Ethnien. Trotzdem bleibt "Ethnie" ein in erster Linie sozio-kultureller Begriff.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Scipio 2.0 am 27. November 2022, 09:32:46
Wie wird das dann eigentlich gehandhabt, wenn ich zum Beispiel eine Japanerin heirate und mit ihr Kinder in die Welt setze?

Die sitzen dann doch gewisser Maßen "zwischen den Stühlen".
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Peiresc am 27. November 2022, 09:47:24
Zitat von: Gefährliche Bohnen am 27. November 2022, 00:43:56mit einem Blick in den Spiegel sogar noch günstiger zu haben sind (ca. 0 Dollar).

Aber da sind die Investitionskosten für den Spiegel nicht drin.  8)

Vor langer Zeit habe ich mal irgendwo gelesen: wenn man eine Reise um den Erdball zu Fuß unternimmt, dann wird man feststellen, ... dass man bzgl. der "Rassen" nichts feststellen kann. Es gibt für kein einziges körperliches Merkmal (Augenform, Haar- und Hautfarbe etc. pp.) etwas, das einer umschriebenen geographischen Grenze auch nur nahe käme, es gibt nur völlig allmähliche Übergänge. Der Begriff der "Rasse" ist ein Artefakt, der nur zustandekommt, wenn sich Bewohner verschiedener Erdgegenden plötzlich einander direkt gegenüber sehen.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Peiresc am 27. November 2022, 09:53:38
Zitat von: Scipio 2.0 am 27. November 2022, 09:32:46Wie wird das dann eigentlich gehandhabt, wenn ich zum Beispiel eine Japanerin heirate und mit ihr Kinder in die Welt setze?
Vermutlich so, wie Du es mit Deiner Frau besprochen hast.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 27. November 2022, 19:32:55
Zitat von: Max P am 27. November 2022, 01:53:27Ein Sizilianer bsw., der aus irgendwelchen Gründen in Lappland in einer traditionellen Samen-Familie aufwächst und als voll zugehörig anerkannt wird, ist ethnisch ein Same, genetisch aber immer noch Sizilianer.
Das ist halt die Definitionsfrage. Ethnie wird bei uns tatsächliche her so verstanden, aber überm Teich sind damit eher die "(Haupt-)Ethnien" Europäer, Subsahara-Afrikaner, Natives und Südost-Asiaten gemeint. Die lassen sich auch anhand genetischer Merkmale recht sauber klassifizieren / unterscheiden. Das mit der hierarchischen Clusterbildung steht im Artikel, man kann beispielsweise die Europäer auch weiter in Cluster einteilen. Beim Herabwandern in der Hierarchie werden die Unterschiede (Abstände) nur immer kleiner.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 27. November 2022, 19:45:32
Zitat von: Gefährliche Bohnen am 27. November 2022, 00:43:56Ich entschuldige mich im Voraus für mangelnden Restverstand, falls mein Flachsometer schon wieder kaputt ist, aber darf ich fragen, was du dir davon versprechen würdest?
Mann, da macht man einmal eine flapsige Bemerkung und der Hausfrieden hängt für Jahre schief ::)

Nuja, das ist halt so ein Geek/Nerd -Ding, das man erst mal haben will. Ich schaue mir mal die Details des Angebotes an und überlege dann nochmal, ob ich das echt brauche. Ich bin ja auch Open-Source-Anhänger, daher hätte ich schon ganz gerne meinen genetischen Code im Quelltext, also dekompiliert. Mal sehen, wo die Bugs sind  ;)

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 27. November 2022, 00:43:56warum das Ganze/bzw. dafür Geld ausgeben?
Ja, eigentlich verpulvere ich auch nicht sinnlos Kohle, aber das wäre noch gerade so viel, dass ich es verkraften könnte. Würde mich schon interessieren, was man nur anhand meines Genoms alles über mich sagen kann (oder auch nicht). Kann mal nützlich sein, falls man ein sehr schweres Verbrechen begehen will. Nein, ist nur Scherz :angel:

Ich komme nochmal darauf zurück.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 27. November 2022, 19:57:14
Zitat von: Scipio 2.0 am 27. November 2022, 09:32:46Die sitzen dann doch gewisser Maßen "zwischen den Stühlen".
Das ist bei mir noch ein weiterer Grund. Ich wurde ja von Maulwürfen aufgezogen, da ich im Säuglingsalter in so einen Bau gefallen bin (meine tragische Lebensgeschichte hatte ich ja hier schon mal irgendwo erzählt). Gerüchten zufolge stammt meine Mutter aus Neuschwabenland, mein Vater aus Atlantis. Das würde auch meine türkisfarbenen Augen und blau schimmernden schwarzen Haare erklären. Mein Genom könnte die Sequenziermaschinen und die Auswertealgorithmen zur Verzweiflung und zum Absturz bringen*.

Vll. erhalte ich aber auch Antworten darüber, warum ich so ungewöhnlich weit neben der Spur laufe ;D 



*muss unbedingt vorher checken, ob es eine Geldzugrück-Garantie gibt.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 27. November 2022, 20:21:42
Zitat von: Peiresc am 27. November 2022, 09:47:24Es gibt für kein einziges körperliches Merkmal (Augenform, Haar- und Hautfarbe etc. pp.) etwas, das einer umschriebenen geographischen Grenze auch nur nahe käme, es gibt nur völlig allmähliche Übergänge.
Das Fehlen von scharfen Grenzen* (das ist wie immer und überall im Leben auch erst mal eine skalenabhängige Sache (in der Raum-Zeit-Betrachtung)) sagt ja nicht, dass es nichts Abgrenzbares gibt. Zu Fuß mag das auch so aussehen, aber wenn man sich die Welt aus der Vogelperspektive (am besten aus dem All) ansieht, dann werden Grenzen deutlicher sichtbar. Die Vorstellung von angeblich nicht abgrenzbaren Regionen kenne ich auch aus der Geographie bzw. der Biogeographie. Es gibt sehr scharfe landschaftliche Grenzen aber auch sehr weit gespannte Übergangsräume. Entsprechendes gilt auch für biogeographische Räume, etwa Florenreiche.

Wenn man von N nach S durch Afrika wandert (auf der Landkarte), dann wird man ganz verschiedene Landschaftsräume (global: Landschaftsgürtel) zu sehen bekommen, mit ganz unterschiedlichen Übergangsräumen (die man sogar als eigene Landschaftstypen klassifizieren kann). Diese Räume unterscheiden sich anhand der landschaftlichen Merkmale (grob: Klima, Vegetation, Böden) ganz erheblich.

Das Fehlen von scharfen Grenzen ist ein Maßstabsproblem (das mit der Skala). Unscharfe Grenzen werden von konstruktivistisch orientierten Erdkundlern als Argument gegen Landschaften als "Erkenntnis-Objekte" (objektiv abgrenzbare Einheiten) gesehen, Landschaften gelten als Konstrukte.


*es liegt in der Natur der Dinge, dass man die eher selten findet. Was einen aber nicht daran hindern sollte, damit auch mathematisch umzugehen. Es gibt einen mathematischen Umgang mit Unschärfe, der analog zu diskreten Logik rechenbar ist: die Fuzzy-Logik. Damit kann man auch konzeptionell an die Sache gehen. Die Sahara ist im Kern eine 100%ige Wüste, aber zu den Randbereichen nimmt die "Wüstenhaftigkeit" ab.
Das ist mit der Clusterbildung ganz ähnlich, auch hier sind die Grenzen nie scharf. Man redet daher auch immer nur von Wahrscheinlichkeiten (die aber bei mancher Skalenebene sehr hoch sein können).
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: sailor am 28. November 2022, 11:48:31
An der Trennunschärfe der "Rassen" sind seinerzeit glücklicherweise schon die "Rasseforscher" des NS-Regimes gescheitert... die konnten nie wirklich die Abtrennung von "Arisch" zu "Rest" vornehmen, vor allem nicht, als mit den verschiedensten "Volksdeutschen" Gruppen hinzukamen, deren Genpool tlw. seit Jahrhunderten von dem zwischen Maas/Memel/Etsch/Belt getrennt waren. Die durfte man politischerweise nicht ausschliessen, weil der SS sonst Rekruten gefehlt hätten.... Aus den tausend zwölf Jahren lernt man alles über "Rassenkunde" was man wissen muss. Wären die Horrorfolgen für Millionen nicht gewesen könnte man über diese Pseudo-Wissenschaft glatt lachen...
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Gefährliche Bohnen am 28. November 2022, 13:03:30
Zitat von: eLender am 27. November 2022, 19:45:32
Zitat von: Gefährliche Bohnen am 27. November 2022, 00:43:56Ich entschuldige mich im Voraus für mangelnden Restverstand, falls mein Flachsometer schon wieder kaputt ist, aber darf ich fragen, was du dir davon versprechen würdest?
Mann, da macht man einmal eine flapsige Bemerkung und der Hausfrieden hängt für Jahre schief ::)

Keine Sorge, ich denke, ca. im übernächsten Post bin ich drüber hinweg.  ;D

Zitat von: eLender am 27. November 2022, 19:45:32Nuja, das ist halt so ein Geek/Nerd -Ding, das man erst mal haben will. Ich schaue mir mal die Details des Angebotes an und überlege dann nochmal, ob ich das echt brauche. Ich bin ja auch Open-Source-Anhänger, daher hätte ich schon ganz gerne meinen genetischen Code im Quelltext, also dekompiliert. Mal sehen, wo die Bugs sind  ;)

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 27. November 2022, 00:43:56warum das Ganze/bzw. dafür Geld ausgeben?
Ja, eigentlich verpulvere ich auch nicht sinnlos Kohle, aber das wäre noch gerade so viel, dass ich es verkraften könnte. Würde mich schon interessieren, was man nur anhand meines Genoms alles über mich sagen kann (oder auch nicht). Kann mal nützlich sein, falls man ein sehr schweres Verbrechen begehen will. Nein, ist nur Scherz :angel:

Ich verstehe den Reiz durchaus. Aber mein Verdacht war, dass sich der Reiz am Ende doch zumindest deutlich minimiert, wenn man sich wirklich klar wird darüber, was mir solch ein Test a) tatsächlich mit ausreichender Verlässlichkeit sagen kann und b) welche Relevanz das dann tatsächlich hat. Ich hatte das irgendwo schonmal ein bisschen versucht zu formulieren, aber am Ende geht es ja um Wahrscheinlichkeiten. Wenn du diese und jene genetische Konstellation hast, hast du mit einer Wahrscheinlichkeit von x diese und jene Ausprägung. Aber mehr kann man über ein Individuum nicht sagen, ob das wirklich auf dich zutrifft, ist damit trotzdem nicht klar. Außerdem verleiten solche Tests meiner Meinung nach doch wieder zu stereotypen Vorstellungen, die einem nicht weiterhelfen. Ich bin sicher, dass du das alles weißt (@peiresc  ::) ), aber deshalb würde mich eben interessieren, was deine Erwartungen an sowas sind. Ich bin wie gesagt da vielleicht auch nicht auf dem neuesten Stand.

Zitat von: eLender am 27. November 2022, 19:45:32Ich komme nochmal darauf zurück.

Gern :)
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Peiresc am 28. November 2022, 16:17:57
Zitat von: Gefährliche Bohnen am 28. November 2022, 13:03:30(@peiresc  ::) )

Ich habe noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu Tests. Die wichtigste Frage, über die man sich vorher klar werden sollte, ist IMHO: was fange ich mit dem Ergebnis an?

Welche Aufschlüsse erwarte ich über das Ergebnis (eine Kolonne von Buchstaben- und Ziffernkombinationen) hinaus? Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden 1) ich bin vermutlich krank (oder risikobehaftet) oder 2) ich bin gesund. Bleiben wir bei Fall 1), den genetischen Tests, und nehmen wir hier ein klar strukturiertes Beispiel: Chorea Huntington. Man kann inzwischen sicher vorhersagen, ob du daran manifest erkranken wirst, auch wenn du noch gar kein Symptom hast. Aber willst Du das wissen? Die Erkrankung ist, wenn sie einsetzt, progredient, macht dich dement, und es gibt keine Therapie, die den Verlauf aufhält. Nicht umsonst schreibt das Gesetz in Deutschland vor, dass die Diagnostik mit der Beratung zu verbinden ist; nicht jeder darf solche Tests anbieten.

Die Tests für Parkinson oder für Demenz sind komplexer und deutlich weniger sicher (d. h. auch weit weniger etabliert), aber für sie ist die Lage ähnlich. Für beide Krankheiten ist keine kausale Therapie verfügbar, d. h. der Verlauf wird mit oder ohne Test gleich sein.

Ein anderes Beispiel: die Computerzeitschrift c't ist voll von Berichten über wearables, die deine Gesundheit über dutzende Parameter checken ... aber die Frage der Validierung wird allenfalls gestreift, und sie ist entscheidend. Messen kann ich alles, aber was bedeutet es, wenn die Uhr aufblinkt? Nehmen wir den Schlaf. Du hast gut geschlafen und bist morgens frisch, aber deine Smartwatch ist im tiefroten Bereich. Was nun? Oder umgekehrt, du fühlst dich wie ausgespuckt und zerschlagen, die ganze Nacht kein Auge zugetan, brauchst Du dann noch den Blick auf die Uhr?

Eine Schrotschuss-Diagnostik nach dem Prinzip: ,,machen wir mal einen Test und gucken wir was rauskommt" kann im Regelfall nicht sinnvoll sein. Tests sollen eine klinische Frage beantworten, eine Verdachtsdiagnose sicher machen oder (weitgehend) ausschließen. Aber man muss die Verdachtsdiagnose vorher erstmal haben. Im Falle einer anzunehmenden Gesundheit gibt es keine Verdachtsdiagnose.

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/g/gendiagnostikgesetz.html
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 28. November 2022, 23:14:00
Zitat von: Gefährliche Bohnen am 28. November 2022, 13:03:30aber deshalb würde mich eben interessieren, was deine Erwartungen an sowas sind.

Ich habe mir das Angebot und andere mal etwas genauer angeschaut. Hier gibt es einen halbwegs sachlichen Überblick, auch was den Datenschutz angeht: https://dnatest.de/
Letzteres ist eigentlich ein K.o.-Kriterium, das muss man aber selbst entscheiden und ggf. ist das auch nicht ganz so dramatisch. Die günstigen Angebote (geht schon bei knapp 40 € los) machen nur eines: sie versuchen anhand bestimmter Marker (SNP) eine ethnisch-geographische Herkunftsanalyse. Das ist natürlich alles nur eine Wahrscheinlichkeit, aber die kann recht hoch sein.

Es hängt letztendlich von der Datenbank ab, mit der das abgeglichen wird. Das ist ein riesen Bigdata-Projekt, man muss ja sehr viele Menschen screenen, damit man eine Auswertung unbekannter DNA machen kann. Ich würde mich prinzipiell sowas gar nicht verweigern, in Island ist scheinbar die ganze Bevölkerung sequenziert, alles in Verbindung mit Gesundheitsdaten. Das kann und soll der Forschung und der medizinischen Entwicklung dienen. Ist aber natürlich auch ein Geschäft.

Aber: sowas (Wahrscheinlichkeiten über erblich bedingte Krankheiten / Risikofaktoren) kostet wesentlich mehr und wird nur von wenigen angeboten. Abgesehen vom Preis will ich das auch erst mal gar nicht wissen. Zudem hat Peiresc schon das Nötige gesagt, warum das eine sehr heikle Sache ist, die nur in besonderen Fällen angezeigt ist.

Ich hätte erwartet, dass ich für den geringen Preis eine komplette Sequenzierung meiner DNA, ausgedruckt auf Papier, auf Paletten zu mir nach Hause geliefert, bekomme. Damit hätte ich dann meine Baracke tapezieren können und den Preis wieder drinne. Man muss halt immer erst das Kleingedruckte lesen ::)

Aber Herkunftsanalyse interessiert mich trotzdem, und in einer ruhigen Lebensphase werde ich mir das mal noch genauer ansehen. Wenn das dann im Angebot ist, greife ich vll. mal zu. Mal sehen.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: HAL9000 am 28. November 2022, 23:37:02
Zitat von: eLender am 28. November 2022, 23:14:00... Aber Herkunftsanalyse interessiert mich trotzdem, ...
Und gerade die ist meist kaum mehr wert als gewürfelt.
Dazu gab es Anfang des Jahres eine MaiThink X-Sendung (https://www.zdf.de/show/mai-think-x-die-show/maithink-x-folge-08-100.html), wo auch genau das thematisiert wurde (ab 17:17)
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 01. Dezember 2022, 00:35:19
Zitat von: HAL9000 am 28. November 2022, 23:37:02Dazu gab es Anfang des Jahres eine MaiThink X-Sendung[/url], wo auch genau das thematisiert wurde.
Schaue ich mir demnächst mal an, vll. ist das Thema (Gentests über Internet) ja ein Fall für unser Wiki. Es begann so vielversprechend..

Und nun: Musik

ZitatLiegt das Geheimnis ausgeprägter Musikalität in den Genen? Durch die Analyse bestimmter Gene lässt sich zumindest beim Menschen ein gutes Taktgefühl vorhersagen - darauf deuten Ergebnisse einer aktuellen Studie unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik
(MPIEA) hin.
...
Das liege daran, dass Eltern, die auch diese genetische Veranlagung haben und sie vererben, oft ein entsprechendes musikalisches Umfeld für ihre Kinder schaffen, erläutert Mosing. Bei Kindern mit hoher genetischer Disposition zur Musikalität ist es zum Beispiel auch wahrscheinlicher, dass sie im Laufe des Lebens Musikunterricht bekommen.
https://www.tagesschau.de/wissen/forschung/musikalitaet-gene-talent-rhythmus-101.html
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 08. Oktober 2023, 23:27:34
Der Superheld hat sich testen lassen und will jetzt verstärkt die Hirnmuskulatur trainieren:

ZitatSeit Chris Hemsworth zufällig erfahren hat, dass bei ihm ein erhöhtes Risiko besteht, eines Tages an Alzheimer zu erkranken, hat der Marvel-Held einiges in seinem Leben verändert. Dass der Star mit eiserner Disziplin dazu bereit ist, seine Muskeln zu trainieren, beweist die beeindruckende Physis des Thor-Darstellers. Nun ist er ebenso willens, viel Arbeit in ein anderes Körperteil zu stecken - sein Gehirn. Das verriet er in einem Gespräch mit "Men's Health".
https://www.n-tv.de/leute/Chris-Hemsworth-veraendert-sein-Leben-radikal-article24446557.html

Er hat sein Gäne testen lassen (etwas, was ich nie tun würde ::) ), dann fiel ihm der Hammer aus der Hand:
ZitatIn der Serie "Limitless" von Disney+ und National Geographic machte sich Hemsworth im vergangenen Jahr auf die Suche nach Möglichkeiten, das Alter zu bekämpfen und sein Leben zu verlängern. Dabei unterzog er sich auch ärztlichen Untersuchungen, wobei herauskam, dass er sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits das APOE4-Gen vererbt bekommen hat. Damit ist die Möglichkeit, dass er an Alzheimer erkrankt, acht- bis zehnfach erhöht.

Klingt erst mal sehr eindeutig und ggf. ja sinnvoll, aber die Sache hat mindestens einen Haken. Es gibt von dem Gen mehrere Varianten (Allele), jedes hat so seine Vorzüge. Die Variante APOE4 gilt als Risikofaktor für Alzheimer. Kriss Handswurst hat dummerweise zwei davon (auf dem mütterlichen wie auf dem väterlichen Chromosom), was ihn möglicherweise zum Nachfolger von Bruhs Willes macht. Aber ganz so einfach ist das nicht, man hat ggf. dafür andere Vorteile.

ZitatIm heutigen Europa tragen bis zu zwölf Prozent der Menschen die günstige Genvariante APOE2. Beim Alzheimer-Risikogen APOE4 variiert der Anteil dagegen von Norden nach Süden: In Nordeuropa tragen rund 22 Prozent APOE4, im Süden dagegen nur rund sechs Prozent. Die restliche Bevölkerung trägt die neutrale Variante APOE3.
https://www.scinexx.de/news/medizin/steinzeit-gen-beeinflusst-unsere-langlebigkeit/

ZitatFür die Steinzeit-Jäger könnte die verbesserte Immunabwehr durch APOE4 ein Vorteil gewesen sein. Denn diese Genvariante steigert die entzündliche Reaktion bei Infektionen. ,,Jüngste Forschung hat gezeigt, dass APOE4 in einer pathogenreichen Umgebung mit einer verbesserten kognitiven Entwicklung und einer erhöhten Fruchtbarkeit einhergeht", berichtet das Team.

Studien belegen zudem, dass viel Bewegung und ein aktiver Lebensstil die Nachteile der APOE4-Genvariante ausgleichen können. ,,Es könnte daher sein, dass die Jäger und Sammler der schlechten Variante im wahrsten Sinne des Wortes davongelaufen sind, da sie täglich lange Strecken zu Fuß zurückgelegt haben", sagt Kolbe. Noch heute tragen Naturvölker mit einer Jäger-und-Sammler-Lebensweise einen höheren Anteil von APOE4.

Also, wenn der Hempwurst seinem Schicksal entgehen möchte (er könnte ja sehr alt werden, mit den Genen), dann sollte er nicht meditieren und Bücher lesen, sondern er sollte einfach das machen, was er eh schon gemacht hat: Muskeln trainieren. Oder sich einfach mal locker machen.

Das Beispiel zeigt eigentlich schön, warum man von solchen Tests abrät. Sie sagen ungefähr so viel, wie das Thermometer über einen Waldbrand. Es ist ein Faktor, der unter bestimmten Umständen etwas auslösen kann. Aber man kennt die Umstände ggf. gar nicht (das Gen hat ja nur ein bestimmtes Potential). Der tut möglicherweise genau das, was das Gen braucht, um seine schädliche Wirkung zu entfalten.

(er könnte sich ja vorsorglich das Hirn amputieren lassen. OK, der war böse)
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 31. Januar 2024, 22:36:16
Mache das mal hier rein, es würde aber auch in den Gwup-Faden passen (komme noch drauf).

ZitatLokalzeit: Was genau lässt sich damit alles über einen Menschen herausfinden?

Courts: Mit der PCR-Methode kann man im Prinzip alles Mögliche aus der DNA über einen Menschen erfahren. In Deutschland dürfen allerdings nur bestimmte Informationen erhoben werden. Das ist in der Strafprozessordnung explizit geregelt. Wir dürfen ausschließlich das Geschlecht und das DNA-Profil einer Person ermitteln, also die Identität. In Ausnahmefällen dürfen wir auch Haar-, Haut- und Augenfarbe sowie das biologische Alter einer Person feststellen. Unzulässig sind genetische Untersuchungen zu Krankheiten oder charakterliche Eigenschaften. Auch die sogenannte biogeografische Herkunft eines Verdächtigen darf man in Deutschland nicht bestimmen. Sie gibt Auskunft über die geografische Region, aus denen wahrscheinlich die Vorfahren einer Person stammen. An sich könnte das natürlich einen erheblichen, ermittlerischen Mehrwert bieten.

Lokalzeit: Warum ist das in Deutschland nicht erlaubt?

Courts: Die biogeografische Herkunft, nicht Identität, ist nicht ungenau, im Gegenteil. Man kann die kontinentale Herkunft einer Person anhand einer biologischen Spur sehr genau vorhersagen. Und wir können auch den Fehlerbereich gut bestimmen. Es gibt keine wissenschaftlichen Gründe, diese Untersuchung nicht durchzuführen. Die meisten meiner Kollegen und Ermittler bei der Polizei würden den Einsatz der Methode sehr befürworten. Dass sie in Deutschland, im Gegensatz zur Schweiz oder den Niederlanden, nicht eingesetzt werden darf, hat ausschließlich politisch-ideologische Gründe.
https://www1.wdr.de/lokalzeit/verbrechen/dna-analyse-was-verraet-sie-funktion-petra-nohl-100.html

Das ist - denke ich - weniger eine ethisch/moralische Frage (die es auch ist), es ist vielmehr eine ideologische. Der Mensch hat gefälligst gleich zu sein, es darf schon gar keine immanenten (angeborenen) Merkmalsunterschiede zwischen de Menschen geben, die es erlauben, da zu klassifizieren (dazu habe ich oben schon mal was geschrieben). Das geht so weit, dass man Fakten ignoriert und Techniken ablehnt, die auch einen Nutzen haben (der weit über einen möglichen Schaden liegt). Kennt man auch aus anderen Bereichen.

Das Interview mit Courts deutet an, warum man ihn aktuell nicht in der Gwup haben will. Die anderen Vorwürfe sind nur windige Konstrukte, um nicht sachlich argumentieren zu müssen. Da wäre man schnell in der Schwurbelecke. Das sind Themen, die nicht in den woken Zeitgeist passen und an denen die ganze Absurdität des Theaters wieder mal deutlich wird. Einerseits wird alles auf Identitäten gebaut, die ein Wesensmerkmal der Grüppchen voraussetzen (Ethnie, Geschlecht). Dass diese Merkmale aber eine objektive biologische Basis haben, darf aber nicht sein. Es ist ja schließlich alles nur sozial konstruiert. Passt irgendwie nicht so richtig zusammen.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Typee am 02. Februar 2024, 09:50:48
Zitat von: eLender am 31. Januar 2024, 22:36:16Mache das mal hier rein, es würde aber auch in den Gwup-Faden passen (komme noch drauf).

ZitatLokalzeit: Was genau lässt sich damit alles über einen Menschen herausfinden?

Courts: Mit der PCR-Methode kann man im Prinzip alles Mögliche aus der DNA über einen Menschen erfahren...
https://www1.wdr.de/lokalzeit/verbrechen/dna-analyse-was-verraet-sie-funktion-petra-nohl-100.html

Das ist - denke ich - weniger eine ethisch/moralische Frage (die es auch ist), es ist vielmehr eine ideologische...

Das denke ich auch. Wieso ausgerechnet diese Methoden nicht zu einer kriminaltechnisch regelmäßig  erforderlichen Eingrenzung des Täterkreises genutzt werden sollen, verstehe ich nicht. Nehmen wir ein beliebiges anderes Tätermerkmal:

Ein bewaffneter Raubüberfall mit einem in Frage kommenden Täterkreis von vier oder fünf Personen. Es steht fest, dass  die beiden maskierten Täter untereinander Arabisch sprachen. Sollen die anderen zwei oder drei im Ernst nicht aus der Gruppe der Verdächtigen ausgeschlossen werden dürfen, weil sie dieser Sprache offensichtlich nicht mächtig sind? Weil das kulturell diskriminierend wäre....? Und mehr noch: mindestens einer der tatsächlich nicht tatbeteiligten Verdächtigen sitzt in Untersuchungshaft und kann dank dieser noblen Verzichtsgeste erst einmal nicht entlastet werden. Hm.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Max P am 02. Februar 2024, 11:05:51
Zitat von: Typee am 02. Februar 2024, 09:50:48Wieso ausgerechnet diese Methoden nicht zu einer kriminaltechnisch regelmäßig  erforderlichen Eingrenzung des Täterkreises genutzt werden sollen, verstehe ich nicht.
Meines Wissens wird das durchaus genutzt. Ich hatte mal eine osteuropäische Kollegin, die genau aus solchen Gründen (an den Kriminalfall selbst erinnere ich mich nicht mehr, und die Kollegin hatte damit nichts zu tun) um einen DNA-Test gebeten wurde.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: zimtspinne am 02. Februar 2024, 18:04:47
Ich vermute, es geht bei dieser Art und Form (und Herkunft) der Kritik um "Racial Profiling".
Die Einführung erweiterter DNA-Analysen gefährdet die Menschen- und Minderheitenrechte. Insbesondere um die Rechte von rassifizierten und ethnisierten Personen zu schützen, muss die Polizei in ihren Ermittlungen auf erweiterte DNA-Analysen verzichten.

Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: zimtspinne am 02. Februar 2024, 18:15:20
Nach Einschätzung vieler Organisationen und Prof. Dr. Veronika Lipphardt ist der Nutzen fragwürdig und als eher gering zu bewerten.  ::)

Gen-ethisches Netzwerk e.V.: (https://www.gen-ethisches-netzwerk.de/GID/241/stellungnahme/gegen-erweiterung-polizeilicher-befugnisse-dna-analyse)
ZitatDie Aussagekraft von Tests für die meisten Haar- und Augenfarben ebenso wie für die Hautfarbe ist äußerst niedrig. Nur bei spezifischen Merkmalen (eindeutig blauen oder dunkelbraunen Augen, eindeutig schwarzen oder roten Haaren) gibt es höhere Vorhersagewahrscheinlichkeiten. In den Studien liegen hier die Trefferquoten je nach verwendeten Markern, Referenzpopulationen und statistischen Modellen zwischen 87 und allerhöchstens 98 Prozent. Das heißt aber umgekehrt, dass selbst bei diesen Pigmentierungen 2 bis 13 Prozent der Ermittlungen in die Irre geführt werden. Zudem sind diese Verfahren wissenschaftlich bisher nicht ausreichend überprüft, und vorliegende Validierungsstudien sind von äußerst mangelhafter Qualität.

Ähnlich vage Ergebnisse erzielen Tests auf die ,,biogeographische Herkunft". Höhere Wahrscheinlichkeiten lassen sich allenfalls bei kontinentaler Herkunft erzielen, nicht aber bei nationalen oder regionalen Eingrenzungen. Auch für Laien ist offensichtlich, dass angesichts der Geschichte globaler Migration selbst kontinentale Zuordnungen notwendig fehleranfällig sind. Die derzeit verfügbaren Tests kommen auch bei gleicher DNA aufgrund verschiedener Referenzdaten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Zudem basieren diese Datenbanken auf stereotypen Zuschreibungen, wenn es um Ethnizität und Herkunft geht. So deskriptiv die ,,biogeographischen Marker" vermeintlich sind - so sehr basieren sie auf Strategien der Rassifizierung.

Ebenso überschätzt der Gesetzentwurf auch das Verfahren der Verwandtensuche. Bei Massengentests sollen Verwandte einer/s Probengeber_in in Ermittlungen einbezogen werden, wenn das Proben-DNA-Profil teilweise mit dem Spuren-DNA-Profil übereinstimmt. Das Gesetz bestimmt nicht, wie hoch die Teilübereinstimmung ausfallen muss und erlaubt Rückschlüsse bis auf Verwandte dritten Grades in der Seitenlinie, auch wenn hier biostatistisch die Übereinstimmungen nur noch gering sind und eine hohe Quote falsch-positiver Zufallstreffer erwartbar ist. Zudem würde eine sehr große Gruppe entfernt verwandter Personen in Ermittlungen einbezogen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung mit der Spuren-DNA äußerst gering ist.

Der kriminalistische Nutzen dieser Verfahren ist insofern fragwürdig. Tatsächlich kommen sie auch dort, wo sie legal sind, äußerst selten zur Anwendung und führen noch seltener zu Ermittlungserfolgen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass eine wissenschaftsgläubige Überschätzung dieser Methoden, zu denen auch die mediale Darstellung der Gerichtsmedizin entscheidend beigetragen hat (der sogenannte CSI-Effekt), zu Fehlinterpretationen und irregeleiteten Ermittlungen.

In NL kam dieses Verfahren seit 2003 bisher nur zehnmal zum Einsatz. Aus meiner Erinnerung, inwzsichen könnte sich die Zahl leicht nach oben verändert haben. Wie die Seltenheit zu berwerten ist, kann jeder für sich entscheiden. 
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: Conina am 02. Februar 2024, 20:57:33
Dieses Netzwerk ist keine gute Quelle. Steht das auch anderswo?
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: zimtspinne am 02. Februar 2024, 21:09:40
Ja, aber ich wollte zu einem Perspektivwechsel ermuntern.
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 02. Februar 2024, 23:33:58
Es geht um Rassismus bzw. einer merkwürdigen Vorstellung davon. Ich habe weiter oben schon mal auf einen Beitrag verlinkt, der das Grundproblem erklärt. Man kann Genome anhand charakteristischer Merkmale (SNP) klassifizieren bzw. nach ihrer Ähnlichkeit (Verwandtschaft) gruppieren. Da fällt dann z.B. auf, dass es Genome gibt, die eine ähnliche "biogeographische Herkunft" aufweisen, rein deskriptiv (Cluster). Das klingt nach (biologistischem) Rassismus, weil es ja angeblich keine strukturellen Unterschiede zwischen den Menschen(-Gruppen) geben darf. Dabei kann man das objektiv feststellen, und es sagt erst mal gar nichts weiter aus, v.a. nichts über eine Wertigkeit (erst ab da kommt man überhaupt in den Bereich des Rassismus). Deswegen ist es verpönt, das für z.B. forensische Methoden zu verwenden.

Die Dame mit dem Perspektivenwechsel nutzt die üblichen Strohmänner. Keiner sagt, dass das ein 100%-Match sein kann und auch muss. Das ist bei anderen Tätermerkmalen mindestens genauso problematisch. Auch ist das nur ein weitere Hinweis, der alleine niemals für eine Verurteilung/Verdächtigung reicht (das steht alles im Beitrag von Courts). Man muss auch das Prinzip verstehen. Das sind statistische Methoden, die immer (nur) Wahrscheinlichkeitsaussagen erlauben. Wenn die Datenbasis klein ist, dann ist auch die Verallgemeinerung schlecht. Aber das ist ein lösbares Problem. Soweit ich mich erinnere, ist gerade die "biogeographische Herkunft" sehr gut ableitbar. Das ist übrigens ein Paradefeld für KIs, die fressen gerne riesige Datenmengen. Ich gehe davon aus, dass diese Modelle in Zukunft sehr gute Voraussagen ermöglichen. Trotzdem wird das nie reichen, um jemanden im Vorfeld zu verurteilen. Und - wie Typee anmerkt - ist es nicht nur ein Mittel, jemanden zu belasten (verdächtigen), es ist genauso gut geeignet, jemanden zu entlasten.

Das Rumgeeiere ist eindeutig ideologisch motiviert. Es darf einfach keine Unterschiede in der Genetik zwischen den Ethnien geben. Die unterschiedlichen Merkmale sind schließlich alle nur sozial konstruiert. Das nennt man dann Rassismus.

Zitat von: zimtspinne am 02. Februar 2024, 21:09:40Ja, aber ich wollte zu einem Perspektivwechsel ermuntern.
Hamse dich jetzt auch eingefangen, die Woken? Früher oder später gibt jeder nach, man erträgt es einfach nicht auf Dauer, als böser Mensch bezeichnet zu werden (das gelingt nur wenigen, mir z.B.)
( ;) )
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: RPGNo1 am 05. Februar 2024, 11:19:04
Zitat von: zimtspinne am 02. Februar 2024, 18:15:20Nach Einschätzung vieler Organisationen und Prof. Dr. Veronika Lipphardt ist der Nutzen fragwürdig und als eher gering zu bewerten. 

Frau Lipphardt hat ihre Thesen auch auf Cornelius' Blog mehrfach zum besten gegeben. Ihre Argumente und ihre Position haben Cornelius Courts allerdings nicht überzeugt, wie er ihr mehrfach erklärt hat.

https://scienceblogs.de/bloodnacid/2017/04/06/deutschland-modernisiert-hoffentlich-endlich-die-stpo/
https://scienceblogs.de/bloodnacid/2021/02/28/die-charite-schliesst-ihre-forensische-genetik-aus-kostengruenden/
Titel: Re: Genetik und Menschen
Beitrag von: eLender am 06. Februar 2024, 00:14:24
Zitat von: RPGNo1 am 05. Februar 2024, 11:19:04Frau Lipphardt hat ihre Thesen auch auf Cornelius' Blog mehrfach zum besten gegeben
Aha, danke für den Hinweis, wundert mich nicht. Werde ich bei Gelegenheit mal über die Netzhaut ziehen. Für einen Kommi wird es allerdings zu spät sein ::)