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Krise in der Ukraine

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Begonnen von RPGNo1, 18. Februar 2022, 18:04:53

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sailor

Vor allem bekommt die Ukraine Material, was Lehnstuhlstrategen IMMER unterbewerten und woran man erkennt, dass im Kreml auch nur Lehnstuhlstrategen sitzen: Medizinische Ausrüstung, Bekleidung, Fertignahrung/Ein-Mann-Rationen, Pioniergerät und Pio-Material, Fernmeldeausrüstung. Das alles sind KräfteMULTIPLIKATOREN. Die Ukraine kann ihren Soldaten gute Handwaffen und bessere Schutzausrüstung hinstellen als D, die Motivation ist sowieso gut... und nun kommt noch qualitativ gutes Essen und die Gewissheit anständiger medizinischer Versorgung hinzu... dazu Pioniermaterial, welches zum Schutz vor russischer Artillerie oder zur Beschleunigung von Offensiven genutzt werden kann. Schwere Waffen sind gut und schön, da hat die Nato einiges, was wirklich Vorteile bringt... aber schwere Waffen allein siegen nicht. Und schwere Waffen allein definieren nicht die Durchhaltefähigkeit der Truppen... sie können sogar zu einer Last werden.

Die Diskussion kommt jetzt in Fahrt, weil man auf politischer Ebene jetzt meint, dass die Ukraine siegt und dass man mit einer deutlicheren Parteinahme auf der Seite der Sieger stehen könnte... typischer Lumpenpazifistenopportunismus. Man hätte im Mai Leo 2 und Marder freigeben sollen, dann wäre es jetzt noch deutlicher. Gleichzeitig zeigt der Umgang mit dem Sondervermögen, dass man in Regierungkreisen KEINE Zeitenwende will, sondern nach diesem "Ausrutscher" wieder Business as usual im BMVG machen soll. Die bisherigen Strukturvorschläge sind eine Beleidigung, die Generalität hält den Ukrainekrieg anscheinend für eine Keilerei irgendwelcher Barbaren am anderen Ende der Welt. Dabei will man dort grade die Fehler der russen nachmachen: "Mittlere Kräfte!" sollten schon das Heil für Auslandseinsätze bringen und sie werden jetzt als der neueste heiße Shice gehypt. Dabei haben gerade die Mot-Schützen der russen auf leichtgepanzerten Fahrzeugen extrem geblutet. Auch die Amis haben im Irak gemerkt, dass Stryker nicht unbedingt das beste Mittel sind.

sailor

Es rumort in Zaristan: Selbst kremltreue Blogger und Medien können die kognitive Dissonanz nicht mehr aufrechterhalten. BR

RPGNo1

Die Nachricht passt zu meinem Kommentar #3027.

ZitatDer Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Roth, sagte im Deutschlandfunk, es müsse in dieser entscheidenden Phase des Kriegs gegen Russland eine enge Abstimmung mit den USA und der NATO über eine mögliche Unterstützung geben. Nur Deutschland und die USA könnten die von der Ukraine erwarteten Panzer liefern.

https://www.deutschlandfunk.de/roth-plaediert-fuer-lieferung-von-kampfpanzern-in-absprache-mit-usa-und-nato-100.html


Scipio 2.0

Zitatdie Generalität hält den Ukrainekrieg anscheinend für eine Keilerei irgendwelcher Barbaren am anderen Ende der Welt.

Bitte was? (da fällt mir gleich gar nichts weiter dazu ein, so platt bin ich da)

Max P

Zitat von: sailor am 13. September 2022, 09:20:36Es rumort in Zaristan: Selbst kremltreue Blogger und Medien können die kognitive Dissonanz nicht mehr aufrechterhalten. BR
Zum Glück verfügt Russland über gute Kontakte nach ganz oben.


sailor

@scipio: Ist meine Wahrnehmung, wenn ich die (Nicht-)Reaktion in den ganzen Planungsvorschlägen und den Publikationen (wie zB loyal) sehe. Anstatt das Sondervermögen zu nutzen, um in der Beschaffung das Ruder rumzureißen bindet man es fest und haut zusätzliche Kohlen in den Kessel. Es ist ein "Weiter so wie bisher", da werden Projekte aus der Schublade gezogen, die den Einsatzfokus weiter verfestigen, statt wieder zurück auf Landes- und Bündnisverteidigung zu schwenken.

RPGNo1

Eine mal lustige, mal nachdenkliche Zusammenstellung, wie Russlands Propagandisten mit Tatsache zurecht kommen wollen, dass die russische Armee in den vergangenen Tagen eine ganz gewaltigen tritt in die Nüsse erhalten hat.

https://www.stern.de/politik/ausland/russland--wie-die-ukrainische-offensive-die-kreml-propaganda-ins-chaos-stuerzte-32717834.html

eLender

Wow :grins2:

ZitatDass die ukrainischen Truppen nicht nur eine heldenhafte Kampfmoral zeigen, sondern - anders als die schwerfällige russische Armee - auch taktisch flink-flexibel reagieren und westliche Waffen geschickt einsetzen, ist Saluschnyjs Werk. Der General ist der erste ukrainische Oberbefehlshaber, der nicht mehr in der Sowjetunion ausgebildet wurde. Er verkörpert die tiefgreifende Reform des ukrainischen Militärs seit 2014. Eine seiner ersten Amtshandlungen war es, den Offizieren im Feld mehr Autonomie zuzugestehen, er ordnete gewissermaßen eine Demokratisierung an und erlaubte Soldaten an der Front, ohne Rücksprache mit der obersten Führung das Feuer erwidern zu können.

Saluschnyj entwickelte zugleich ein Partisanenkonzept, das flexiblen Widerstand auch hinter den feindlichen Linien organisiert, das die Zivilbevölkerung im Widerstand mit einbezieht, das den modernen Drohneneinsatz systematisch betreibt. "Der General hat aus einer alten Sowjetblockarmee eine quirlige, dezentrale, digital gerüstete Überraschungstruppe formiert. Es ist, als ob eine Telefonzelle gegen moderne Handys antritt", analysieren Militärexperten. In einem Interview sagte Saluschnyj einmal: "Wir wollen weg von Landkarten und dem Schreiben von Schlachtbefehlen wie 1943." Die Ironie der Geschichte besteht nun darin, dass er jetzt gegen einen Feind kämpft, der mehr nach 1943 aussieht als nach 2022.
https://www.n-tv.de/politik/politik_person_der_woche/Der-Helden-General-der-Russland-besiegt-article23584896.html

Am besten finde ich, dass er scheinbar keine politischen Ambitionen hat, ein Kriegs-Nerd sozusagen.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

RPGNo1

@eLender

Über Saluschnyj habe ich auch schon verschiedenes gelesen. Fast alle Artikel waren voll des Lobes über ihn, seine Bescheidenheit und seine Verständnis auch gegenüber niedrigen Miltärrängen, seine Expertise und seine Aufgeschlossenheit allen (militärischen) Neuheiten und Verbesserungen gegenüber und wie er die Reform der ukrainischen Armee vorantrieb.

Das krasse Gegenteil gegenüber der russischen Generalität, die in schwerfälligen Handbuchdenken und Hierachien der Vergangenheit verhaftet ist, sich feige gegenüber einem skrupellosen Oberbefehlshaber verhält (Putin), und die in den verschiedenen Konflikten und Kriegen bewiesen hat, dass ihr die unterstellten Soldaten vollkommen egal sind oder dass sie Terror für ein legitimes Mittel der Kriegsführung hält, ja sogar stolz darauf ist.

eLender

Ich kenne bzw. kannte die Ukraine (politische&kulturelle Struktur) bisher nur wenig. Man hört bis neulich immer nur, sie seien auf dem Weg zur Demokratie, aber noch sehr von Korruption zerfressen. Das wäre für mich z.B. noch eine hohe Hürde auf dem Weg in die EU. Wenn man aber ließt, wie sehr das Militär schon "durchdemokratisiert" ist, ist das ein sehr positives Signal. Wenn die Ukraine im Frühling befreit ist, werde ich ggf. mal eine Exkursion dorthin machen. Tschernobyl soll im Frühjahr recht schön sein und an der Schwarzmeerküste soll es vor Diptam wimmeln. Darf die Sammelbüchse nur nicht vergessen.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Peiresc

Ein Teil der russischen Propaganda beschwört die Situation 1941, 1942, als die Sowjetunion hoffnungslos schreckliche Verluste erlitten hat, aber das Blatt wenden konnte. Ein anderer Teil der Öffentlichkeit dagegen:
Zitatopen letter to Putin from municipal deputies in the Russian capital's Lomonosovsky district
[...]
"The rhetoric that you and your subordinates use has been riddled with intolerance and aggression for a long time, which in the end effectively threw our country back into the Cold War era. Russia has again begun to be feared and hated, we are once again threatening the whole world with nuclear weapons," the letter read.

"We ask you to relieve yourself of your post due to the fact that your views and your governance model are hopelessly outdated and hinder the development of Russia and its human potential," the deputies said in closing.

Und, nicht ungeschickt:
Zitatthey made no mention of the war against Ukraine
Sie verbreiten keine Fakes über das glorreiche russische Militär.

https://www.thedailybeast.com/moscow-officials-urge-vladimir-putin-to-give-up-power

sailor

Saluschnyi scheint ein Militär im westlichen Sinne zu sein: Technokrat, der in seiner Aufgabe völlig aufgeht... und dort genug mit den "alten" Sowjetstrukturen zu tun hat, insbesondere in höheren Rängen. Darüber hinaus scheint in der Ukraine auch die Aufgabenteilung hervorragend zu funktioneren: Selensky ist zwar das Gesicht, mischt sich aber nicht in die Details ein... und Saluschnyi liefert, was die Politik fordert. Typische Arbeitsteilung.

Ukraine als Ganzes: Die Ukraine ist... kompliziert. Komplizierter als russland, weil dort seit Jahrzehnten die Nähe der EU wirkt. Die "ethnische" Teilung hat ihr übriges getan, genauso wie die klassische Transistion der sozialistischen Wirtschaft in eine Oligarchie. ABER: Seit der Unabhängigkeit ist eine deutliche Entwicklung zu sehen... diese ist nicht stetig, sondern von den jeweiligen Herrschern abhängig. Insgesamt ist die Ukraine deutlich weiter gekommen als russland, aber es gab auch Rückschläge. Wichtig ist: Der Wille zur Veränderung ist bis 2014 gewachsen... und mit Donbas/Krim nochmal gesteigert worden. Dass man Institutionen nicht von heute auf morgen umstellen kann ist klar... aber spätestens jetzt hat die Ukraine einen richtigen Gründungsmythos, der in die Staatlichkeit der Zukunft interpretiert werden kann und muss.

russlands Bauchweh: Es ist... interessant in jedem Wortsinn. russland bewegt sich auf einen Punkt zu, der völlige Unsicherheit birgt. Denn im Moment rumort es überall, nicht nur die Liberalen und Demokraten sind unzufrieden, sondern auch die Kommunisten und Ultranationalisten. Da sind "neue Bündnisse" möglich, die so gar nicht positiv für Europa wären... und für russland. putin wird so schnell nix passieren (verzweifelte Einzelal´ktionen mal aussen vor), er ist derzeit der Garant für einen Ausgleich zwischen den Gruppierungen. Denn es gibt keine Gruppe, die derzeit allein in der Lage wäre, putin zu ersetzen... gleichzeitig ist niemand bekannt, der eine stabile Allianz schmieden könnte... alles fließt derzeit und ohne eine Perspektive werden sich wichtige Gruppen (Militär, Dienste, Verwaltung) NICHT gegen putin exponieren.

russlands Phantomschmerz: Die Vergleiche mit 1941 sind jetzt die negative Rückkopplung der ständigen Weltkriegsnostalgie. Das merken die russen auch, einerseits wollen sie den Vergleich und den Rückgriff auf glorreiche (blutige) Zeiten, andererseits ist ihnen klar, dass es ganz und gar nicht passt. Es geht dabei um das heutige "Gefühl, wie es damals hätte gewesen sein können", eine vereinigte Kraftanstrengung, ein nationaler Moment. Das ist es nur in der heutigen Propaganda. Die Realität war, dass die Einiigkeit herbeigetrickst wurde... durch Stalin unter Verrat der sowjetischen Ideale, indem er auf die Nationalitäten und die Kirche zurückgegriffen hat. Gleichzeitig wurde das ganze Ausmaß des militärischen Versagens der politischen Führung damals offenkundig: Die Aufstellungs- und Mobilisierungspläne gingen von sofortigen Gegenangriffen und aggressiven Manövern aus, ohne dass die Truppen dazu vorbereitet, ausgebildet oder ausgerüstet waren. Warnungen und Alternativen sind in der Großen Säuberung vernichtet worden. Gleichzeitig hat Stalin immer gedacht, dass die Deutschen NICHT kommen... es gab sogar explizite Befehle, NICHT zu schiessen. Die harschen MAssnahmen 41/42 waren notwendig, weil Stalin vorher versagt hat.

Peiresc

Zitat von: sailor am 14. September 2022, 11:45:25putin wird so schnell nix passieren
Zumindest besteht aber doch noch ein Unterschied zum Nationalsozialismus und vielleicht auch zu (dem späten) Stalin. Sakrilege, wie den von der Vorsehung gesandten, gottgleichen Führer auch nur implizit zu kritisieren, wären da undenkbar gewesen. Auch hatte Göbbels den Propaganda-Apparat in Krisenzeiten fester im Griff, IMHO. Da gab es nur ein Narrativ, und nicht, so wie jetzt in Russland, den Versuch, alles an die Wand zu klatschen und zu sehen, was hängen bleibt.

RPGNo1

Generaloberst Oleksandr Syrskyi, der den Gegenangriff der ukrainischen Armee bei Charkiw geplant und geleitet hat (und auch Kiew im März erfolgreich gegen den russischen Angriff verteidigte), scheint mir ein ähnlich fortschrittliches Kaliber wie sein oberster Chef Walerij Saluschnyj zu sein.

https://www.t-online.de/nachrichten/ukraine/id_100051808/ukraine-krieg-oleksandr-syrskyi-das-hirn-hinter-dem-ukrainischen-vormarsch.html

sailor

@Peiresc: Der Zeitenvergleich hinkt wie Goebbels... Die Propaganda im WK2 hatte eine deutlich andere Grundlage, "debunking" und Widerrede waren viel weniger möglich als heute. Eine stringente Storyline konnte durch geschicktes Ausblenden von Widersprüchen gut verankert werden, weil die Inkonsistenzen nicht auffielen. Deswegen hat man damals auch "Feindsenderhörer" so erbittert gejagt und ist damit auch durchgekommen... übrigens auch bei den Sowjets, dort wurden nach Kriegsbeginn ALLE Privatradios und Funkanlagen registriert und ggf. konfisziert. Die kremlpropaganda muss heute einen anderen Ansatz wählen. Erstens kann sie debunking und Counterpropaganda nicht verhindern und zweitens ticken die Propagandamacher heute anders. Daher wird mit "Spamming/Weißem Rauschen" reagiert, widersprüchliche Aussagen, immer neue Begründungen... es geht um das Verdecken der Wahrheit, nicht um das Widerlegen durch Propaganda. Das ist deutlich leichter, als die Wahrheit zu verbiegen. Zum Zweiten Punkt: russland ist heute viel mehr auf formale Einhaltung der "Regeln" bedacht, das Einhalten der richtigen Form ist wichtiger als der richtige Inhalt. Die Botschaft muss so aussehen, als passt sie zur offiziellen Linie... ob sie wahr sein könnte ist zweitrangig. Die Menschen dort denken in dieser Anscheinskategorie, da geht der Schein übers Sein und das trifft auch auf die Propaganda zu. Das führt dann zu den Stilblüten aus dem Meme-Faden.