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Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen ist strafbar

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Begonnen von Marsmensch, 09. Juli 2012, 11:35:56

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40_Fieber

Ich werfe das mit schwerem Herzen weg. Die SPD war 25 Jahre meine Heimat. Auch in den Austrittswellen stand ich zu ihr.

Aber das geht nun gar nicht mehr und ich habe mir das gut überlegt. Schade.

Bei Menschenrechtsverletzungen hört das Verständnis auf.
http://kidmed*info/

Maxi

40_Fieber, Respekt vor deiner Entscheidung!
Im Moment siehts so aus, als ob die Linken die einzige Partei mit Rückgrat sind. Ich habe mich bisher immer gescheut, die zu wählen, aber die anderen kommen jetzt ja sowas von nicht mehr infrage. Dieses Rumgeeiere mitBlick auf die Wählerstimmen nervt nur noch, die denken überhaupt nicht mehr selbst. Die Claudia Roth weint doch immer so schön, kann man der nicht mal den link von Pflegewiki mit den Komplikationen zukommen lassen? Da könnte man mal sehen, ob sie wirklich die Empathie hat, die sie immer so medienwirksam zelebriert.
Ich neige eigentlich nicht zum Politikerbashing, habe oft Verständnis für die schwierige Arbeit, bin aber im Moment nur noch enttäuscht.
Wenn es nicht Absicht ist, ist es doch System.
Dr. Ici Wenn selig

40_Fieber

Zitat von: Maxi am 16. Juli 2012, 19:56:08
Ich neige eigentlich nicht zum Politikerbashing, habe oft Verständnis für die schwierige Arbeit, bin aber im Moment nur noch enttäuscht.

Ja, ich bin auch enttäuscht. Und ich finde es peinlich, wenn nur noch die Linke einen Blick auf das Grundgesetz wirft. Ausgrechnet die angebliche SED-Nachfolgepartei (wobei viele SPDler auch da rein gegangen sind, weil ihnen die halbseidenen Kompromisse nicht mehr gepaßt haben)!

Ich habe immer noch keine Antwort auf meine geharnischte Mail an den Vorstand der SPD. Das ziehen die jetzt durch, bis sie der Shitstorm auffrißt.
http://kidmed*info/

Wolleren

(Mal wieder eine Philosophenabrechnung)

Der Philosoph Robert Spaemann, 85, greift in der ,,Zeit" vom 5.7.2012 das Kölner Urteil an.
Titel: Der Traum von der Schicksallosigkeit
Untertitel: Ein deutsches Gericht verbietet Beschneidungen und verurteilt sie als Körperverletzung. Das ist ein beispielloser Angriff auf die Identität religiöser Familien.

Tatsächlich ist der Beitrag Spaemanns nicht ,,beispiellos", sondern beispielhaft für die Blödsinnigkeit der Verteidiger des Beschneidungsritus.

In der Einleitung geht es zunächst um Grundrechte:
ZitatIm Kölner Urteil geht es um den scheinbaren Konflikt zweier oder auch dreier Grundrechte. ... Grundrechte hingegen [im Ggs. zur Menschenwürde] unterliegen häufig einer Güterabwägung. So auch der Beschneidungsfall. Abgewogen werden müssen nämlich das Erziehungsrecht der Eltern, die Religionsfreiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Abgesehen davon, dass es hier zunächst um die Religionsfreiheit der Eltern geht und durchaus nicht um die Freiheit des Kindes (dazu später mehr), versteht jemand, inwiefern der Konflikt nur ,,scheinbar" sein soll? Ist die Pflicht zur Abwägung etwa nicht auf einen Konflikt zurückzuführen - macht man sie nur aus Spaß?

ZitatNun ist aber dieser Akt mit einer Körperverletzung verbunden, ebenso wie zum Beispiel jede Impfung. Die Verletzung ist aber geringfügig. Sie entspricht in ihrer Schwere zum Beispiel der Masernimpfung, die bekanntlich von manchen Ärzten abgelehnt wird und bei der es das Recht der Eltern ist, zu entscheiden, welcher Schulmeinung sie sich im Interesse des Kindes anschließen. 
Vielleicht hätte Spaemann statt Philosoph lieber Milchwirt und damit Tolzins Kollege werden sollen. Wenigstens ein BISSCHEN Realitätssinn, eine MINIMALE Informiertheit ist doch einem Philosophen zuzumuten. Das Wort ,,bekanntlich" ist eine einzige Bankrotterklärung.

Anschließend führt Spaemann drei Beispiele an, bei denen es seiner Meinung nach ,,klar" ist, dass der Boden des Grundgesetzes überschritten würde, wenn es eine religiöse Vorschrift gäbe: Genitalverstümmelung von Mädchen, Fußverkrüppelung adliger Mädchen (Alt-China), Kastration zum Zweck des schöneren Gesangs.
Das ist ja alles nett, aber WARUM hier eine Grenze überschritten wird, und WARUM das sexuelle Erleben von Juden und Muslimen keinen Schutz genießen soll, verschweigt Spaemann.
Es ist doch so einfach, einige Gedankenexperimente durchzuführen: Wie wäre es mit einer Tätowierung ,,Property of God" a) auf dem Hintern, b) auf der Brust, c) auf der Stirn – jeweils von Minderjährigen? Mit ein bisschen Narkosemittel ist das doch noch viel ungefährlicher als eine Masernimpfung! Und gottgefällig obendrein. Da Spaemann behauptet, die Beschneidung hinterlasse keine körperliche Verunstaltung, sollte man das bei einer Tätowierung doch auch behaupten können. Und Leute, die das ästhetisch finden und Als-Kind-Schon-Tätowierte, die sich auch gar nicht verstümmelt fühlen, wird man auch auftreiben können.

ZitatDas Gericht hat den soziologischen, ethnokulturellen Aspekt gänzlich ignoriert und einen beispiellosen Angriff auf die Identität jüdischer Familien geführt.
Das ist doch nur noch dämlich. Das Wort vom Angriff kann übrigens nur aufrechterhalten werden, wenn man sich einen saftigen Nazivergleich hinzudenkt. Das ist dann allerdings nicht mehr dämlich, sondern bösartig.
Herzlichen Glückwunsch übrigens an das Gericht, das nicht dem grassierenden Kulturrelativismus, sondern dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit huldigt. Dass die Berücksichtigung religiöser ,,Gebote" durch die Rechtsprechung auch die Frage nach der Gültigkeit der Scharia in Deutschland neu stellt, scheint den Vorhautsammlern nicht bewusst zu sein.

Doch Spaemanns richtiger Angriff kommt erst jetzt:
ZitatHinter der Ablehnung religiöser Prägung in der Kindheit steht der Gedanke der Schicksallosigkeit als Lebensqualität. ... Wer Kinder von einem Leben auf dem Hintergrund einer göttlichen Dimension fernhält, der prägt sie atheistisch. Eine Weilt ohne Gott, das ist ebenso eine Prägung wie eine Welt mit Gott. Der Gedanke, man müsse Kinder vor ,,Fremdbestimmung" bewahren, verkennt, dass ohne anfängliche Fremdbestimmung es nie eine Selbstbestimmung geben kann. ... Aber die ursprüngliche Prägung durch die Muttersprache ist irreversibel. ...
Das Schwarz-Weiß-Denken eines bankrotten Philosophen: a) Prägung ist ok, b) auch irreversible Prägung ist manchmal völlig ok, c) wird ein Kind nicht religiös geprägt, wird es atheistisch geprägt. Das ist dermaßen flach gedacht, dass es schon peinlich ist. Selbstverständlich gibt es eine Pflicht zur Prägung – d.h. Ausbildung – von Kindern. Tatsächlich gibt es irreversible Prägungen, doch jede bewusst eingegangene Prägung sollte auf einer wohlabgewogenen Entscheidung beruhen: raubt man mehrsprachigen Kindern bspw. ihre Muttersprache, sind alle genetischen Ausprägungen gleich gewollt, ist die Prägung auf bekannte geschlechtsspezifische Rollen gewollt? Kann man Kinder zu Religionstoleranz erziehen, ohne sie einem Gott zu widmen?

Letztlich bezweifelt Spaemann, dass es einen atheistischen Nathan geben kann. Anwort: Ja, Atheisten sehen Religionen deren Abartigkeiten nicht nach; und nein, denn Toleranz in Glaubensdingen benötigt nicht Kinder, die im Dunkel der ,,göttlichen Dimension" aufwachsen.

editor

Was ich bei der ganzen Diskussion über Beschneidung/Verstümmelung nicht verstehe- keiner bemüht die Kinderrechtskonvention (KRK). Die ist ja praktisch global überall ratifiziert.
Und Kindergesundheit durchdringt doch die gesamte KRK ?
Recht auf höchstmögliche Gesundheit- ist doch unvereinbar, wenn gesunden Kindern ohne medizinische Indikation ein Stück abgeschnitten wird. Egal obs jetzt die Vorhaut oder die Labien sind.

40_Fieber

Frau Schröder und ihre Betäubungsphantasien:

Viel Spaß mit den 8 Tage alten Würmchen bei der Einhaltung des Goldstandards

http://books.google.de/books?id=IsxlSWD1ywAC&pg=PA257&lpg=PA257&dq=beschneidung+neugeborene+narkose&source=bl&ots=5Dra2HaE9h&sig=dg2G_XX-GtI447_3ep8PfhS_l24&hl=de&sa=X&ei=-VwFUK7VIIOp4gSihqyXCQ&ved=0CDcQ6AEwAA#v=onepage&q=beschneidung%20neugeborene%20narkose&f=false


Das soll bitte wer nochmal machen? Ärzte?  :stirn

Es stellt sich doch keiner freiwillig mit einem Bein in den Knast.
http://kidmed*info/


40_Fieber

Jetzt aber gehts so richtig los:

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/beschneidung-gesetzentwurf-bis-zum-herbst-11823355.html


Zitat
,,Medizinisch fachgerecht"
Details des Antrags waren am Dienstag noch umstritten. Nach ursprünglichen Vorstellungen der CDU sollen Beschneidungen aus religiösen Gründen straffrei sein, solange sie ,,medizinisch fachgerecht durchgeführt" würden. Dagegen stehen Befürchtungen, diese Formulierung könne Fachleute ohne ärztliche Ausbildung von der Beschneidung ausschließen.

:o

"Fachleute" (was soll das für ein Fach sein?) ohne ärztliche Ausbildung sind schon IMMER von Operationen ausgeschlossen.

Jetzt fordern die schon Küchentisch-Schnippeleien von medizinischen Laien.

Der Mohel ohne Bestallung ging heute an sein Gesundheitsamt. Und wenn die zu feige sind bekommt er Ärger mit dem UWG, der reisende Schnippler.
http://kidmed*info/


Daggi

"Fachleute" (was soll das für ein Fach sein?) ohne ärztliche Ausbildung sind schon IMMER von Operationen ausgeschlossen.

Ich meine mich erinnern zu können, daß Heilpraktiker theoretisch chirurgische Eingriffe machen könnten. In der Praxis können sie es nicht, weil sie keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel wie Narkotika einsetzen dürfen und im Notfall hilflos sind. Kann mich aber irren.

editor

Ich hab wirklich nichts gegen eine medizinisch fachgerechte Zirkumzision- aber zu  "fachgerecht" gehört nun mal die Indikation zwangsläufig dazu.
Ohne Indikation einen Blindarm zu entfernen geht ja auch nicht, selbst wenns fachgerecht erledigt wird. Auch fachgerechte Hirnpunktion braucht eine Indikation.

40_Fieber

Zitat von: Daggi am 18. Juli 2012, 11:03:33
Ich meine mich erinnern zu können, daß Heilpraktiker theoretisch chirurgische Eingriffe machen könnten. In der Praxis können sie es nicht, weil sie keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel wie Narkotika einsetzen dürfen und im Notfall hilflos sind. Kann mich aber irren.

Heilpraktiker wäre Luxus.
In dem Fall gehts um Mohels. Nix Narkotika. Notfall? --> Exitus

http://www.dw.de/dw/article/0,,16102825,00.html

Zitat
Michael Ramirez-Schulschenk hatte selbst einmal Gelegenheit, an einer jüdischen Beschneidungszeremonie "Brit Mila" teilzunehmen. "Ohne Narkose, schlicht mit einem Skalpell, wurde die Vorhaut nach vorne gezogen und einfach abgeschnitten. Nachher wurde auch nichts vernäht", erinnert sich der Arzt.
Tradition geht vor steriler Versorgung
Die Vorhaut besteht aus zwei Schichten, die die Schleimhaut der Eichel überdecken und schützen. Bei einer Beschneidung werden beide Schichten voneinander getrennt. Damit das danach ästhetisch aussieht, nähen Mediziner die beiden Schichten wieder zusammen. Die Naht beschleunigt auch den Heilungsverlauf. Dennoch können ein lebenlang sichtbare Narben zurückbleiben.
Bei einer jüdischen Brit Mila wird nicht genäht. Auch habe er damals erkennen können, so Urologe Ramirez-Schulschenk, dass die ganze Prozedur zwar unter sauberen, nicht aber unter sterilen, keimfreien Bedingungen stattgefunden habe. Juden zelebrieren diese Tradition genau acht Tage nach der Geburt des Jungen.
http://kidmed*info/

zwingenberger

Die FAZ als Hort der Aufklärung, dass ich das noch erleben darf!

Heute gefunden http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/beschneidungsdebatte-unzeitgemaesser-grundpfeiler-11824297.html?google_editors_picks=true

Daraus folgendes Zitat:

ZitatDavid Goldberg ist seit fünfzehn Jahren Gemeinderabbiner der jüdischen Gemeinde Hof und hat als diplomierter Mohel schon mehr als viertausend Jungen beschnitten. Er ist sicher, dass er zuverlässiger beschneide als Ärzte im Krankenhaus, weil dort für derartige leichte Operationen meist jüngere Doktoren mit wenig Erfahrung eingesetzt würden. Eine Betäubung sei nicht nötig, sagt er, denn ,,Schmerzen kommen von den Nerven, und bei so kleinen Kindern sind die Nerven noch nicht voll entwickelt."

Wie sang Georg Kreisler sel. in "Als der Zirkus in Flammen stand" so schön:

Keiner spricht vom Sohn des Lehrers Harald,
der ein Kind erwürgte und entfloh,
denn das Kind war höchstens sieben Jahr alt,
in dem Alter merkt man's noch nicht so.


Der Artikel ist sehr lesenswert, weil er konkret sichtbar macht, was beiderseits auf den Waagschalen liegt. Das mit der "Zuckerlösung" - und was das tatsächlich ist - wusste ich bisher auch nicht.

Dr. Ici Wenn

Danke, wirklich sehr lesenswert! Und das Kreisler-Zitat trifft es genau.

editor

Zitat von: zwingenberger am 19. Juli 2012, 10:15:46
Die FAZ als Hort der Aufklärung, dass ich das noch erleben darf!

Heute gefunden http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/beschneidungsdebatte-unzeitgemaesser-grundpfeiler-11824297.html?google_editors_picks=true

Daraus folgendes Zitat:

ZitatDavid Goldberg ist seit fünfzehn Jahren Gemeinderabbiner der jüdischen Gemeinde Hof und hat als diplomierter Mohel schon mehr als viertausend Jungen beschnitten. Er ist sicher, dass er zuverlässiger beschneide als Ärzte im Krankenhaus, weil dort für derartige leichte Operationen meist jüngere Doktoren mit wenig Erfahrung eingesetzt würden. Eine Betäubung sei nicht nötig, sagt er, denn ,,Schmerzen kommen von den Nerven, und bei so kleinen Kindern sind die Nerven noch nicht voll entwickelt."

Es ist tatsächlich so, dass man vor langer Zeit (müssen so mindestens 30 jhr her sein) in der Medizin glaubte, dass Neugeborene noch keine ausgebildete Schmerzempfindung haben. Dass diese Ansicht falsch ist, hat der Rabbi offenbar nicht mitbekommen.
Und die Komplikationen, die die Beschneidung verursacht bekommt er ja sowieso nicht mit, weil die Eltern dann eben nicht zum Rabbi sondern ins Krankenhaus gehen.

Und das die Kinderrechtskonvention von 1989 inzwischen ratifiziert ist offenbar auch nicht.

Es geht hier nicht um religiöse Riten sondern um Kinderrechte.