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Krise in der Ukraine

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Begonnen von RPGNo1, 18. Februar 2022, 18:04:53

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Max P

Laut Putin sind Russen und Ukrainer ja ein Volk. Ich habe von Anfang an nicht verstanden, wie Putin offenbar glauben kann, diesen Einheitsgedanken mit Tod, Verwüstung und Verschleppungen zu befördern. Selbst wenn das Moskauer Regime militärisch siegen sollte, hat es in jedem Fall einen Generationen, wenn nicht Jahrhunderte überdauernden, tiefen Keil zwischen Russland und die Ukraine getrieben. Und wenn an Putins Ansicht, die Ukraine sei gar keine "richtige" Nation, auch nur irgendetwas wahr gewesen wäre, allerspätestens durch seine Invasion hätte Putin ein ukrainisches Nationalbewusstsein geschaffen, das sich zudem unwiderruflich antirussisch definieren muss. Seinen großrussischen Traum hat er selber mutwillig zerstört.

Scipio 2.0

Zitatukrainisches Nationalbewusstsein geschaffen,

Dem ist wohl auch in sofern so, als dass die Ukraine erst unter dem Eindruck der Invasion vollständig zu einer Nation zusammengewachsen ist.

---------

Allgemein bin ich derzeit vorsichtig optimistisch eingestellt, dass sich das Blatt Stück für Stück endgültig zu Gunsten der Ukraine wendet.


RPGNo1

Zitat von: Peiresc am 11. August 2022, 18:33:52Ich habe vor nicht langer Zeit mit einem Russen gesprochen, den ich schon länger kenne. Natürlich haben wir uns bemüht, das Thema zu meiden, aber irgendwann meinte er (ich will nicht sagen grinsend, aber doch lächelnd): ,,die Ukrainer haben tapfer gekämpft, aber es wird Zeit, dass sie aufgeben, unnötiges Blutvergießen".

Slawa Ukraini!


Das scheint aber kein spezifisch russisches Phänomen zu sein. Die deutschen Lumpenpazifisten wie Precht, Wagenknecht, Schwarzer, Vad argumentieren ebenso. Die Ukraine soll aufgeben, um Blutvergießen zu vermeiden.
(At Bhaal Temple)
Karlach: What a pesthole! Can't wait to clear this place out.
Minsc: There will be much trading of threats and insults, no doubt. But Minsc will be ready when it is time for boot to meet butt.
Karlach: You and me both, pal.

RPGNo1

Zitat von: Scipio 2.0 am 12. August 2022, 05:38:42
Zitatukrainisches Nationalbewusstsein geschaffen,

Dem ist wohl auch in sofern so, als dass die Ukraine erst unter dem Eindruck der Invasion vollständig zu einer Nation zusammengewachsen ist.

---------

Allgemein bin ich derzeit vorsichtig optimistisch eingestellt, dass sich das Blatt Stück für Stück endgültig zu Gunsten der Ukraine wendet.



Kamil Galeev hatte in einem seiner Tweets argumentiert, dass nach der Annexion der Krim und besonders unter dem Eindruck der Verhältnisse in den sog. Volksrepubliken sich die Ukraine als Einheit zu fühlen begann und nicht mehr als ein durch politisches Gezänk zerstrittenes Gebilde aus pro-russischer Ost-Ukraine und pro-westlicher West-Ukraine dastand.

Russlands Invasion hat den Prozess der Nationenbildung eher beschleunigt. als umgekehrt Die Sympathie und auch die Kollaboration mit den russischen Besatzungstruppen ist jedenfalls nicht sehr ausgeprägt, was man daran erkennt, dass die russische Regierung Verwaltungsfachleute aus dem eigenen Land importieren muss und mit Macht auf Referenden hinarbeitet, um den aktuellen Besatzungsstatus irgendwie rechtfertigen und zementieren zu können.

(At Bhaal Temple)
Karlach: What a pesthole! Can't wait to clear this place out.
Minsc: There will be much trading of threats and insults, no doubt. But Minsc will be ready when it is time for boot to meet butt.
Karlach: You and me both, pal.

Scipio 2.0

Zitat von: RPGNo1 am 12. August 2022, 06:53:41
Zitat von: Peiresc am 11. August 2022, 18:33:52Ich habe vor nicht langer Zeit mit einem Russen gesprochen, den ich schon länger kenne. Natürlich haben wir uns bemüht, das Thema zu meiden, aber irgendwann meinte er (ich will nicht sagen grinsend, aber doch lächelnd): ,,die Ukrainer haben tapfer gekämpft, aber es wird Zeit, dass sie aufgeben, unnötiges Blutvergießen".

Slawa Ukraini!


Das scheint aber kein spezifisch russisches Phänomen zu sein. Die deutschen Lumpenpazifisten wie Precht, Wagenknecht, Schwarzer, Vad argumentieren ebenso. Die Ukraine soll aufgeben, um Blutvergießen zu vermeiden.

Ja klar, wie sich die Russen in eroberten Gebieten verhalten ist bekannt (und wird von solchen Leiten wahrscheinlich als westliche Propaganda abgetan) und ist damit keine annehmbare Option.

Man regt mich das auf!

Um so mehr hoffe ich, dass mein vorsichtiger Optimismus gerechtfertigt ist und sich nicht als trügerische Hoffnung erweist.

Peiresc

Zitat von: RPGNo1 am 12. August 2022, 06:53:41Die deutschen Lumpenpazifisten wie Precht, Wagenknecht, Schwarzer, Vad argumentieren ebenso. Die Ukraine soll aufgeben, um Blutvergießen zu vermeiden

Die prägnanteste, kürzeste Antwort ist schon bei uns zu finden, aber man kann sie nicht oft genug wiederholen:

Zitat von: Peiresc am 11. August 2022, 17:13:12
Zitat

https://twitter.com/santipuigvila/status/1556375197707603970

Scipio 2.0

In der Tat, keiner dieser Fraktion hat auch nur einmal (ist mir zumindest nicht zu Ohren gekommen) Russland aufgefordert die Kampfhandlungen einzustellen und die Truppen zurückzuziehen. Das ist schon sehr auffällig, hat jemand eine Erklärung dafür?

Peiresc

Mal wieder ein hochinteressanter (kurzer) Galeev-Faden
https://twitter.com/kamilkazani/status/1557741431376445440

Die Russen sind nicht irrational, sondern ultra-pragmatisch. Solange Putins Krieg den Lebensstandard nicht senkt, ist er ein Erfolg und alle Sorgen sind grundlos. Hunger in den Provinzen? Kriegsopfer? Pah. Genauer: es geht um das Warenangebot in Moskau:

Zitat1. Limited choice of yogurts hurts Moscow and the attitude of Moscow does matter. Mass starvation would  hurt the province no one cares about

2. You starve cuz you don't have money? That's your fault. There are few yogurts in supermarket? That's Putin's fault

Peiresc

Zitat von: Scipio 2.0 am 12. August 2022, 07:32:58hat jemand eine Erklärung dafür?

Ja: Zynismus. vgl. #21:

ZitatIch weiß, dass viele von ihnen mit unserer Notlage sympathisieren, und ich bin dankbar für ihre Unterstützung. Aber diejenigen, die diese Invasion als Vorwand betrachten, langatmige Theorien darüber aufzustellen, dass die NATO ein allgegenwärtiges universelles Übel ist, oder die all dies als eine Art verdrehte Ethikübung behandeln, ein trolliges Problem, bei dem die Ukrainer die aufopferungsvollen Wilden sind, die still zu sterben haben, bevor echte Menschen anfangen, unter hohen Gaspreisen oder einem Atomkrieg zu leiden ... Das werde ich nie vergessen.

Vor dem Ukraine-Krieg war doch alles in Ordnung, und hinterher wird auch wieder alles in Ordnung sein. Am schnellsten ist  er vorbei, wenn die Ukrainer aufgeben. Und es gibt nach ihrem Untergang ja immer noch Pufferstaaten vor der deutschen Grenze.

sailor

Weite Kreise der dt. Politik und auch dt. Militärs haben "Osteuropa" nie verstanden und nie akzeptiert. Die Osteuropäer regen sich seit langem mehr oder weniger berechtigt über die arroganten Deutschen auf und diese wiederrum haben zwar das hohe Ross "Naziaufarbeitung" bestiegen, sich aber mit "Sowjetaufarbeitung" nie befasst. Hier insbesondere ihre Rolle bei der Festigung sowjetischer Klientelstaaten (Kredite an die DDR, Ignoranz ggü. Solidarnosc und Prager Frühling uswusf.) nie analysiert. Moskau stand dabei im Vordergrund, man wollte im kreml ernstgenommen werden, nicht in Prag oder Warschau. Hier muss Deutschland mal aufwachen und schauen, wie man mit den einzelnen Playern dort umgeht: Die PIS mag ich nicht, aber die Polen haben eine sehr pragmatische Haltung ggü den russen: Erst schiessen dann fragen^^ Da sollte sich der 0815(sic)-Appeaser mal fragen, woher diese Haltung kommt (Spoiler: Es hat mit dem Verhalten russischer Truppen in nichtrussischen Landen zu tun).

Scipio 2.0

Ich weiß jetzt nicht, ob du das warst oder jemand anders aber ich habe mal in jüngerer Vergangenheit gelesen, dass das Verhalten der deutschen Politik/gesellschaftlichen Elite sich auf die Kolonisierungen deutscher Siedler in Osteuropa gründen bzw. auf die geistige Haltung, die damit einhergeht.

Peiresc

Zitat von: Scipio 2.0 am 12. August 2022, 12:54:26Ich weiß jetzt nicht, ob du das warst oder jemand anders aber ich habe mal in jüngerer Vergangenheit gelesen, dass das Verhalten der deutschen Politik/gesellschaftlichen Elite sich auf die Kolonisierungen deutscher Siedler in Osteuropa gründen bzw. auf die geistige Haltung, die damit einhergeht.

Ich finde solche "Erkenntnisse" reichlich unspezifisch, und es lässt sich nichts aus ihnen ableiten außer dem Gefühl "ich hab es ja gewusst, die waren schon immer so". Man könnte auch bis zum Römischen Reich zurückgehen, warum nicht. So gut wie jedes europäische Land hatte Perioden relativer Expansion, die heute gerne glorifiziert werden - Geschichte ist immer virulent. Allerdings entsinne ich mich nicht, verherrlichende Darstellungen des Kreuzritterordens aus jüngerer Zeit gesehen zu haben; andere sind da unbelasteter. Prinzipiell glaube ich nicht, dass sich der deutsche Imperialismus wesentlich vom englischen oder vom französischen unterschieden hat, außer in seiner relativen Erfolglosigkeit. Sie waren spät dran mit ihrer Macht.

sailor

Hm, hier spielt eher der Bund der Vertriebenen eine unrühmliche Rolle, was den Umgang mit Polen und Co. angeht. Man darf auch nicht 1918/19 vergessen, die Pariser Vorortverträge haben wenig Rücksicht auf die sehr heterogen besiedelten Gebiete entlang der Ostseeküste genommen. Im Baltikum haben viele "Deutsche" gelebt, in Polen ebenfalls... womit es 1919 zu massiven Wanderungen und solchen Formationen wie "Grenzschutz Ost" und Gardekavalleriedivision kam. Die "Baltikumer" waren in der Weimarer Republik ein bekannter Begriff für Freikorpsler... und nun darf man raten, wo sich besonders viele Protonazis sammelten. Mit den Vertreibungen nach 45 kam das Ganze wieder, allerdings versteckter und weniger militant... wobei die westlichen Geheimdienste auf diese Gruppen mit ihren Sprach- und Landschaftskenntnissen zurückgriffen.

Die ganze Phase der Nationalitätenbildung in Osteuropa ist in D nie wirklich begriffen und in Teilen nicht akzeptiert worden. Bis heute gibt es da Akteure wie die Steinbach, die ihre "arische Überlegenheit" ggü. dem "östlichen Untermenschen" raushängen lassen. Dazu kommt der innere "Rassismus" in D gegen die Flüchtlinge und Vertriebenen, in Ost wie West.

Die Ostpolitik vor allem des Mittelalters hat ihre Spuren hinterlassen, die wir heute aufgrund des "Verlustes" von Ostpreußen nicht mehr kennen... aber es reicht schon, sich in Norddeutschland Kunst und Propaganda von 1939 RÜCKWÄRTS anzuschauen. Da sind wahnsinnig viele Bezüge aufs "deutsche" Baltikum, Königsberg, Masuren etc etc zu finden. Dazu die Vertreibung nach 45, wo ein kleiner Kern in den Revanchismus und die Politik gegangen ist. Im völkischen Spektrum haben die "Wendenkreuzzüge", die Ritterorden und die Ostkolonisation des Hochmittelalters eine zentrale Bedeutung. Dabei wird ignoriert, dass bspw. Polen-Litauen mal eine extreme Macht im Spätmittelalter/Frühe Neuzeit war... und dass sich die Preußen/Hohenzollern aus einem kleinen Lehensnehmer des Polnischen Königshaus entwickelt haben.

Peiresc

Zitat von: sailor am 12. August 2022, 14:00:34Hm, hier spielt eher der Bund der Vertriebenen eine unrühmliche Rolle, was den Umgang mit Polen und Co. angeht.
Ich glaube nicht, dass das in irgendeiner Weise Staatsreligion ist.

ZitatDie ganze Phase der Nationalitätenbildung in Osteuropa ist in D nie wirklich begriffen und in Teilen nicht akzeptiert worden
Nein, weil es den Deutschen egal ist. Niemand* würde ernsthaft die "deutschen Ostgebiete" zurückhaben wollen, die hiesigen Lebensbedingungen aufgeben, um "in die Walachei" zu ziehen. Genauso wie man sich in der Bundesrepublik nicht für Ostdeutschland interessiert hat (warum auch): im täglichen Leben kam die Zone einfach nicht vor. Die Deutschen sind nämlich auch pragmatisch.

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* genauer: fast niemand, denn es gibt Aussteiger, die genau das suchen. Einzelheiten wären hier OT.

Max P

Zitat von: Peiresc am 12. August 2022, 16:20:24
Zitat von: sailor am 12. August 2022, 14:00:34Hm, hier spielt eher der Bund der Vertriebenen eine unrühmliche Rolle, was den Umgang mit Polen und Co. angeht.
Ich glaube nicht, dass das in irgendeiner Weise Staatsreligion ist.

War es aber mehr oder weniger bis Ende der 60iger/Anfang der 70er hinein. In Schulatlanten waren die "Ostgebiete" als "zur Zeit unter polnischer Verwaltung" eingezeichnet. Generell galt die Doktrin von einem Deutschland in den Grenzen von 1937. Die Vertriebenenverbände hatten großen Einfluss, in der CDU sowieso. Wie groß ihr Einfluss heute noch ist, weiß ich nicht.