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Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen ist strafbar

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Begonnen von Marsmensch, 09. Juli 2012, 11:35:56

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P.Stibbons

Ratio, vergleich mal den SPIEGEL-Text mit der Original-Presseerklärung.

Da steht
Zitat
folgende Mindestanforderungen
umzusetzen:

1.         umfassende Aufklärung und Einwilligung der Sorgeberechtigten
2.         qualifizierte Schmerzbehandlung
3.         fachgerechte Durchführung des Eingriffs sowie
4.         Anerkennung eines entwicklungsabhängigen Vetorechts des betroffenen Jungen.

Also nicht:

Zitat
die Möglichkeit
, die Schmerzen etwa durch Betäubung zu lindern,

Man kann die Vorträge übrigens original nachhören - interessant fand ich besonders die Position von Merkel, die im SPIEGEL- Bericht offenbar verkürzt wiedergegeben wird, denn lt DLF hat er betont, dass Deutschland aufgrund der politischen Vergangenheit eine besondere Sorgfaltspflicht den Juden gegenüber hat (so erinnere ich das Zitat).

Zitat
Die einzelnen Vorträge und die Diskussion können unter http://www.ethikrat.org/sitzungen/2012/plenarsitzung-am-23.-august-2012/ nachverfolgt werden.

Dr. Ici Wenn

Gibts jetzt ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit oder nicht? Gibt es eines Un-Konvention zu Kinderrechten, welche Genitalverstümmelung incl. Beschneidung für inakzeptabel hält oder nicht? Hat D. diese Konvention unterzeichnet oder nicht? Wozu braucht man einen Ethikrat, wenn dieser diese Grundsätzlichkeiten ignoriert?
Sollen wir jetzt einen Ethikrat installieren, der feststellt, dass die Dauer, wie lange man Babies bei einer Taufe unter Wasser ducken darf, ein kulturelles Problem ist? Ist es wirklich so schwer zu begreifen, das man Riten auch ritualisierten kann?

P.Stibbons

Man wird wohl nicht umhin kommen, sich die Argumente und die Diskussion selbst im Originalton anzuhören - deshalb war die Debatte öffentlich und wurde aufgezeichnet.

Es handelt sich um die Abwägung dreier elementarer Rechtsgüter:

1. körperliche Unversehrtheit
2. Religionsfreiheit
3. elterliches Sorgerecht

Zitatwie lange man Babies bei einer Taufe unter Wasser ducken darf

Da verwechselst du was, Dr. Ici:

bei einer katholischen oder evangelischen Säuglingstaufe (deren Sinnhaftigkeit ich aus theologischen Gründen bezweifle) wird das Kind über das Taufbecken gehalten und bekommt mit Wasser ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet.

Freikirchen praktizieren die Säuglingstaufe nicht; die Täuflinge müssen religionsmündig sein - dort gibt es Taufe mit Untertauchen im "alten" Stil.

Dr. Ici Wenn

Zitat von: P.Stibbons am 23. August 2012, 20:09:05
Man wird wohl nicht umhin kommen, sich die Argumente und die Diskussion selbst im Originalton anzuhören - deshalb war die Debatte öffentlich und wurde aufgezeichnet.

Es handelt sich um die Abwägung dreier elementarer Rechtsgüter:

1. körperliche Unversehrtheit
2. Religionsfreiheit
3. elterliches Sorgerecht
Und was gibt es an dieser Reihenfolge zu diskutieren?

P.Stibbons

Dass sie von den Juristen nicht als Reihung im Sinne von absteigender Gewichtung angesehen wurde.

Dr. Ici Wenn

Zitat von: P.Stibbons am 23. August 2012, 20:16:32
Dass sie von den Juristen nicht als Reihung im Sinne von absteigender Gewichtung angesehen wurde.
Was ist dann der Sinn von Reihenfolgen?
sie nach Bedarf zu mischen?

P.Stibbons

Ich verstehe juristisch nichts davon. Dass ich hier unter 1. bis 3. gelistet habe, ist nicht maßgeblich, sondern war Zufall.

Es war von Anfang an in der öffentlichen Diskussion das Hauptaugenmerk auf der körperlichen Unversehrtheit, und die beiden anderen Rechtsgüter traten in den Hintergrund.

Juristisch scheint dies nicht so einfach zu sein - es werden wohl diese drei Rechtsgüter als eher gleichrangig betrachtet:

jedenfalls kann man nicht ohne sehr triftige Gründe dem einen Rechtsgut eine Vorrangstellung gegenüber den anderen einräumen.
Aber wie gesagt: dazu muss man sich die Debatte im Ganzen anhören. Alles andere bleibt spekulativ.


Ratiomania

http://www.ethikrat.org/dateien/audio/plenarsitzung-23-08-2012-merkel.mp3

Ich kann Merkel eigentlich zustimmen außer:

Eine "Rechtspolitische Pflicht" der deutschen Politik gegenüber sonstwem, sollte man gut durchdenken. Ich halte es für Mist.

Merkel bezeichnet es soger als "Gebot gegenüber Juden".

Okay das erklärt sich angeblich aus der deutschen Vergangenheit.

Gut, also wieder Holocaust-Argument.

Wieso nicht auch gegenübr den "Holocaust-Minderheiten"?

Ein Zyniker könnte ja den Roma, den Schwulen, den Zeugen etc. etc antworten:

"Tja, leider nicht genug gestorben" Bzw. "Pech gehabt, der Focus lag halt auf den Juden"

Ich finde solche Gedankenkonstrukte mit dem Holocaust extremst widerlich.

Und schließlich wäre es dann auch so, dass man  - bei etwaiger Abwägung und "Hierarchierung" - ja auch jedem späteren Gruppenvertreter je nach Maß gesellschafts-und rechtspolitisch als eine Art  "Wiedergutmachung" und "Entschuldung" anzubieten hat.





Dr. Ici Wenn

Sehr ich nicht so, lieber Ponder.
In dem Bereich gibt es wenig juristischen Spielraum.
Aber lassen wir uns überraschen.

P.Stibbons

@ Dr. Ici:

Betrachte das nicht als eine Meinungsäußerung - ich verstehe nichts davon und habe nur versucht, deine Frage zu beantworten.
Ich habe die Diskussion nur am Anfang auf den Juristen-Blogs verfolgt: das scheint eher kompliziert abzuwägen zu sein.

Allerdings war mein Empfinden, dass die Debatte in den Medien oft eine ziemliche Schlagseite hatte und nicht mit Bedacht geführt wurde.

ZitatIn dem Bereich gibt es wenig juristischen Spielraum.

Das müssen wir wohl den Experten überlassen - vermutlich den Verfassungsrichtern.

Ladislav Pelc

Eigentlich wollte ich mich ja in diese Diskussion nicht einmischen aber, Dr. Ici Wenn, ich bin ganz deiner Meinung.

Allerdings: Realsitisch betrachtet ist das politisch leider absolut unmöglich.

Würde es "nur" die Moslems betreffen, wäre es schon schwer, aber da es auch die Juden betrifft, ist es politisch vollkommen unmöglich.

Bitte versteht das nicht falsch: Grund dafür ist nicht etwa eine "Jüdische Weltverschwörung" oder dergleichen, von der einige antisemitische Verschwörungsspinner behaupten, sie zöge im Hintergrund die Strippen, sondern die deutsche Geschichte, die es nunmal theoretisch unlogischer- aber praktisch nachvollziehbarerweise absolut unmöglich macht, dass eine deutsche Regierung irgendetwas verbietet, was die Juden mehrheitlich als zentralen Bestandteil ihres Glaubens betrachten.

Selbiges gilt auch für das Bundesverfassungsgericht (das ohne Zweifel ständig politisch entscheidet und es wohl (leider) auch muss), sodass selbst wenn die Angelegenheit dort landet (was ich für wahrscheinlich halte) keine Änderung zu erwarten ist.

Mag sein, dass man das in 100 Jahren anders sehen wird und dann das Menschenrecht auf Körperliche Unversehrtheit konsequent  ausnahmslos über die Religionsfreiheit stellt. Vielleicht ist die Zeit einfach noch nicht reif genug dafür.

Das ändert aber nichts an der gegenwärtigen Situation.

Für mich stellt sich viel mehr die Frage, ob dem Gericht, das Beschneidung als Körperverletzung wertete, die politische Dimension des Falls klar war. Wenn nicht, war es doch recht blauäugig. Wenn doch, verdient es meiner Meinung nach einen gewissen Respekt für den Mut, sich davon nicht beeinflussen zu lassen (unabhängig davon, ob man meint, dass sich Gerichte von politischen Themen beeinflussen lassen müssen, sollen oder überhaupt dürfen.)

Dr. Ici Wenn

Ponder, ich glaube, die Vdrfassungsrichter freuen sich da gar nicht drauf ...

P.Stibbons

ZitatPonder, ich glaube, die Verfassungsrichter freuen sich da gar nicht drauf ...

Nee, die freun sich nicht.

Hier gibts so dies und das - nur mal so als Beispiel:

http://verfassungsblog.de/rechtspluralismus-und-seine-grundlagen-anmerkungen-zu-reut-paz/

So verwirrend geht das da zu bei den Juristen...

Ratiomania

Was sagen die Juristen eignetlich wenn ein jüdischer Elternteil und ein nicht-jüdischer Elternteil sich noch nicht enschdieden haben/konnten wie sie das Kind und ob; RELIGIÖS erziehen wollen?

Wenn die Beschneidung ein SO(!) zentraler Bestandteil der elterlichen und kulturellen Rechte und Tradition darstellt, wie soll das geregelt werden?

Halb-beschneidung?

Man darf nicht vergessen:

Nach der Geburt hat der zukünftige Jude nur wenig Zeit noch Jude zu werden... nach Auslegung der Orthodoxie...

ALso irgendwer wird von irgendwelchen weltlichen oder religiösen Gesetze gezwungen werden sein Recht abzutreten, wenn er sich nicht schnell entscheidet nachzugeben.

Oder beide...

P.Stibbons

Das Verwirrende für uns:

Jüdisch sein hat eine religiöse und eine rein traditionelle oder ethnische Komponente.

Sogar Henryk Broder als selbsterklärter Areligiöser hat sich für die Beschneidung ausgesprochen und zugegeben, dass seine beiden Söhne beschnitten sind.
Ich vermute, dass durch die jahrhundertelange Diaspora  und den Holocaust um so mehr an verbindenden Symbolen der Volkszugehörigkeit festgehalten wird - das finde ich auch nachvollziehbar, zumal das Ivrit als Sprache ja auch erst im vergangenen Jahrhundert "neu erschaffen" werden musste.

Da ist es auch schwierig, wenn aufgeklärte Menschen "von außen" kommen und sagen: "Kein Problem! - Ihr könnt doch wohl euer Ritual mal eben ein bisschen ändern...!"

Rituale ändern sich nur "von innen".

Dazu kommt, dass die letzten jüdischen Rituale, die "von innen" geändert wurden, zur Abtrennung der urchristlichen Gemeinde vom Judentum führten:

aus dem Seder-Mahl vor dem Passahfest wurde mit den ritual-ändernden Einsetzungsworten "Dies ist...mein Leib... dieser Kelch (des Elia) ist der neue Bund..." das christliche Abendmahl

aus dem Reinigungsbad Mikwe wurde die Taufe

auf dem Apostelkonzil wurde die Beschneidung den "Heidenchristen"ausdrücklich erlassen ... man kann ahnen, worauf eine erneute Beschneidungsfrage aus jüdischer Sicht hinauslaufen könnte...