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Man hat wieder was gefunden

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Begonnen von Typee, 26. Juni 2015, 08:08:08

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mossmann

Ist mir jetzt neu, dass die angebliche Phrase ,,significant trend" ausschließlich von Paramedizinern benutzt wird ...
Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend

Peiresc

Zitat von: mossmann am 30. November 2015, 14:49:35
Ist mir jetzt neu, dass die angebliche Phrase ,,significant trend" ausschließlich von Paramedizinern benutzt wird ...

Wieso angeblich? Schau mal hier, da ist so was ähnliches auch vorgekommen:
Zitat von: pelacani am 10. Oktober 2015, 07:39:32
Im Übrigen sollte es den Leser zum Nachdenken anregen und zu Schlussfolgerungen führen, wenn er die elaborierte Methodik von Cochrane mit der Delphi-Methode  :teufel der EMA vergleicht. Dort ist auch was in den Tabellen gefettet, nämlich:
ZitatNot significant, but important trend:
Also beinahe positiv, und so wurde es offenbar gezählt.


ajki

Zitat von: Peiresc am 30. November 2015, 12:06:07
Ein ,,signifikant positiver Trend" also. Im Rest der Welt ... ist etwas entweder ein Trend oder signifikant.

Soweit es die Lehre und Anwendung des Fachgebiets "Statistik" betrifft, "gibt" es so etwas wie einen "statistically significant trend". Im Rahmen verschiedener Analyseverfahren meint dieser (gebräuchliche) Begriff einen nachweisbaren Unterschied zu einer Null-Hypothese - ein mittels irgendeines statistischen Verfahrens ermittelter Trend ist danach sinnvoll, weil die diversen Datenpunkte nicht nur "random noise" sind.

Du schriebst von einem "zugrundeliegenden paper" - der inkriminierte Begriff taucht in dem "offenen Brief" auf (was also das "paper" ist). Hier liegt eventuell/vielleicht/möglicherweise das Problem vor, dass unabhängig von der Existenz des Begriffs und einer richtigen (sinnvollen) Nutzung Du (und andere) damit sehr richtig liegst, hier eine *unsaubere*/falsche Nutzung zu vermuten. Denn der "offene Brief" vertritt eine Meinung, eine Tendenz, eine Absicht und ist von daher nicht als "unparteilich" / strikt wissenschaftsorientiert einzuschätzen. Da im "offenen Brief" die allgemeinen IARC-Prozeduren verteidigt werden, die angeblich stringent in den Monographien angewendet werden und eine sichere, saubere prozedurale Bearbeitung der Analysen gewährleisten, könnte man annehmen, dass die Begriffsnutzung im Sinne der Prämissen und Definitionen der IARC-Monographien erfolgt. Allerdings kann man sich eben hier nicht sicher sein, dass das auch tatsächlich stimmt, dass die verkürzte Wiedergabe des IARC-Ergebnisses hier also richtig ist und man kann sich auch nicht sicher sein, dass die Passage der Monographie "stimmt" (dabei hilft die BfR-Evaluation auch nicht weiter - weiterhelfen würde nur die intensive Durchsicht und Prüfung der Monographie auf evtl. Mängel).
every time you make a typo, the errorists win

Peiresc

Zitat von: ajki am 30. November 2015, 16:43:21
Zitat von: Peiresc am 30. November 2015, 12:06:07
Ein ,,signifikant positiver Trend" also. Im Rest der Welt ... ist etwas entweder ein Trend oder signifikant.
Soweit es die Lehre und Anwendung des Fachgebiets "Statistik" betrifft, "gibt" es so etwas wie einen "statistically significant trend".
Ja, klar. Aber ich habe schon das Gefühl, dass genau das hier eben nicht gemeint ist - sonst wäre die Haltung des BfR schwer verständlich.
Das Wort ,,signifikant" bedeutet allgemein ,,statistisch abgesichert", aber wie im angeführten Phyto-Beispiel scheut man sich gelegentlich nicht, es als synonym mit ,,aus meiner Sicht bedeutsam" zu verwenden. Machen die Para-Heinis gerne.
Sicher bin ich natürlich nicht, denn ich habe nicht die beiden Stellungnahmen durchgewühlt. Es bleibt bei einer Vermutung.
ZitatAllerdings kann man sich eben hier nicht sicher sein, dass das auch tatsächlich stimmt, dass die verkürzte Wiedergabe des IARC-Ergebnisses hier also richtig ist und man kann sich auch nicht sicher sein, dass die Passage der Monographie "stimmt" (dabei hilft die BfR-Evaluation auch nicht weiter - weiterhelfen würde nur die intensive Durchsicht und Prüfung der Monographie auf evtl. Mängel).
So ist es. Aber ein weiterer Hinweis auf die Geisteshaltung des IARC wird schon der Umgang mit dem roten Fleisch sein. Ein Risiko zu verkünden, dass für genau null zu ergreifende Maßnahmen eine geeignete Grundlage ist – da stimmt was mit der Relation nicht. Besonders bezeichnend finde ich ja die Antwort auf die Geflügel-Frage (,,Sollen wir jetzt Geflügel und Fisch essen?" – ,,Das haben wir nicht untersucht"), denn sie ist eigentlich eine Antwort auf die Frage, die offenbar niemand dem IARC gestellt hat: ,,Was soll's?" - Es muss etwas geschehen, aber fragt nicht uns, was eigentlich geschehen muss.

ajki

Zitat von: Peiresc am 30. November 2015, 17:09:50
sonst wäre die Haltung des BfR schwer verständlich. [+ weitere Einordnungen bzgl. BfR]

Das ist wirklich etwas, was allen (also: Presse/Öffentlichkeit, uns hier, den sich auf den Schlips getreten fühlenden IARC-Leuten uswusf) derzeit wirklich schwer zu schaffen macht: man sieht BfR/EFSA und die IARC-Position als einander "widersprechende" Positionen (in gewisser Hinsicht auch von den beiden Parteien selbst). Das stimmt nur insofern, als ein Apfel und eine Birne unterschiedliche Früchte sind, jedoch eben keine Gegensätze. Aufgabe der EFSA/des BfR war die Bewertung, ob nach bestem Kenntnisstand bei sachgerechter Anwendung von glyphosathaltigen Herbiziden eine solche Gefahr ausgeht, dass Gefährdungsschwellen überschritten werden oder wenigstens eine einigermaßen klare (bezifferbare) Gefährdungslage für Anwender und Umwelt besteht. Das ist ein so dermaßen anderer Betrachtungsfall, dass sich eine Vergleichbarkeit zur IARC-Perspektive gar nicht ergibt. Auch das BfR hat keine Probleme damit, den Stoff selbst als "wahrscheinlich (prinzipiell) krebserregend" zu bezeichnen - aber darum geht es ja der EFSA nicht. Es kann nun mal nicht aus der 2a/b-Einstufung des IARC irgendwas folgen, sonst müßte ja aller möglicher (Alltags-)Kram direkt verboten werden. Auch die bekannten "Südamerika"-Probleme, die auch schon mal Thema anläßlich eines tendenziösen Medienproduktes hier Thema waren, bei der die Grenzen "sachgemäßer Anwendung" mit höchster Wahrscheinlichkeit brutal durchbrochen werden (obwohl sie natürlich auch in Argentinien und ähnliche als Regularium theoretisch gültig sind), bringen das BfR/die EFSA überhaupt nicht weiter - man kann ja nicht auf Verdacht eines möglichen Anwendungsverstoßes hin Verbote erlassen, obwohl es überhaupt keine Indizien für Überdosierungen in breitem Ausmaß gibt.

Es sind zwei verschiedene Paar Schuhe und die ganze vermeintliche Frontstellung zweier Institutionen ist in Wahrheit keine.
every time you make a typo, the errorists win

ZKLP

Zitat von: ajki am 30. November 2015, 19:47:41
Es sind zwei verschiedene Paar Schuhe und die ganze vermeintliche Frontstellung zweier Institutionen ist in Wahrheit keine.

Warum gießt dann Christopher Portier mit seinem offenen Brief an die EU-Komission noch mal Öl ins Feuer, indem er explizit die Kompetenz von EFSA und BfR in Frage stellt?
Zitat von: PortierThe EFSA decision, based upon the Renewal Assessment Report [2] provided by
the German Federal Institute for Risk Assessment (BfR), runs counter to the
finding earlier this year by the International Agency for Research on Cancer
(IARC), the highly respected cancer arm of the World Health Organization that
glyphosate is a probable human carcinogen.
[...]
We reviewed these two differing decisions on the human carcinogenicity of
glyphosate and conclude that the IARC WG decision is by far the more credible.
[...]
In contrast, the BfR decision is not credible because it is not supported by the
evidence and it was not reached in an open and transparent manner.
Christopher Portier ist Co-Autor der IARC-Monographie, als einziger Invited Specialist der IARC-Arbeitsgruppe. Außerdem haben von den 18 Members der IARC-Arbeitsgruppe immerhin acht den offenen Brief des Professor Portier unterzeichnet:
Gloria M. Calaf, Francesco Forastiere, Lin Fritschi, Charles W. Jameson, Hans Kromhout, Matthew K. Ross, Ivan I. Rusyn, Consolato Maria Sergi


Portier war auch als Sachverständiger im Bundestag geladen:
https://www.bundestag.de/blob/387784/b62a3d21cdbca4efcb6f5823f182cd77/stellungnahme_portier-data.pdf

Gleich zu Beginn reitet er auf einer Studie Eriksson etal.(2008) herum, die vom BfR als "nicht verlässlich" eingestuft worden sein soll.
Ich habe diese Studie mal durchgelesen; demnach kommen fast alle angegebenen Wirkstoffe als Krebsursache in Frage (Table II, Table IV: Odd Rato > 1). Dabei ist davon auszugehen, dass genau die gleiche Gruppe (die Landwirte) dem Wirkstoff Glyphosat ausgesetzt war, welche auch mit den anderen gelisteten Wirkstoffen hantiert hat (Wer sonst kannte zum Befragungszeitpunkt schon Glyphosat oder MCPA oder 2,4-D oder ...?).
Aussagekraft bzgl. Glyphosat ist also gleich Null.
Wenn die IARC so etwas tatsächlich als relevantes Indiz für die Karziogenität von Glyphosat einstuft, ist das für eine wissenschaftliche Institution schon sehr bedenklich....

eLender

Zitat von: ZKLP am 30. November 2015, 22:09:46
Warum gießt dann Christopher Portier mit seinem offenen Brief an die EU-Komission noch mal Öl ins Feuer, indem er explizit die Kompetenz von EFSA und BfR in Frage stellt?

Der hat wahrscheinlich ein riesen Ego und kann es nicht verkraften, dass Hensel ihm damals bei der Bundestagsanhörung erklären musste, warum die epidemiologischen Studien für so eine Bewertung nicht taugen (hast Du ja auch nochmal schön erklärt). Das Ganze ist nichts neues, haben wir hier im Faden auch schon durchgekaut. Der Brief hat mit einem wissenschaftlichen Standpunkt nichts zu tun, ist reine Polemik und übelste Verleumdung. Der Herrn muss wirklich eine Schlag weg haben, das BfR und die Efsa als Lügenapparate zu bezeichnen.

Nochmal: das BfR hat ein mehrfaches an Studien in die Bewertung einbezogen. Dazu zählen auch hunderte Zulassungsstudien, die zwar (mehrheitlich) nicht veröffentlicht sind, die aber herstellerunabhängig durchgeführt werden, und zwar nach sehr hohen Standards (was keiner, auch nicht das IARC, in Frage stellt). Die IARC hat nur öffentlich zugängliche Studien bewertet, die zum Teil so schrottig sind, dass das BfR diese nicht berücksichtigen konnte. Die haben ganz klare Vorgaben, welche Standards von Studien eingehalten werden müssen.

Der Brief erinnert ein wenig an die angeblich 100 Klimaforscher die den menschengemachten Klimawandel als Lüge ablehnen.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

ajki

Zitat von: ZKLP am 30. November 2015, 22:09:46
Warum gießt dann Christopher Portier mit seinem offenen Brief an die EU-Komission noch mal Öl ins Feuer

Eben ... wie oben schon erwähnt: alle, inklusive der sich auf den Schlips getreten fühlenden IARC-Leute. Irgendwo neulich in einem Interview, das auch hier verlinkt wurde, hat er schon in Richtung BfR-Assessment (vor offizieller Herausgabe) getönt, wenn die es "richtig" beurteilen "würden", "müßten" sie zum selben Ergebnis kommen wie er. Das war klar die erste, eindeutige Äußerung von einem IARCler, die darauf deutet, dass vonseiten IARC-Vertreter die eigene Rolle mißinterpretiert und die Rolle der EFSA und ihre Assessment-Ziele fehlinterpretiert wird. Ebenfalls lang weiter oben oder anderswo hatten im Zusammenhang auch schon einige spekuliert, das IARC (bzw. die genannten Vertreter) verfolgen mindestens in diesem Fall (aber wohl auch in anderen Fällen) eine Agenda - die Vorab-Äußerung war in meinen Augen dafür ein weiteres Indiz. Die Vertreter des IARC haben sich so eingebunkert in ihrer eigenvermeintlichen Expertise, dass sie gar nicht mehr aus dem eigenen Loch heraus kommen. Dazu im Gegensatz haben Vertreter des BfR schon den Parlamentariern und der Öffentlichkeit langatmig Rede und Antwort gestanden (s. die diversen pdf zum Fall alleine in den letzten Monaten) in Richtung auf differente Betrachtung und Berücksichtigung auch der IARC-Bezüge und andere Aufgabe und "sachgemäße Anwendung" und whatnot - und sie hätten genauso gut auch gegen Wände reden können. Alle einschlägig vorab orientierten Monsanto-ist-der-Teufel-Vertreter haben alle Erklärungen des BfR (ähnlich den IARC-Vertretern) schlicht&simpel als unglaubwürdig abgetan und werden auch dabei bleiben (inklusive etlicher Journos, die wir hier in diversen threads auch schon in Beispielen durchgehechelt haben).

Das Ganze ist zu einem "grundsätzlichen Differenzansatz" aufgeblasen von der Gentechnik-Gegnerseite (also auch die gekränkten Seralini-Unterstützer). Da kommen sie nicht runter. Deshalb wäre es meiner Ansicht nach so wichtig, von einem sehr guten, sehr unabhängigen und sehr genau arbeitenden Kompetenz-Team eine saubere Betrachtung der Monographie mit kritischem Ansatz durchzuführen - sonst bleibt der ganze Schanzberg an "Glyphosat tötet"-Übertreibung auf ewig erhalten. Aber leider hört man bislang noch nichts davon (man hört von grundsätzlichen Assessments zur Risikoforschung und Bewertungsprozeduren im Bereich WHO, um die verschiedenen Bodies wieder auf eine gemeinsame Linie zu bringen - damit kriegt man aber die existierende Monographie nicht korrigiert/relativiert. Und es "riecht" nach Deckelung von oben und würde somit weiteren Verschwörungstheorien Vorschub leisten).
every time you make a typo, the errorists win

eLender

Zitat von: ajki am 30. November 2015, 23:05:22
Deshalb wäre es meiner Ansicht nach so wichtig, von einem sehr guten, sehr unabhängigen und sehr genau arbeitenden Kompetenz-Team eine saubere Betrachtung der Monographie mit kritischem Ansatz durchzuführen - sonst bleibt der ganze Schanzberg an "Glyphosat tötet"-Übertreibung auf ewig erhalten.

Bitteschön: http://www.bfr.bund.de/cm/343/behoerden-der-eu-mitgliedstaaten-bescheinigen-der-bfr-bewertung-der-iarc-monographie-zu-glyphosat-hohe-wissenschaftliche-qualitaet-und-aussagekraft.pdf

Die WHO führt momentan auch noch ein sog. Divergenzverfahren zur Monographie des IARC durch. Man will feststellen, warum es eine andere Agentur (JMPR) nicht als krebserregend eingestuft hat (wie alle anderen Agenturen und Behörden weltweit auch...).

Bei dem Brief muss man aufpassen, es ist keine offizielle Stellungnahme des IARC, auch wenn er von einigen Gutachtern des selbigen stammt. Soweit man das lesen kann, sind sich BfR und IARC sogar darin einig, dass Glyphosat zumindest in der vorgesehenen Anwendung kein Krebsrisiko birgt. Das IARC stellt sowieso lediglich fest, dass Glyphosat "wahrscheinlich" (im Sinne von "möglicherweise") karzinogen ist. Das bedeutet, es kann nicht ausgeschlossen werden, dass beim Menschen beobachtete Fälle nicht auch andere Ursachen haben können. Mit "signifikanter Trend" ist übrigens die Dosis-Wirkungs-Beziehung gemeint, die man in einigen epidemiologischen Studien gefunden haben will.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

uran

Zitat von: eLender am 30. November 2015, 23:00:03
Zitat von: ZKLP am 30. November 2015, 22:09:46
Warum gießt dann Christopher Portier mit seinem offenen Brief an die EU-Komission noch mal Öl ins Feuer, indem er explizit die Kompetenz von EFSA und BfR in Frage stellt?

Der hat wahrscheinlich ein riesen Ego und kann es nicht verkraften, dass Hensel ihm damals bei der Bundestagsanhörung erklären musste, warum die epidemiologischen Studien für so eine Bewertung nicht taugen (hast Du ja auch nochmal schön erklärt). Das Ganze ist nichts neues, haben wir hier im Faden auch schon durchgekaut. Der Brief hat mit einem wissenschaftlichen Standpunkt nichts zu tun, ist reine Polemik und übelste Verleumdung. Der Herrn muss wirklich eine Schlag weg haben, das BfR und die Efsa als Lügenapparate zu bezeichnen.
Man sollte auch bedenken, dass es ihm ja nicht um niedrigere Grenzwerte geht, sondern um die Zulassung an sich.

ajki

Zitat von: eLender am 01. Dezember 2015, 18:28:56
Bitteschön:

Genau so etwas meine ich *nicht*. Anscheinend muß ich mich hier klarer ausdrücken.

Die derzeit beste Methode, um zu "korrekten" Aussagen in (natur)wissenschaftlichen Papieren zu kommen (also das gesamte Bündel von rechnerische Richtigkeit, methodische/methodologische Richtigkeit/Berechtigung, formal richtige Hypothesenbildung und sachlich richtige Form der Prüfung......>) ist der (anonymisierte) "peer review". Ich will hier gar nicht erst anfangen darüber zu debattieren, was die vielfältigen Schwächen in der realen Organisation des peer review-Prozesses genau sind und wo sie liegen - ich will hier nur darauf hinaus, dass die Qualität einer Arbeit maßgeblich davon abhängt, dass sie einem möglichst rigiden, "guten" peer review-Prozeß unterliegt VOR Veröffentlichung.

Von einem solchen qualitätsstiftenden Prozess wird in vielen anderen Bereichen aus unterschiedlichen Gründen abgewichen. Bücher/Lehrbücher z.B. unterliegen einem editoriellen Qualitätssicherungsprozess, der (selten) sogar ein (abgewandeltes) anonymisiertes peer review umfassen kann, dies aber in aller verlegerischer Regel aufgrund von Kostendrücken bei Erstausgabe nicht tut - man geht bei erfolgreichen Ausgaben (stillschweigend) davon aus, dass evtl. notwendige fachliche Anpassungen in Folgeauflagen eingearbeitet werden (vielleicht aufgrund von öffentlicher Kritik am Inhalt der aktuellen Ausgabe). In Ämtern/Institutionen wird auf äußeren (anonymisierten) peer review grundsätzlich verzichtet zugunsten eines "inneren" Qualitätssicherungsprozesses - man beordert (läßt beordern) eine gewisse Anzahl von Experten, die kommissionsartig im Konsens-Prinzip die schlussendliche Veröffentlichung verantworten. Das klappt *dann* gut, wenn *keine* originäre Forschungsleistung zu erbringen ist in der Publikation, sondern "nur" ein Bewerten (häufig aufgrund vielfältiger anderer peer-reviewed Bewertungen) und ein ordnendes Zusammenfassen der Beobachtungen/Ergebnisse anderer Arbeiten. Die "Autorität" (die "Amtlichkeit") gewinnt eine solche Publikation durch die Norm, die aufgrund der solide zusammengetragenen Information den eigentlichen Zweck der amtlichen Bemühung darstellt.

Bei dieser Form der Qualitätssicherung kann eine ganze Menge schief gehen (mindestens genauso viel wie beim anonymisierten peer review-Prozeß). Zum Beispiel kann aufgrund der inhärenten institutionellen Eigenschaften eine Hierarchie entstehen, die Einem oder Wenigen die Kontrolle über Inhalte überläßt und dadurch einen ganz erheblichen Bias in das "amtliche" paper einbringt - und das genau und gewollt auch so beabsichtigt ist aufgrund der politischen Vorgaben an das Amt (u.a. und z.B durch gesteuerte Stellenbesetzung). Oder ein Lead Author in einer schwach hierarchisch kontrollierten Institution usurpiert durch geschickte Netzwerkerei die konsensuelle Qualitätssicherung mit "eigenen" Leuten (wodurch so etwas wie ein "pal review" entsteht). Oder eine beauftragte Expertenkommission geht über den Grundauftrag des Kompendierens hinaus und leistet mehr oder weniger offensichtlich originäre interpretative Arbeit *ohne* eigenständigen externen peer review (und vor dem Hintergrund eines "organisierten" inneren pal-Kreises).

Folge: obwohl die "amtliche" Publikation ihre Autorität bis zu einer Revision irgendwann in der Zukunft weiterhin beansprucht, können ihre Inhalte (also die aufgelisteten Gründe, die zu der Norm führen) durchaus fehlerhaft sein und zumindest soweit es Qualitätssicherungsprozesse betrifft mit Mängeln behaftet sein. Aber die Norm ist nach Publikation in der Welt.

Ich selbst (wie irgendwo weiter oben schon mal angesprochen) "glaube" auf jeden Fall nicht an die Richtigkeit der Ergebnisse im Bereich "non-Hodgkin Lymphoma" bzw. an die Solidität der korrelativen Ergebnisse der originären Arbeitsleistung in der IARC-Monographie. Des weiteren und unabhängig von den vielen grundsätzlichen Problemen mit Tierversuchsstudien (soweit es ihre Übertragbarkeit betrifft) "glaube" ich der IARC-Monographie nicht, soweit es originäre statistische Untersuchungen auf der Grundlage von gesammelten Fremddaten betrifft.

Es fehlt am qualitätsstiftenden peer review-Prozess für die originäre Arbeitsleistung der IARC-Experten. Das ist institutionsseitig so "gewollt", macht es aber nicht besser. Um dieser IARC-Monographie zu "trauen", muß für mich (zumindest) ein unabhängiger peer review-Prozeß nachgeholt werden. Allermindestens für die hoch überraschenden Ergebnisse hinsichtlich non-Hodgkin.
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eLender

Zitat von: ajki am 02. Dezember 2015, 07:31:21
Genau so etwas meine ich *nicht*.

Das hatte ich mir beinahe gedacht ;)

Also, das IARC und auch das BfR bewerten Studien, die ein peer-review durchlaufen haben. Wir wissen alle, dass das nur ein Minimalstandard in der Wissenschaft ist und noch lange keine Alleinaussage zur Güte bzw. Verwendbarkeit einer Studie aussagt (siehe die Regenwürmer und die Boku). Das BfR wertet überwiegend Studien aus, die strenge Richtlinien befolgen müssen, die also ein bestimmtes Schema für toxikologische Tests einhalten. Solche Standards sind international festgelegt, da kann kein Labor einfach mal so ein anderes Design wählen. Solche Studien sind erst einmal recht solide. Daneben gibt es die ganzen öffentlich zugänglichen Studien, die teilweise recht frei bestimmte Designs verwenden. Die Aussagen, die sich aus solchen Studien ableiten lassen, sind nicht immer das, was man eigentlich wissen will. Leider wird in dem Bereich auch gerne einmal getrickst (Seralini, ick hör dir...). Dann gibt es auch noch epidemiologische Studien, die prinzipiell nur gewisse Hinweise geben können, aber aufgrund methodischer Schwächen nie eine Ursache-Wirkungs-Beziehung aufklären können.

Solche Reviews bzw. Metastudien, wie die des BfR und des IARC werten solche Studien nur aus. Dabei gibt es unterschiedliche Kriterien, welche Studien für welchen Aussagen überhaupt in Frage kommen. Bei den Kriterien unterscheiden sich die beiden Institutionen, das IARC ist da wohl etwas weniger wählerisch. Die Kriterien sind öffentlich einsehbar (habe ich mir aber nicht im Detail angesehen). Zu fordern, dass die Studien einem peer-review unterzogen werden sollen, damit man sozusagen eine objektive Bewertung deren Validität bekommt, ist eine etwas merkwürdige Forderung. So etwas endet in einem ewigen Regress. Man kann sich sachlich mit den unterschiedlichen Kriterien in den Reviews auseinandersetzen, das BfR gibt dazu ja Hinweise. Dass das BfR und die Efsa irgendwie unwissenschaftlich gearbeitet haben sollen, ist ein Mythos, der komischerweise auch von Teilen des IARC konstruiert wird. Wie wir wissen, sind solche Mythen schwer zu zerschlagen und dienen nur einem bestimmten Zweck. Wer so etwas glauben will, der glaubt es auch, wenn ein mathematischer Beweis das Gegenteil belegen würde.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

ajki

Meinem Eindruck nach gelingt es mir nach wie vor nicht, meine (rein persönliche) Meinung hier deutlich rüberzubringen - oder wir reden hier aneinander vorbei.

Zitat von: eLender am 02. Dezember 2015, 23:59:06
Solche Reviews bzw. Metastudien, wie die des BfR und des IARC werten solche Studien nur aus.

Ich habe in *dieser* Sache bislang in den BfR-Unterlagen keine Auffälligkeiten gesehen - insofern scheint es mir unstrittig, dass im Rahmen seiner Aufgabenstellung und seines Auftrags das BfR (bzw. in der Folge der Zuarbeit die EFSA) so gearbeitet hat, wie es ein Amt/eine Institution tun soll. Einiges könnte besser dokumentiert sein, manches könnte "besser" offengelegt werden, die Öffentlichkeitsarbeit könnte "geschickter" sein usw. Aber rein von der Sache her erscheint die fachliche Arbeit und die diversen Schlußfolgerungen daraus stringent über die Jahre (Jahrzehnte) und sachgemäß (auch in der Methodik).

Anders jedoch in dieser Sache und anderen kürzlichen Reviews das IARC. Nach Erscheinen habe ich wie viele andere auch natürlich aufgrund der Vorab-Erklärungen die Monographie aufmerksam, wenn auch nicht methodisch durchgesehen. Mir scheint es an verschiedenen zentralen Stellen so zu sein, dass über ein Kompendieren, ein Review oder ein nachvollziehbares Akkumulieren homogenisierter Daten hinausgegangen wird in mindestens einigen zentralen Bereichen. Nur aufgrund Anwendung eigener Interpretationsleistungen unter eigener (selektiver) Anwendung statistischer Methoden scheint es mir möglich zu sein, zu einigen fundamentalen Aussagen überhaupt gelangen zu können - der errechnete Korrelationszusammenhang "non-Hodgkin" sticht hier besonders ins Auge. Meiner Ansicht nach wird dieser Sachverhalt noch unterstützt durch einen bestimmten "Gestus" der IARC-Verantwortlichen in dieser Sache, wie er sich in öffentlichen Interviews zeigt - sie gerieren sich dort wie "men on a mission", die etwas gefunden haben, das sie erwartet haben zu finden.

Zitat von: eLender am 02. Dezember 2015, 23:59:06
Zu fordern, dass die Studien einem peer-review unterzogen werden sollen, ... ist eine etwas merkwürdige Forderung. ...
So etwas endet in einem ewigen Regress. ...

Zur Klarstellung: ich fordere keinen "peer review" für die Monographie - u.a. weil es eben nicht geht und weil die Anwendung von peer review-Prozessen nur dann Sinn machen würde, wenn sie vor Publikation eigenständiger Forschungsleistungen stattfindet. *Hätte* eine Art qualitätsstiftender externer anonymisierter "peer review"-Prozeß auf die Monographie angewendet stattgefunden, dann bezweifele ich unbedingt, dass z.B. die klare Festlegung auf korrelativen Nachweis im Review-Teil "non-Hodgkin" durchgegangen wäre - das ist methodisch mit hoher Wahrscheinlichkeit viel zu dünn, um so eine Eindeutigkeit zu rechtfertigen.

Nun ist die Monographie mit ihrem Urteil "2A" aber in der Welt und wird (wie unter anderem hier in den diversen threads ersichtlich) von einer großen Anzahl von Gruppierungen höchst aktiv zur Durchsetzung ihrer Ansichten und Interessen genutzt. Es ist keine der vielen mehr oder weniger unerheblichen Beiträge einer Institution zu Basisdaten und Skalen, die von einer Globalinstitution zu generalpräventiven Maßnahmen mitgenutzt werden - wäre das so, könnte man ohne weiteres mit einem weiteren der vielen (eigentlich: unzähligen) Stoffe leben, für den irgendein Institut der WHO eben eine grundsätzliche Gefährdungsemissivität festgestellt hat. Durch die Instrumentalisierung dieser Monographie (ähnlich wie bei Wurst/Fleisch, bei Schwach(st)strahlenquellen und anderswo) durch *Dritte* gewinnt die Frage, ob das, was in dieser Arbeit steht, "richtig", "falsch", "nicht ausreichend begründet" etc. ist, eine ganz erhebliche Wichtigkeit in der völlig anderen Welt der "politischen"/gesellschaftlichen Dimension. Da der Name gefallen ist oben, kann er als Analogie auch hier gut genutzt werden: es ist genau wie bei den Schrottstudien von Seralini u. vglb. - dessen Publikationen hatten/haben den Zweck der Mobilisierung von Meinungen und das ist ihnen auch ausgesprochen gut gelungen. *Nur* durch ganz massiven, langanhaltenden und im Grunde angesichts der geringen Bedeutsamkeit der Publikationen *untypischen* Druck von vielen Wissenschaftlern und Forschern ist es gelungen, einen Teil der Seralini-Propagandaprodukte aus dem seriösen wissenschaftlichen Diskurs zu entfernen. Und selbst das ist angesichts der butterweichen Formulierungen im Fachblatt anläßlich der Zurückziehung nicht in der notwendigen Schärfe erfolgt (von der beinahe schon bewundernswerten Chuzpe Seralinis mal ganz abgesehen, den Schrott auch noch open access und unter Umgehung von review-Prozessen eiskalt neu zu veröffentlichen).

Man kann das als unwirksamen "unendlichen Regress" ansehen - und soweit es den strikt wissenschaftlichen Diskurs betrifft (oder auch den Diskursprozess zwischen Behörden) stimme ich diesem kritischen Ansatz auch zu. Wenn in der Fachwelt offengelegt ist, dass eine Arbeit mit Mängeln behaftet ist, wird sie durch Nicht-Zitation/-Verbreitung letztlich genügend gut "eliminiert" - es ist in der Fachwelt noch nicht einmal nötig, eine bekannt schlechte Arbeit zurückzuziehen. Aber dieses Feld ist durch die Eingriffe der Dritten verlassen worden - hier geht es nun um öffentlichen Diskurs von Nichtfachleuten, u.a. auf "politischem" Feld. Dort ist prinzipiell jeder Diskurs "unendlich" und solange nicht abschließbar, bis eine "Synthese"-Ebene erreicht ist und sozusagen der Streitpunkt entfällt. Hier führt ein Ignorieren eines falschen Sachverhalts nicht zu konstruktivem Weiterbeschäftigen mit relevanten Themen, sondern zum weiteren Anwachsen destruktiver Strömungen. (Das ist ein grundsätzliches Problem: "natur"wissenschaftlich orientierte Leute glauben oft, sie müßten sich auf politisch/sozialem Feld nicht weiter mit "irrationalen" Dingen beschäftigen, weil man ja "nur" auf die Formel, den physikalischen Sachverhalt, die gut funktionierende Modellierung schauen müsse und dann wäre das Problem aus der Welt - so funktioniert aber sozialer Diskurs nicht)

Wenn man sich nicht die Mühe macht, einen unrichtigen Sachverhalt dieser Monographie (und ähnlicher) angemessen gut zu kritisieren, dann ist "unendlicher Regress" durch verstärkte Destruktion die Folge und nicht das erhoffte Verschwinden der Instrumentalisierung durch Dritte.

Zitat von: eLender am 02. Dezember 2015, 23:59:06
Wie wir wissen, sind solche Mythen schwer zu zerschlagen und dienen nur einem bestimmten Zweck. Wer so etwas glauben will, der glaubt es auch, wenn ein mathematischer Beweis das Gegenteil belegen würde.

Eben. Wenn aber die notwendige Aktivität, der notwendige Diskurs, das Engagement in der Sache verweigert wird (zu teuer, zu viel Arbeit, nicht relevant genug...), dann "gewinnt" die Monsanto-wird-uns-alle-töten-Fraktion. Und alle verlieren.
every time you make a typo, the errorists win

eLender

Ich finde, gerade das BfR macht ein sehr gute Öffentlichkeitsarbeit. Es gibt zig Stellungsnahmen, auch warum man bestimmte Studien anders bewertet als das IARC (Links sind weiter oben zu finden). Warum aber solche Brandbriefe wie die aktuelle Hetzschrift durch alle Gazetten gereicht werden, die Stellungnahmen aber nur auf den Seiten des BfR zu finden sind, weiß Gott alleine ;)
Ich bin kein Pressesprecher des BfR, aber die haben keinen leichten Stand. Alleine die Vorwürfe hier (es gäbe keine vernünftige Erklärung zu den Differenzen der beiden Institutionen) zeigt das ziemlich bildhaft.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

ZKLP

Zwar OT, aber vielleicht interessiert den einen oder anderen der aktuelle Stand der Zulassung weiterer GMO-Herbizidtoleranzen in den Staaten. Habwegs brauchbarer Artikel zum Thema sind ja leider rar:

http://www.nytimes.com/2015/11/26/business/epa-revokes-approval-of-new-dow-herbicide.html?_r=2


Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Kombination von 2,4-D und Dicamba hierzulande gerne im Baumarkt verkauft wird, als Unkrautvernichter für Rasen. Scheinbar ein lohnendes Geschäft, sind aktuell doch rund 100 Produkte mit dieser Kombination zugelassen, teils mit so blumigen Namen wie "Rasenfreund Dicotex" oder "Mariechen's Unkrautvernichter + Rasendünger".
Daraus lässt sich doch auch eine Story basteln. Es wird also nicht langweilig.