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Interview mit Naomi Oreskes ("Die Macchiavellis der Wissenschaft")

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Begonnen von mossmann, 04. November 2014, 17:25:01

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pelacani

Zitat von: ajki am 05. November 2014, 22:42:33
Muß es auch nicht - weil nach meiner eigenen persönlichen Überzeugung ist mit der mir vorher gar nicht vorstellbaren Einführung des IPCC und seiner gewaltigen Leistung in den Reports der wissenschaftliche Stand der Dinge in einer Form verfügbar gemacht worden, wie es in keiner anderen Disziplin überhaupt nur vorstellbar wäre. Für mich ist das eine Menschheitsleistung, die ihresgleichen sucht.

Wie das so ist, mit den angesehenen Gremien umd dem wissenschaftlichen Stand der Dinge, da finde ich mühelos genügend Beispiele.

Die WHO verkündet (Beijing Declaration), dass Voodoo ,,should be respected, preserved, promoted and communicated widely":
ZitatThe knowledge of traditional medicines, treatments and practices should be respected, preserved, promoted and communicated widely and appropriately based on the circumstances in each country
http://www.who.int/medicines/areas/traditional/congress/beijing_declaration/en/

Oder: aus der völlig ungezielten Lektüre der Zeitungen diese Woche:

Peter Gøtzsche (das ist der hier) ist ein renommierter Forscher. Sein Buch habe ich ernst genommen. Nur in einem Kapitel, in dem ich mich zufällig auskenne, weiß ich, dass man die Dinge auch anders hätte akzentuieren können. Über ihn wird berichtet
ZitatDen Großteil seines Vortrags verwendete Gøtzsche jedoch darauf, die Dummheit und Ignoranz von NHS, NICE und auch des New England Journal of Medicine zu geißeln. Sein rustikales Urteil: ,,What a lot of bullshit.'' Das englische Gesundheitssystem gehe ,,down thedrain'', es sei ,,horrible''. Zwar beglückwünscht Gøtzsche das deutsche Gesundheitssystem zu seinem IQWiG, doch für das üppige deutsche Früherkennungsprogramm hatte er nur Kopfschütteln übrig. So präsentierte er eine Übersicht mit den GKV-finanzierten Maßnahmen, in der er mit roten Kreuzen die seiner Ansicht nach überflüssigen Angebote durchstrich. Übrig blieben lediglich Gebärmutterhalskrebs-und Darmkrebsvorsorge [...]
[Z. Evid.Fortbild.Qual.Gesundh.wesen(ZEFQ)
http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.04.009]

Ist er auf dem besten Weg, ein Crank zu werden? Ich weiß es nicht.

Oder das hier:
ZitatIn The Lancet, Christopher Williams and colleagues1 describe the findings of the Paracetamol for Low-Back Pain Study (PACE), which show that paracetamol was not more effective than placebo in patients with acute low-back pain.
...
Worldwide, national clinical guidelines recommend paracetamol as the first choice for prescribed analgesics for acute low-back pain
http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(14)60978-8

Oder das hier, in der gleichen Nummer des Lancet, diese Woche:
ZitatOn Oct 21, a group of public health scientists and medical political leaders wrote to Sarah Wollaston, Chair of the UK House of Commons Health Select Committee, to call for an independent investigation into the National Institute for Health and Care Excellence (NICE). [...]The charges were serious, and related to what they characterised as NICE's support for the "mass prescription of statins where enormous uncertainty exists about the nature and extent of statins [sic] side eff ects because of a systematic lack of transparency". Chand and his colleagues claimed "serious shortcomings" in NICE's evaluation of the evidence about this drug class. [...]
Aber:
ZitatA detailed analysis of the "serious errors" in the Thompson letter, by Jane Armitage, Colin Baigent, and Rory Collins, was published in The Lancet on October 4. (It is worth noting that seven of the nine authors who signed the Chand letter had also signed the Thompson letter.)
[Lancet Vol 384 November 1, 2014 1561]
:teufel.
Auch diese Wissenschaftler wissen nicht, ob die Gremien recht haben.

ajki

Conina, Du mußt Dich jetzt schon entscheiden - entweder hältst Du schon das Thema für dieses Forum, geschweige denn die Art der Diskussion für schlecht, nervig und für dieses Forum überflüssig oder Du willst doch über irgendwelche Details schwatzen.

Wenn Du das Letztere möchtest und zwar mit mir, dann ist als Erstes der Ton Deiner Nachrichten von Dir deutlich zu ändern. (Und ein bißchen Höflichkeit und Verzicht auf "Knall" etc. wären auch recht - im allgemeinen und mit guten Gründen würde ich nach solchem unlockeren Ton auf jede weitere Antwort verzichten *müssen* -> siehe die auch von mir scharf kritisierten "Streitereien")
every time you make a typo, the errorists win

pelacani

Zitat von: Belbo am 06. November 2014, 10:34:04
...wielange möchtest du das Spielchen noch spielen, im Ernst, ja ich halte Deine posts auch z.t. für Trollerei, da habe ich über die ganzen Strohmänner noch gar nicht gesprochen.
Zitat von: Belbo am 06. November 2014, 11:08:37...scheinbar ist meine Eigenwahrnehmung gestört. Ich halte meine und Pelles Stinkstiefligkeiten für ziemlich ausgeglichen...., nun gut.

Wenn Du mit Deinem Selbstmitleid fertig bist, dann



Putz' Dir die Nase und sag was zur Sache. (Sofern Du es als Vielbeschäftigter fertig bringst, Deine Quellen parat zu haben.)

Belbo

....was Du m.E. brauchst ist einen Egobypass... ich halte es da einfach mit Dir:

ZitatWie das so ist, [...], da finde ich mühelos genügend Beispiele.

ajki

Zitat von: Pelacani am 06. November 2014, 11:25:19
Wie das so ist, mit den angesehenen Gremien umd dem wissenschaftlichen Stand der Dinge, da finde ich mühelos genügend Beispiele.
...
Ist er auf dem besten Weg, ein Crank zu werden? Ich weiß es nicht.
...
:teufel.
... ob die Gremien recht haben.

Du weißt "es" nicht, ich weiß es nicht, der Wissenschaftler x weiß es nicht, das Einzelgremium y weiß es nicht....

Findest Du das Nichtwissen auffällig oder besonders? (Wie schon mal gesagt: *ich* finde mein Nichtwissen eher normal)

Du bist in medizinische Themenkomplexe involviert (glaube ich). Wenn Du die Chance hast, auf Cochrane-Daten zurückzugreifen oder auf eine Einzelmeinung - welche Wahl triffst Du (auf theoretischer Ebene)? [edt.: war das nicht grad mal irgendwo Thema hier?]

Ich glaube, das "Problem", um das es hier geht ist eine Variante des "Autoritätsargumentes" - also etwa, auch 800+ Fachleute, die 3.000+ andere Fachleute in einem Redaktionsprozess in einem Begutachtungsprozess von 30.000+ Einzelforschungen betreuen, seien letztlich auch fehlbar wie jeder andere Meinungsstrang und deshalb düfe man vernünftigerweise auf solche Art gewonnene Autorität auch nicht letztgültig bauen. Ich (persönlich) glaube nicht, dass der Kollaborationsprozess damit richtig beschrieben werden kann. Ich ... glaube auch nicht, dass das Resultät in diese Form der "Autorität" überhaupt fällt (was wiederum die Anwendung der Kritik des "Autoritätsarguments" oder der weitergefassten "Wahrheitsunterstellung" nicht möglich machen würde). Im ganz praktischen Sinn wäre mir auch nicht recht klar, welche Methode der Sachverhaltsfeststellung überlegen sein könnte (mal von der theoretischen "Genie"-Möglichkeit abgesehen, die auf einem 2-Seiten-Papier mal kurzerhand Grundstürzendes liefert).

Das WHO-Beispiel wiederum ist ja hochinteressant auch für sonstige Globalproblemlagen. Was macht man als Executive einer Globalorganisation, wenn man ein paper verfassen möchte, das von "allen" Delegierten unterschrieben werden soll... Die zum Thema gehörenden wissenschaftlichen Zuarbeiten geben nicht das her, was die diplomatischen/politischen Vertreter zuarbeiten. Die bisherigen (und voraussichtlichen) Resultate hast Du beispielhaft dargestellt. Was im "Klima"-Bereich herumkommt, war neulich anderwärts schon mal Thema. (Was aber mit den Forschungsergebnisdarstellungen von Working Groups wenig zu tun hat, sondern eben mit den realen diplomatischen/politischen/sozialen Verhältnissen - soweit ich mich erinnere, haben deutsche Vertreter im IPCC öffentlich schon sehr beredt beklagt, was aus den Vorlagen im "Rat" dann wurde [Schellnhuber war es wohl mal vor ein paar Jahren - in der "Zeit" glaube ich]).
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Conina

Zitat von: ajki am 06. November 2014, 11:26:43
Conina, Du mußt Dich jetzt schon entscheiden - entweder hältst Du schon das Thema für dieses Forum, geschweige denn die Art der Diskussion für schlecht, nervig und für dieses Forum überflüssig oder Du willst doch über irgendwelche Details schwatzen.

Wenn Du das Letztere möchtest und zwar mit mir, dann ist als Erstes der Ton Deiner Nachrichten von Dir deutlich zu ändern. (Und ein bißchen Höflichkeit und Verzicht auf "Knall" etc. wären auch recht - im allgemeinen und mit guten Gründen würde ich nach solchem unlockeren Ton auf jede weitere Antwort verzichten *müssen* -> siehe die auch von mir scharf kritisierten "Streitereien")

Netter Versuch.
Gib doch stattdessen einfach zu, dass Photosynthesgleichung und  5000 ppm CO2 keine Mythen sind.
Das wäre ehrlich und anständig.

Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

ajki

Zitat von: Conina am 06. November 2014, 12:26:30
Netter Versuch.
Gib doch stattdessen einfach zu, dass Photosynthesgleichung und  5000 ppm CO2 keine Mythen sind.
Das wäre ehrlich und anständig.

An Ehrlichkeit und Anstandigkeit ist mir sehr gelegen ;-)

Die Photosynthesegleichung stimmt.
Vor rund 500 Mio. Jahren betrug der CO2-Gehalt der Atmosphäre mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit (die aufgrund einer geringen Anzahl an Proxys derzeit unbestimmbar bleibt) mehr als 5.000 ppm.

Beide Aussagen sind *keine* Mythen und betreffen nicht das in meinem posting angesprochene Problem.
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pelacani

Zitat von: ajki am 06. November 2014, 12:15:18
Zitat von: Pelacani am 06. November 2014, 11:25:19
Wie das so ist, mit den angesehenen Gremien umd dem wissenschaftlichen Stand der Dinge, da finde ich mühelos genügend Beispiele.
...
Ist er auf dem besten Weg, ein Crank zu werden? Ich weiß es nicht.
...
:teufel.
... ob die Gremien recht haben.

Du weißt "es" nicht
Ich glaubte, mich unmissverständlich ausgedrückt zu haben. Ich weiß nicht, ob Peter Gøtzsche auf dem besten Wege ist, ein Crank zu werden, oder ob er mit seiner Fundamentalkritik an den Gremien recht hat. Das ist keine ironische Floskel, sondern das ist ernst gemeint. Das ist eine sehr konkrete Aussage, da geht es nicht um ein "es" in Gänsefüßchen.

Der :teufel bezog sich auf die Peinlichkeit der beteiligten Wissenschaftler, sich erst in Positur zu werfen und wenige Wochen später so zu tun, als hätten sie nie etwas anderes behauptet als das Gegenteil. Dahinter steht, dass selbst für diese Experten offenbar nicht genügend Klarheit bestand, was sie denn nun vertreten wollen. Sie wussten es nicht.

ZitatFindest Du das Nichtwissen auffällig oder besonders?
Nein. Ich fände es weder besonders auffällig noch hochgradig verwunderlich, wenn sich herausstellen sollte, dass sich das IPCC in dieser oder jener Frage geirrt hat (das mag jetzt mehr oder weniger wahrscheinlich sein). Schön, dass Du das auch so siehst.

ZitatWenn Du die Chance hast, auf Cochrane-Daten zurückzugreifen oder auf eine Einzelmeinung - welche Wahl triffst Du (auf theoretischer Ebene)? [edt.: war das nicht grad mal irgendwo Thema hier?]
Das ist eine rhetorische Frage, und sie geht am Kern des Problems vorbei. Auch wenn ich mich – selbstverständlich – an der Evidenzhierarchie orientiere, dann bleibt immer noch ein Restrisiko, dass ich mich (wie auch die Gremien) irre. Dafür stehen die Beispiele, die ich beliebig vermehren könnte. Darum geht es.

Zitatalso etwa, auch 800+ Fachleute, die 3.000+ andere Fachleute in einem Redaktionsprozess in einem Begutachtungsprozess von 30.000+ Einzelforschungen betreuen, seien letztlich auch fehlbar wie jeder andere Meinungsstrang und deshalb düfe man vernünftigerweise auf solche Art gewonnene Autorität auch nicht letztgültig bauen. Ich (persönlich) glaube nicht, dass der Kollaborationsprozess damit richtig beschrieben werden kann.
Kritik ist nicht dasselbe wie Willkür. Letzlich geht es um die Frage nach den praktischen Konsequenzen. Natürlich baut beispielsweise ein Mediziner auf die Autorität der Leitlinien, und er tut gut daran. Und er tut auch gut daran, sich immer zu überlegen, ob diese Leitlinien in Stein gemeißelt sind, und worauf sich die Leitlinienempfehlungen genau stützen.

Was den Crank ausmacht, ist nicht, ob er eine von der Mehrheit der wissenschaftlichen Community abweichende Ansicht hat, sondern ob er seine Meinung im Licht neuer Evidenz ändern kann. Im alten Wortsinn eben: ,,a man who cannot be turned".

ajki

Zitat von: Pelacani am 06. November 2014, 13:56:09
Ich glaubte, mich unmissverständlich ausgedrückt zu haben....da geht es nicht um ein “es“ in Gänsefüßchen.
Der :teufel bezog sich auf
Tut mir leid, ich habe für mich einfach zusammengestrichen (das emo ist irrtümlich verblieben). Wenn ich den Sinngehalt Deiner Aussage damit verfälscht haben sollte, war es zumindest nicht meine Absicht.

Zitat von: Pelacani am 06. November 2014, 13:56:09
Ich fände es weder besonders auffällig noch hochgradig verwunderlich, wenn sich herausstellen sollte, dass sich das IPCC in dieser oder jener Frage geirrt hat (das mag jetzt mehr oder weniger wahrscheinlich sein). ...

...dann bleibt immer noch ein Restrisiko [Kern des Problems, darum geht es]...

Und er [der verallgemeinerungsfähige Evidenzler] tut auch gut daran, sich immer zu überlegen, ob diese Leitlinien in Stein gemeißelt sind
Ob ich als Person das finde ist wohl unerheblich. Du *scheinst* zu meinen oder anzudeuten, die am Begutachtungsprozess des IPCC beteiligten Fachleute oder der Prozesse oder die unterliegenden Organisationsformen seien Irrtumseingeständnis-avers oder allgemein (interpretiert: ideologisch) starr. Willst Du das sagen und wenn ja, woran machst Du das fest? (Also etwa im Gegensatz zu anderen Wissenschaftsorganisationen)

Zitat von: Pelacani am 06. November 2014, 13:56:09
Was den Crank ausmacht, ist nicht, ob er eine von der Mehrheit der wissenschaftlichen Community abweichende Ansicht hat, sondern ob er seine Meinung im Licht neuer Evidenz ändern kann. Im alten Wortsinn eben: „a man who cannot be turned“.
Siehst Du irgendwelche Anzeichen für eine "neue Evidenz", die nicht ausreichend im aktuellen Report oder einer älteren Version berücksichtigt wurde? Entspricht Deiner Ansicht nach der Report nicht dem aktuellen Wissensstand (abzüglich Redaktionsschluß)?
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pelacani

Zitat von: ajki am 06. November 2014, 14:33:18
Du *scheinst* zu meinen oder anzudeuten, die am Begutachtungsprozess des IPCC beteiligten Fachleute oder der Prozess oder die unterliegenden Organisationsformen seien Irrtumseingeständnis-avers oder allgemein (interpretiert: ideologisch) starr. Willst Du das sagen [...] ?
Nein, das will ich nicht sagen. Ich will nur sagen, dass ich das nicht a priori für völlig unmöglich halten würde.

ZitatSiehst Du irgendwelche Anzeichen für eine "neue Evidenz", die nicht ausreichend im aktuellen Report oder einer älteren Version berücksichtigt wurde? Entspricht Deiner Ansicht nach der Report nicht dem aktuellen Wissensstand (abzüglich Redaktionsschluß)?
Keine Ahnung. Meine Reserviertheit speist sich aus den Gedanken über die Angemessenheit von Maßnahmen, wenn z. B. der Bundesmutti am Tag nach Fukushima einfällt, dass die deutschen Kernkraftwerke nicht mehr sicher sind, die einen Tag zuvor noch sicher waren. Solche Sachen eben.

Groucho

Zitat von: Pelacani am 06. November 2014, 13:56:09
Nein. Ich fände es weder besonders auffällig noch hochgradig verwunderlich, wenn sich herausstellen sollte, dass sich das IPCC in dieser oder jener Frage geirrt hat (das mag jetzt mehr oder weniger wahrscheinlich sein). Schön, dass Du das auch so siehst.

Ich wollte mich hier ja raushalten, aber ich orientiere mich mal an Adenauer.
Nur kurz zum IPCC und dessen Glaubwürdigkeit. Da gab es in der Vergangenheit massive Probleme. Exemplarisch sei der Fall der Gletscherschmelze im Himalaya erwähnt. Pachauri, indischer Eisenbahningenieur und Chef des IPPC behauptete 2011, die Gletscher des Himalaya würden bis 2035 abgeschmolzen sein. War ein kleiner Fehler, ein Zahlendreher. In den Berichten des IPPC stand 2350 - mal unabhängig davon, für wie glaubwürdig man solche langfristigen Prognosen halten mag. Nun kann man vom Chef einer großen Organisation sicher nicht verlangen, Fachmann auf allen Gebieten zu sein, seine Aufgabe ist eine andere. Aber eine gewisse rudimentäre Ahnung von dem, worum es geht, wäre schon wünschenswert. Nun würde wirklich jedem, der sich auch nur ein bisschen auskennt sofort auffallen, dass es so gut wie unmöglich ist, dass diese riesigen Eismassen bis 2035 komplett verschwinden können, mal von möglichen externen Katastrophen abgesehen. Der Fehler ist ca. so offensichtlich, als wenn ein Redakteur einer Autozeitschrift behaupten würde, der neue Passat habe eine Höchstgeschwindigkeit von 928 km/h.

Das eigentliche Problem ist nun nicht die Äußerung als solche, jeder gibt mal Unsinn von sich. Das Problem war, dass er Wochen brauchte, um diesen Fehler einzugestehen. Und was man vom PIK und dessen Chef Schellnhuber, ein Fachmann(!) halten will, der dies noch Monate (!) später steif und fest behauptete (2035), sei jedem selbst überlassen.

Klar, diese Anekdote ist kein Beweis für oder gegen das IPPC insgesamt, aber es lässt einem doch vorsichtshalber mal die Handschuhe anziehen. Es gab noch einige Vorfälle dieser Art. Man muss aber sagen, das IPPC hat gelernt, der letzte Bericht ist eigentlich nichts, worüber man groß streiten müsste. Es wird brav der Stand der Forschung dargestellt, ohne jeweils die Unsicherheiten zu verschweigen. Ich kenne auch keine ernst zu nehmende skeptische Seite, die den letzten Bericht großartig ablehnen würde.

Das große Hauen und Stechen beginnt dann erst beim Summary for Policymakers, in dem der umfangreiche Bericht für Politiker verdichtet dargestellt wird. Um den geht es eigentlich.
Der Einfachheit halber mal auf SpON verwiesen:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/klimawandel-finaler-bericht-des-ipcc-a-1000432.html

ZitatBesonders deutlich wird die Verzerrung bei den Aussagen zum vorhergesagten Artensterben:

Im neuen Synthesereport steht zur Prognose:

Eine globale Erwärmung von vier Grad oder mehr seit Beginn der Industrialisierung (ein Grad ist bereits erreicht) bedeute ein hohes bis sehr hohes Risiko eines beträchtlichen Artensterbens, sie würde die Rate des Artensterbens erhöhen. In die Prognose der Modellierungen bestehe "hohes Vertrauen".

Das hingegen schreiben die Experten im jeweiligen Fachkapitel des Uno-Klimareports dazu:

Klimamodelle können diverse Schlüsselprozesse hinsichtlich der Artenentwicklung nicht darstellen, die Anfälligkeiten von Arten gegenüber dem Klimawandel wesentlich beeinflussen - beispielsweise: Die Fähigkeit der Anpassung von Erbgut und äußeren Merkmalen an neue Umweltbedingungen, die Fähigkeit zur Ausbreitung, die Dynamik von Populationen, die Effekte der Fragmentierung von Lebensräumen, die Wechselwirkung von Lebensgemeinschaften, Mikro-Rückzugsgebiete, den Effekt steigender CO2-Konzentrationen auf Vegetation.

Politiker mögen keine Unsicherheiten. Entsprechend fällt dann auch dieser Bericht aus. Ein Politiker, der sagt, er wisse es nicht genau, könnte so oder so kommen - kennt da jemand einen?


ajki

Zitat von: Pelacani am 06. November 2014, 14:51:07
Ich will nur sagen, dass ich das nicht a priori für völlig unmöglich halten würde.
Na, wie schon grob beschrieben, halte ich es für nahezu ausgeschlossen (sozusagen mit einer homöopathischen C200-Dosierungswahrscheinlichkeit), dass auch nur einer der beteiligten Fachleute Dir hier widersprechen würde (unter der Annahme, dass sie die Grundlagen ihrer Zunft einigermaßen verinnerlicht haben, wogegen mir keine gegenredenden Erkenntnisse vorliegen... ;-) ). Es ist möglich, aber durch Prozess, Beteiligte, Fachdialoge, kritische Begleitung Dritter und die Konkurrenzen schon innerhalb der Disziplinen hoch unwahrscheinlich. Daher schrub ich auch schon, dass man als Laie irgendwo den Cut machen muß nach pflichtgemäßer Einsichtnahme - ab da kommt jeder irgendwann an den Punkt, an dem ersiees "vertrauen" muß oder alternativ in der Kampfform: "put up or shut up" (meint man wenigstens).

Zitat von: Pelacani am 06. November 2014, 14:51:07
Angemessenheit von Maßnahmen... nach Fukushima einfällt...
Hm. Hinsichtlich der WG-Reports weiß ich nicht, wie ich sortieren soll. Der 2007er hat "ihr" hier keine Handhabe gegeben, der 2013er auch nicht. Ebenfalls keine Handhabe lag vor, als die damalige Merkel-Regierung den Ausstieg vom Ausstieg beschloss. Es lag auch nicht an den IPCC-Reports, dass eine deutsche Bundesregierung beschloss, in ein jahrzentelanges Moratorium einzutreten. Wenn man aus dem Kreis der häufig genannten Experten ein paar herauszieht, dann findet man sehr nachdrückliche Befürwortungen pro-Kernkraft (Hansen als prominentestes(?) Beispiel) - und zwar nicht für esoterische Neukonzepte, sondern brutale Typ-I-Sieder, wenn nix anderes da ist. Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob Frau Merkel und ihre Fachminister die Reaktoren "am Tag danach" nicht mehr für sicher hielten - im Gegenteil glaube ich eher, dass die Entscheider mit Blick auf die Hysteriekurve äußerst kühl und gekonnt das politisch gefährlich werdende "Ausstieg vom Ausstieg"-Spielchen entsorgt haben. Ich könnte mir vorstellen, dass das große Unglück in Japan sogar "wie gerufen" kam. Egal - auf jeden Fall sehe ich keine Verbindung zu den Sachstandsermittlungen der Forscher.
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ajki

Zitat von: Groucho am 06. November 2014, 15:27:34
zum IPCC und dessen Glaubwürdigkeit. Da gab es in der Vergangenheit massive Probleme.

Ja, da war eine Optimierung fällig. Vor allem der einmonatige Verzug beim Errata war eine Schlechtleistung. Andererseits hat das auch schön gezeigt, wie intensiv das IPCC überwacht wird (mal von der Selbstoptimierungsbereitschaft abgesehen) - mir scheint es sehr unwahrscheinlich, dass da irgendwas hinter den Kulissen bleibt. Und der bekannte Glaziologe und Lead-Autor des Abschnittes mit dem gravierenden Fehler Schellnhuber wird sich aus Scham und Schande in der Öffentlichkeit wohl nicht mehr blicken lassen dürfen ;-)

Ich bin auch mal (mäßig) gespannt, ob und was da eventuell an "Hauen und Stechen" herauskommen wird beim SRfP. Die Adressaten selbst vermute ich dabei allerdings nicht als Akteure. Für die Beschäftigung mit so einem Kram halten die sich Referenten und Stäbe (wenn sie sich überhaupt damit beschäftigen - meine Skepsis diesbezüglich hatte ich ja schon anderweitig formuliert).

Zu Bojanowski, dem Spiegel und den dortigen kreativen Leistungen sage *ich* lieber nix - sonst muß ich vielleicht schon wieder um Ehrlichkeit&Anstand kämpfen ;-)
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Groucho

Zitat von: ajki am 06. November 2014, 16:57:18
Zu Bojanowski, dem Spiegel und den dortigen kreativen Leistungen sage *ich* lieber nix - sonst muß ich vielleicht schon wieder um Ehrlichkeit&Anstand kämpfen ;-)

Ich schrieb ja auch "der Einfachkeit halber". Die Zitate, die da stehen, werden wohl nicht falsch sein, egal, was man von dem hält.

Krebskandidat

Zitat von: Groucho am 06. November 2014, 15:27:34
Politiker mögen keine Unsicherheiten.

Schon paradox, wenn man bedenkt, wie sie selbst mit vagen Aussagen rumeiern.  ;)
"wenn gott nicht das universum und unsere physik gesetze geschaffen hat dann wie kann es sein dass wasser bei genau 0 Grad friert und bei genau 100 Grad kocht? Zufällig 2 runde zahlen, was wäre die wahrscheinlichkeit?"