Neuigkeiten:

Wiki * German blog * Problems? Please contact info at psiram dot com

Main Menu

Galileo Galilei – übereifrig, skrupellos, verwildert

Postings reflect the private opinion of posters and are not official positions of Psiram - Foreneinträge sind private Meinungen der Forenmitglieder und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung von Psiram

Begonnen von bayle, 04. Januar 2013, 23:27:26

« vorheriges - nächstes »

bayle

Im Wiki-Beitrag ,,Galilei-Vergleich"
http://psiram.com/ge/index.php/Galilei-Vergleich
ist ein Artikel aus DIE WELT von Paul Badde verlinkt.
http://www.welt.de/kultur/history/article110550586/Galileo-Galilei-uebereifrig-skrupellos-verwildert.html
Das hat mich neugierig gemacht:

Paul Badde: Galileo Galilei – übereifrig, skrupellos, verwildert

ZitatAls Märtyrer der modernen Geistesfreiheit wird Galileo Galilei noch heute gefeiert. Dabei ziehen zahlreiche Forscher eine Linie von dem Florentiner Gelehrten bis zum Bau der Atombombe.
Aha. Hätte Galilei die Klappe gehalten, gäbe es keine Atombombe?

ZitatEs hatte lange gedauert, bis die heilige Inquisition Galileo Galilei zum Widerruf verurteilte. Erst am 22. Juni 1633 musste er seiner, wie es hieß, Irrlehre abschwören, dass die Sonne die stehende Mitte des Universums sei (was sich in seinen Augen etwa auch durch das Vor und Zurück von Ebbe und Flut im Gezeitenwechsel empirisch beweisen ließe).
Wie war das mit den Phasen der Venus und mit den Jupitermonden? Aber kleine Irrtümer wiegen nun mal schwerer als große Leistungen.

ZitatDass die Sonne hingegen morgens im Osten auf - und abends im Westen untergeht – also "geht", wohlgemerkt, und nicht steht! – sieht aber auch heute noch jedes Kind. Damals hielten das deshalb auch viele Geistesgrößen noch für das Wahrscheinlichere, weil es eben so augenscheinlich ist. Doch darum ging es in dem berühmten Prozess gegen Galilei gar nicht.
Sondern? Übrigens hat der Dichter das Augenscheinliche dieses Vorgangs auch noch einmal rekapituliert:

EIN MÖNCH spielt Komödie: Mir schwindelt. Die Erde dreht sich zu schnell. Gestatten Sie, daß ich mich an Ihnen einhalte, Professor. Er tut, als schwanke er, und hält sich an einem Gelehrten ein.
DER GELEHRTE mitmachend: Ja, sie ist heute wieder ganz besoffen, die Alte. Er hält sich an einem anderen ein.
DER MÖNCH Halt, halt! Wir rutschen ab! Halt, sag ich!
EIN ZWEITER GELEHRTER Die Venus steht schon ganz schief. Ich sehe nur noch ihren halben Hintern, Hilfe!
Es bildet sich ein Klumpen von Mönchen, die unter Gelächter tun, als wehrten sie sich, von einem Schiff im Sturm abgeschüttelt zu werden.
EIN ZWEITER MÖNCH Wenn wir nur nicht auf den Mond geschmissen werden! Brüder, der soll scheußlich scharfe Bergspitzen haben!
DER ERSTE GELEHRTE Stemm dich mit dem Fuß dagegen.
DER ERSTE MÖNCH Und schaut nicht hinab. Ich leide unter Schwindel.
DER DICKE PRÄLAT absichtlich laut in Galileis Richtung: Unmöglich, Schwindel im Collegium Romanum!
Großes Gelächter.
[Brecht, Leben des Galilei, 6. Szene]

ZitatSchon 1507 hatte Nikolaus Kopernikus im Ermland an der Ostsee die Hypothese aufgestellt, dass "die Erde sich nicht um die Sonne dreht, sondern umgekehrt" und dergleichen mehr. Die Behauptung konnte einiges besser erklären als die alte Hypothese des Ptolemaios, für den die Erde im Zentrum des Universums liegt (wofür dem Augenschein nach ja auch einiges spricht).

Im spanischen Salamanca wurde jedenfalls seit 1561 schon das eine wie das andere Weltbild gelehrt. Doch weder das eine noch das andere ließ sich damals oder auch im Jahr 1633 schon wissenschaftlich beweisen. Bis zu einem solchen Beweis aber, hielt die Inquisition Galilei vor, müsse auch er ein wenig selbstkritischer und skeptischer mit seinen Thesen sein.
Die Aufforderung zu etwas mehr Skepsis und Selbstkritik hat durchaus etwas Überzeugendes, wenn im Hintergrund ein Scheiterhaufen errichtet wird.

Zitat"Der Narr will die Astronomie umkehren"

Davon wollte der schillernde Gelehrte nichts wissen. Es war ihm auch egal, was die Bibel dazu sagte und welche Wirkung seine umstürzende Entdeckung auf die einfachen Leute haben mochte. Luther und Calvin hatten sich schon über die Anmaßung des Kopernikus empört, der vor Galilei ähnlichen Unfug behauptet hatte. "Der Narr will die ganze Kunst Astronomiae umkehren", hatte etwa Doktor Luther über den Ermländer Astronomen geurteilt.
Ja, Himmelsakra, die Bibel war ihm egal? Die Protestanten werden gleich mit in die Haftung genommen, wenn auch zu Recht. Luther war intellektuell nicht auf der Höhe seiner Zeit.

ZitatUnd nun ließ in Rom Papst Urban VIII. ein Jahrhundert später dessen bizarren Schüler Galilei immer noch milde gewähren (weil er so lange einen Narren an ihm gefressen hatte). Erst am 22. Juni 1633 verpflichtete der Pontifex ihn endlich, seine Irrtümer hinter dem Pantheon in der Aula des Klosters Santa Maria Sopra Minerva öffentlich vor der Inquisition zu widerrufen. Das war schon der ganze Fall Galilei.
Eine schier unbegreifliche Langmut des Papstes und der Inquisition; und warum überhaupt die ganze Aufregung.

ZitatNoch viel länger als dieser Prozess hat es allerdings gedauert, bis die katholische Kirche den Fall wieder aufrollte und Galileo Galilei am 2. November 1992 – vor gerade erst zwanzig Jahren – unter Johannes Paul II. formal rehabilitierte. Er sollte sogar eine Statue im Vatikan bekommen, heißt es seitdem. Gesehen wurde bisher noch nichts davon.
Wenn die Verurteilung gerechtfertigt war, warum dann überhaupt die Rehabilitation? Im Ernst: ein förmliches Verfahren hat es nicht gegeben. Nach jahrzehntelanger Untersuchung hat es eine Rede von Papst Johannes Paul II vor der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften gegeben, in der er die Verurteilung Galileis für ein ,,tragisches gegenseitiges Missverständnis" [tragic mutual incomprehension] zwischen Wissenschaft und Glauben erklärt, das nunmehr der Vergangenheit angehöre.
http://ciret-transdisciplinarity.org/photogallery/VATICAN/JPII_en.pdf
http://www.its.caltech.edu/~nmcenter/sci-cp/sci-9211.html
Das ist eine faktische Rehabilitation, aber alles andere als eine formelle. Sie lässt den katholischen Hardlinern weiter die Möglichkeit, die Verurteilung für gerechtfertigt zu halten.

ZitatDas Urteil wurde nicht unterzeichnet

Im November 2008 distanzierte sich der Vatikan erneut von der Verurteilung durch die päpstliche Inquisition durch die Veröffentlichung einer historisch-kritischen Ausgabe der Prozessakten. Betreut hat das 550 Seiten starke Werk mit vielen neuen Dokumenten Bischof Sergio Pagano, der Präfekt des Vatikanischen Geheimarchivs. Urban VIII. habe das Urteil gegen Galilei ja gar nicht unterzeichnet, hieß es da, außerdem hätten Papst und Kurie nicht geschlossen hinter der Inquisition gestanden.
Wie, das Urteil war also gar nicht rechtsgültig? Nochmal, warum dann überhaupt die Rehabilitation?

ZitatKurzum, es hätte "Irrtümer" gegeben und Papst Benedikt XVI. selbst rühmte nun vor aller Welt den Forscherdrang Galileis, den Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone plötzlich auch als einen "Mann des Glaubens" vorstellte, "der die Natur als ein Buch ansah, dessen Autor Gott ist", und dessen Geist uns lehre, "wie man in den Himmel kommt, nicht wie der Himmel sich bewegt." Sogar eine Totenmesse wurde danach von Erzbischof Ravasi für den armen Sünder Galilei gelesen.

Ganz vom Tisch kriegt der Vatikan den Fall so leicht aber dennoch nicht. Aus zwei Gründen. Erstens ist Galilei längst ein Mythos geworden, der mit der Realität kaum noch etwas zu tun hatte. Zweitens hatte die Inquisition mit ihrem Urteil gegen Galilei recht und nicht umgekehrt. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Kardinal Robert Bellarmin, den höchst barmherzigen Gegenspieler Galileis in der Inquisition, erfüllte nämlich schon im 17. Jahrhundert das moderne Ideal der Wissenschaft des 21. Jahrhunderts, dass jede wissenschaftliche Behauptung nur Hypothese sein darf.
Dieser höchst moderne Wissenschaftler hatte, bevor er so höchst barmherzig war, noch dafür gesorgt, dass Giordano Bruno verbrannt wurde. Und, ähm, war denn der Papst nicht gerade eben noch gegen den "Relativismus"?

ZitatIn jedem Gedanken die pure Wahrheit

Karl Popper hat die Erkenntnis erst 1934 in seiner "Logik der Forschung" klassisch ausformuliert. Davon wollte [sic!] Galileo Galilei hingegen zu seiner Zeit überhaupt nichts wissen. Er sah in jedem Gedanken, der ihm durchs Hirn schoss, nichts als die pure Wahrheit für alle Zeiten, auch wenn sie noch so abstrus war. Hypothetisch konnte er seine Erkenntnisse niemals begreifen.
Er konnte die Jupitermonde, die er mit eigenen Augen sah, einfach nicht als Hypothese begreifen. Und Badde kann offenbar Popper niemals begreifen.

ZitatDeshalb hielt aber auch schon 1908 der französische Physiker Pierre Duhem fest, dass im Prozess gegen Galileo Galilei "die wissenschaftliche Logik" auf der Seite der Inquisition und nicht auf der Seite Galileis gestanden habe, als er sagte: "Angenommen, die Hypothesen des Kopernikus könnten alle bekannten Erscheinungen erklären, dann könnte man daraus schließen, dass sie möglicherweise wahr sind, keineswegs aber, dass sie notwendig stimmen. Um diesen letzten Schluss zu ziehen, müsste man ja beweisen, dass kein anderes System denkbar ist, das die Erscheinungen genau so gut (oder besser) erklärt. Dieser letzte Beweis ist nie geführt worden." Bis Einstein die Relativitätstheorie entdeckte, wie wir heute hinzufügen müssen.

Kurioserweise sind in unserem Zeitalter jedenfalls vor allem atheistische oder agnostische Wissenschaftler der Kirche in ihrem damaligen Disput mit Galilei solidarisch beigesprungen, von dem marxistischen Philosophen Ernst Bloch bis zu dem agnostisch skeptischen Paul Feyerabend, der 1976 in seiner Streitschrift "Wider den Methodenzwang" festhielt: "Die Kirche zur Zeit Galileis hielt sich viel enger an die Vernunft als Galilei selber, und sie zog auch die ethischen und sozialen Folgen der Galileischen Lehren in Betracht. Ihr Urteil gegen Galilei war rational und gerecht, und seine Revision lässt sich nur politisch-opportunistisch rechtfertigen."
Feyerabend ist in der Tat kurios. Bloch ist für Wissenschaftstheorie auch nicht so die erste Adresse.

Zitat"Erbsünde der modernen Naturwissenschaften"

Carl Friedrich von Weizsäcker ging nach ihm noch weiter, als er als konkrete Konsequenz der Haltung Galileo Galileis einen direkten Weg zur Entwicklung der Atombombe erkannte. Ähnlich urteilte auch Bertolt Brecht 1938: "Galileis Verbrechen kann als Erbsünde der modernen Naturwissenschaften bezeichnet werden. Die Atombombe ist sowohl als technisches als auch soziales Phänomen das klassische Endprodukt seiner wissenschaftlichen Leistung und seines sozialen Versagens."
Der Satz kommt so auch in der Wikipedia vor, aber das kann man schon als Brecht-Fälschung jesuitischer Qualität bewerten. Mit "Galileis Verbrechen" meint Brecht den Widerruf.

ZitatDoch es hilft alles nichts. Kritik an Galilei scheint vergebliche Liebesmüh. Er ist die heilige Kuh der Moderne geworden, auch wenn die Inquisition auf die Bitte Papst Benedikt XIV. im Jahr 1741 den Druck der Gesamtausgabe seiner Werke ohne Abstriche gestattete.

Die Inquisition gewährt auf Bitte des Papstes? - Köstlich. Dabei bräuchte er nicht mal mit dem Fuß aufzustampfen, sondern nur in die Hände zu klatschen. Schon mal was von Unfehlbarkeit gehört? Aber Moment mal, Badde hat recht, und Benedikt XIV war weder so vernagelt noch so unfehlbar wie sein Namensvetter.

ZitatWeil Joseph Ratzinger aber 1990 in einem Vortrag in Parma wagte, noch einmal an die oben zitierten Worte des österreichischen Philosophen Feyerabend zu Galilei zu erinnern, verwehrten rund 30 Jahre später (im Januar 2008) ein Netzwerk hyperventilierender Studenten mit 67 Dozenten Benedikt XVI. einen "unangemessenen Besuch" in der römischen Universität Sapienza, die von dessen Vorgänger Bonifatius VIII. im Jahr 1303 gegründet worden war. Der Papst hatte hier eine Rede gegen die Todesstrafe halten wollen. Der Hysterie um die Causa Galilei wegen sagte er den Besuch dann ab.
Sozusagen: Diese Elenden unternahmen die gewalttätigsten Attacken auf ihre treusorgende Mutter, die sie verleugneten.

ZitatMarketing-Genie mit Verfolgungswahn

Der Fall G. ist also ein heiliges Tabu der Moderne, und es braucht eigentlich schon einen so frechen Hundling wie den Kisch-Preisträger Hans Conrad Zander aus der Schweiz, der es wagen darf, ihn "rücksichtslos, überheblich, größenwahnsinnig", jedoch auch ein "Marketing-Genie (mit Verfolgungswahn)" zu nennen.

Bei diesem "epochalen Januskopf" redet sich der ebenso witzige wie bedächtige Schweizer heute noch in Fahrt. Der "Champion der Emanzipation der Wissenschaft aus kirchlicher Knechtschaft und Märtyrer moderner Geistesfreiheit", sei, von vorn betrachtet, "das schöne Gesicht der Kultfigur Galilei."

Von hinten betrachtet hingegen habe er "die hässlichste aller akademischen Fratzen: ein Naturwissenschaftler, der übereifrig, skrupellos sein Wissen und seine Technik in den Dienst politischer Tyrannen stellt. Der Archetyp des verwilderten Naturwissenschaftlers heißt Galileo Galilei."

Gnädiger urteilt über ihn in unserer Zeit wieder einmal nur die römische Kirche, etwa Kardinal Brandmüller, der den "gläubigen Katholiken" zwar für einen "eitlen, von seiner Bedeutung zutiefst überzeugten Gelehrten hält, der sein Konto manchmal überzogen hat und im Umgang mit Kollegen und Konkurrenten gewiss keine Bisshemmungen kannte."
So weit ist es nun gekommen: Galilei muss vor den frechen Atheisten von der Römisch-Katholischen Kirche in Schutz genommen werden. Übrigens ist es schon eigentümlich, jemanden, der ein Buch geschrieben hat mit dem Titel ,,Zehn Argumente für den Zölibat", als Kritiker der Katholischen Kirche zu präsentieren.

ZitatDer Kerker mit der besten Küche Roms

Seine Verurteilung sei dennoch "wohl begründet" gewesen. Denn erstens habe er die Druckerlaubnis für seinen "Dialogo" auf unlautere Weise erschlichen. Zweitens habe er nicht auf die Forderung des Heiligen Offiziums eingehen wollen, seine Theorie über den Heliozentrismus als astronomische, physikalische Hypothese zu vertreten und eben nicht als exakte Beschreibung der kosmischen Realität.
Hätte er sie auf lautere Weise erschlichen, der Heliozentrismus wäre durchgegangen.

Zitat"Genau damit hat die Heilige Inquisition damals aber schon den wissenschaftstheoretischen Standpunkt vorweg genommen, den die modernste theoretische Physik heute einnimmt – und nicht Galilei. Das war der Kern des Streits. In naturwissenschaftlicher Hinsicht war die Inquisition im Recht – und Galilei mit seiner Bibelerklärung!"

Doch die eigentliche wissenschaftliche Bedeutung Galileis habe weniger mit seinen astronomischen Beobachtungen zu tun, sondern vielmehr mit seinem Spätwerk über die Mechanik, das er in seinem angeblichen "Kerker" im Palast des Heiligen Uffiziums bei der besten Küche Roms begonnen und nach seiner Verurteilung durch die Inquisition vollendet hat. Dass sich die Erde dennoch bewege – seinen angeblich berühmtesten Satz ("Eppur si muove") – hat ihn dabei keiner jemals murmeln gehört.
Ich will auch einen Prozess von der Inquisition! Was wäre eigentlich geschehen, wenn Galilei nicht widerrufen hätte? Im Kern ist es natürlich ebenso realistisch, von der Inquisition im 17. Jhd. zu verlangen, auf eine Verurteilung Galileis zu verzichten, wie im 20. Jhd. von Honecker zu verlangen, die Mauer abzureißen.

ZitatIn unserer Zeit wurde die Raumforschungssonde "Galileo" nach ihm benannt, die von der Nasa 1989 ins All und 2003 im Schwerefeld des Jupiter gezielt zum Absturz gebracht wurde und verglühte. Der Fall Galileo Galilei aber bleibt der Treppenwitz der Geistesgeschichte des blauen Planeten.

Man spürt ein gewisses Bedauern, dass die Causa Galilei nicht mit verglüht ist.

Binky

Ja. Nach dem Atombombenvergleich wurde es mir blümerant in meinem Ideologiedetektor. Angesichts der nahenden Bettruhe neheme ich es mir aber heraus, das Elaborat morgen nochmals genauer zu lesen.

Wolleren

Der Autor Paul Badde konstatiert aus nichtigen, gelogenen und dummheitsgetriebenen Argumenten:
ZitatDer Fall G. ist also ein heiliges Tabu der Moderne, ...
Dieses "also" verdient Beachtung, denn es hat Vorbilder bei unserer Klientel, z.B. "Die Quantenphysik hat bewiesen, dass alles mit allem zusammenhängt, "also" kann Energie für Zeitreisegeneratoren aus Quantentensoren gewonnen werden.

- Nichtig ist, ob Galilei charakterlich ein netter Kerl war.
- Gelogen ist, was bayle als Brecht-Fälschung jesuitischen Ausmaßes bezeichnete, nämlich die Uminterpretation Brechts.
- Dummheitsgetrieben ist es, Popper auch nur zu erwähnen. Denn Galilei hatte ja schließlich Beobachtungen vorzuweisen, die dem gängigen Astronomiemodell widersprachen, und diese Beobachtungen waren sogar reproduzierbar. Ganz im Gegensatz übrigens zu Paul Badde.

Bin ja mächtig gespannt, wann sich Paul Badde Servet vornimmt, um festzustellen, dass der friedliebende Calvin völlig korrekt und Servet überhaupt ein zänkischer Typ war, der aus total nachvollziehbaren Gründen abgefackelt wurde, er hätte ja schließlich widerrufen können, nicht wahr.


Das einzig Gute an Baddes Artikel ist, eine Antiposition zur Verklärung Galileis zu beziehen - denn genau diese Verklärung macht ihn zum Objekt des Galilei-Gambits. Insofern ist es auch nicht falsch, diese Antiposition im Wiki zu verlinken, allerdings sollte das nicht unkommentiert erfolgen.

sweeper

Kleine Satzbau-Korrektur für diesen Wiki-Artikel:
ZitatDas Schicksal der von Semmelweis angeregten Hygienevorschriften und der damaligen häufigen Ablehnung im Kollegenkreis steht jedoch die viel häufigere Akzeptanz von evidenzbasierten Neuerungen durch andere Wissenschaftler entgegen, die sich tatsächlich durchsetzten.
Es sollte wohl "Dem Schicksal...steht entgegen..." heißen?
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

Ratiomania

Hoffentlich entdeckt Badde nicht auch noch das Newton was mit dem Manhattan-Projekts zu tun hatte...

Zitat"Genau damit hat die Heilige Inquisition damals aber schon den wissenschaftstheoretischen Standpunkt vorweg genommen, den die modernste theoretische Physik heute einnimmt – und nicht Galilei. Das war der Kern des Streits. In naturwissenschaftlicher Hinsicht war die Inquisition im Recht – und Galilei mit seiner Bibelerklärung!"

Zitat[...]bis zu dem agnostisch skeptischen Paul Feyerabend, der 1976 in seiner Streitschrift "Wider den Methodenzwang" festhielt: "Die Kirche zur Zeit Galileis hielt sich viel enger an die Vernunft als Galilei selber, und sie zog auch die ethischen und sozialen Folgen der Galileischen Lehren in Betracht. Ihr Urteil gegen Galilei war rational und gerecht, und seine Revision lässt sich nur politisch-opportunistisch rechtfertigen."

Stürmt die Labore! Sperrt diese irren Forscher ein! Warum hören sie nicht auf zu forschen, wohl wissend, dass jede gewonnene Erkenntnis ehtisch-soziale Fragen aufwirft oder aufwerfen könnte?

Wissenschaftsterrorismus der unsere Gesellschaft destabilisert! Von Terroristen die durch Gelder eben jener durch sie bedrohten Gesellschaft gefördert werden, oh welch bittre Ironie!


::)

Belbo zwei

Zitat von: Ratiomania am 06. Januar 2013, 14:40:28
Hoffentlich entdeckt Badde nicht auch noch das Newton was mit dem Manhattan-Projekts zu tun hatte...

9/11 ?????


:gruebel

gesine2

Manhattan, Belbo zwei, nicht Chile, der Newton war doch introvertierter nerd, nichts für den CIA. Nee, nee, Manhattan ist ne lecker Eiscreme, ichsachnur PeanutChoc, paßt auch zu nerdigen Ernährungsgewohnheiten - und Newton war ja Universalgenie, hat Blei zu Eiscreme transmutiert...
_____________________
ne schöne jrooß, gesine2

bayle

Noch ein kleines Detail, beim Wiederlesen:

Zitat von: bayle am 04. Januar 2013, 23:27:26
ZitatWeil Joseph Ratzinger aber 1990 in einem Vortrag in Parma wagte, noch einmal an die oben zitierten Worte des österreichischen Philosophen Feyerabend zu Galilei zu erinnern, verwehrten rund 30 Jahre später (im Januar 2008) ein Netzwerk hyperventilierender Studenten mit 67 Dozenten Benedikt XVI. einen "unangemessenen Besuch" in der römischen Universität Sapienza ...

Von 1990 bis 2008 sind es nicht 30 Jahre, sondern 18. Kann auch dem besten Kellner mal passieren, dass er das Datum mit auf die Rechnung setzt.

segeln141

beim ratioblog von M.Hohner habe ich das dem
ZitatFehlschluss#19 Das Galileo-Gambit
ganz ähnliche "Hamlet-Argument" hinzugefügt:

Zitat,,Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Eure Schulweisheit sich erträumen lässt" (Hamlet-Argument)
"There are more things in heaven and earth, Horatio, / Than are dreamt of in your philosophy." 1. Akt,5. Szene
aber es geht ja weiter im Text bei Shakespeare:

Vertraute Hamlet wirklich auf das Wissen in ,,ferner Zeit", wenn der Grund für den Tod seines Vaters dann bekannt ist, wie das Zitat vermuten lässt? Lesen wir weiter in Hamlet bis Ende 2. Akt 2. Szene, dann lesen wir dort
Zitat,,ich will Grund, der sichrer ist"( "I'll have grounds more relative than this" )
Er ist also nicht bereit, dem Geist (ihm erschienen als sein verstorbener Vater) zu glauben, der dem jetzigen König, dem Bruder des verstorbenen Vaters und Hamlets Oheim, die Schuld am Tod seines Vaters zuschreibt. Er bitte eine vorbeireisende Schauspielertruppe, die Mordszene vor der Hoföffentlichkeit zu spielen und begründet dies so: ,,... sie sollen was/ wie die Ermordung meines Vaters spielen vor meinem Oheim: ich will seine Blicke beobachten, will ihn bis ins Leben prüfen. Stutzt er, so weiß ich meinen Weg... ich will Grund, der sichrer ist".
Hamlet geht, nach heutigen Maßstäben, bereits wissenschaftlich vor: er prüft die Vermutung, der Geist habe ihn getäuscht und der jetzige König sei unschuldig. Erst nach der Widerlegung (Falsifizierung) der Vermutung durch das Verhalten des Königs ist Hamlet bereit, zu handeln, und den König zu töten. Die Vermutung ist falsifizierbar und kommunizierbar. In der Falsifizierbarkeit und Kommunizierbarkeit (einer Vermutung/Theorie), nämlich dem Verhalten des Königspaares vor der Öffentlichkeit, liegt gerade der ,,wissenschaftliche" Test.
Das Hamlet-Zitat ist demnach kein Beleg für die Existenz bislang noch nicht erklärbarer Wirkungsweisen/Wirkungsmechanismen alternativ-medizinischer Heilmethoden.
ZitatGanz im Gegenteil, Hamlet möchte, wie die Wissenschaft heute,
Zitat,,Grund, der sichrer ist"
und handelt erst, wenn er seine Vermutung geprüft hat.

ein Zitat aus Goethes Faust geht auch in diese Richtung:
Zitat,,Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar,
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum -
Und sehe, daß wir nichts wissen können!"
Und dann:
,,[Mephistoles] Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
So hab ich dich schon unbedingt!"
(Goethe, Faust I)

Für Bayle:
http://www.welt.de/politik/ausland/article113555261/Der-Mann-aus-Deutschland-kannte-keinen-Karriereplan.html


sweeper

Zitat von: bayle am 12. Februar 2013, 07:00:38
Ich bin gerührt.
"Gerührtheit" ist eine recht oberflächliche Emotion. Als Charakterzug liegt nicht selten eine Neigung zur Sentimentalität zugrunde.
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

bayle

Ich korrigiere mich wie folgt: ich bin zutiefst gerührt.

Belbo zwei

Zitat von: bayle am 12. Februar 2013, 07:27:00
Ich korrigiere mich wie folgt: ich bin zutiefst gerührt.


....und womöglich noch nah am Wasser gebaut?

bayle


sweeper

Zitat von: bayle am 12. Februar 2013, 07:27:00
Ich korrigiere mich wie folgt: ich bin zutiefst gerührt.

Die angemessene Form der Korrektur hätte lauten müssen: "geschüttelt".
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett