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Der Placebo-Effekt - bewusster Einsatz als Therapeutikum??

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Begonnen von niedlich, 10. Mai 2010, 18:20:24

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niedlich

Im Thread " Rationalismus/Skeptizismus vs. Spiritualität " ging es ab 9. May unter anderem um CHI.

Dort schrieb dann Graf Zahl am 10.5.:
ZitatWeil es nicht real ist, kann es kein Heilmittel sein.
Höchstens ein Placebo oder ein hilfreiche Denkweise.

Das ist eine Frage, die mich schon lange umtreibt. Ich lese gerade Simon Singh/Edzard Ernsts Buch "Gesund ohne Pillen" (mann, mann, wer sich den deutschen Titel ausgedacht hat  ??? ).  Dort gibt es ein sehr nettes Kapitel über Placebos (S. 76).
Dort schreibt er:
Zitat"....dass der Placeboeffekt nicht nur auf reine Pseudotherapien beschränkt ist, sondern auch in der Wirkung echgter Arzneien eine Rolle spielt."

Er beschreibt z.B. den Fall des amerikanischen Anästhesisten Henry Beecher:
Beecher arbeitete Ende des Zweiten Weltkrieges in einem Feldlazarett. Der Morphiummangel dort veranlasste ihn zu folgendem Experiment: Er verabreichte seinen verwundeten Soldaten statt Morphium einfach nur reine Kochsalzlösung, gab dem Patienten aber zu verstehen, dass es ein starkes Schmerzmittel sei. Erstaunlicherweise konnte das Placebo selbst die stärksten Schmerzen lindern.
Ist diese Behandlung mit einem Placebo nun ein Heilmittel oder nicht??

Und weiter schreibt Singh:
"Bislang könnte man leicht den Eindruck gewonnen haben, dass der Placeboeffekt auf die Schmerzreduktion beschränkt sei, ...Mit einer solchen Auffassung würde man die Macht und die Reichweite des Placeboeffekts unterschätzen, der bei einer breiten Vielfalt von Leiden hilft.... Tatsächlich haben Wissenschaftler echte physiologische Veränderungen im Körper beobachtet, was darauf hinweist, dass der Placeboeffekt weit über die Psyche des Patienten hinausgreift und sich direkt auf die Physiologie auswirkt."

Vielleicht verstehst du, Graf Zahl, nun auch etwas besser, was ich mit "der psycho-physischen Organismus" gemeint habe. Und daher ist dein Satz:
Zitat"Weil es nicht real ist, kann es kein Heilmittel sein.
Höchstens ein Placebo oder ein hilfreiche Denkweise."
äußerst problematisch. Selbst wenn Chi ein Placebo wäre:
Wenn ich dieses Placebo selbstbestimmt anwenden kann (durch Visualisierungsübungen z.B. ), dann wird das zu einem ECHTEN Heilmittel.
Denn wie Singh sagt: "ein Placebo kann sich direkt auf die Physiologie auswirken."

(womit wir wieder bei meiner These sind, dass sich auch Meditation massiv auf den psycho-somatischen Organismus auswirken kann. Leider erfahren das die meisten Meditierenden nie, da sie nicht lange genug am Ball bleiben)




Bionic

Zitat von: niedlich am 10. Mai 2010, 18:20:24
Er beschreibt z.B. den Fall des amerikanischen Anästhesisten Henry Beecher
Genau das meine ich. Hier erscheint es mir so, als würde Placebos nur eine geringe Wirkung zugeschrieben, aber wenn
solche Fälle wirklich so passiert sind, zeigen sie ja auf dass Placebos eine sehr große Wirkung haben können.
In diesem Punkt frage ich mich dann auch, was dann bei einer Alternativheilmethode schlecht sein soll, wenn deren heilende Wirkung
"nur" ein Placebo-Effekt war. Schlussendlich ist es für den geheilten Patienten doch egal, ob die Wirkung aufgrund eines Wirkstoffs,
oder aufgrund eines Placebos entstand. Das meinte ich auch wegen dem Chi. Der Glaube daran könnte ja auch eine positive
Wirkung haben. Wenn aber Placebos wirklich sogar schwere Schmerzen lindern können, stehlt sich doch die Frage wie
groß deren Wirkkräfte noch sind. Was in der modernen Medizin ist vieleicht nur Placebo.

Wazir

Zitat von: Bionic am 10. Mai 2010, 18:38:08
...Wenn aber Placebos wirklich sogar schwere Schmerzen lindern können, stehlt sich doch die Frage wie
groß deren Wirkkräfte noch sind.... 
OK, wenn,...dann..
Wenn die Schmerzen vorübergehend geringer werden....
....Dann ist durch das Placebo der Krebs (..die Pankreatits, der Knochenbruch) geheilt?
Oder wird dann nur das Zeitfenster, in dem noch eine ECHTE Therapie möglich war, irreversibel geschlossen?

Und ja, Bionic hat recht: Chi ist ein merkwürdiges Gefühl, hab ich während meiner Akupunktur-Ausbildung selbst erlebt.
Aber: Das gesamte Gesummse, dieses Scheinbild von Meridianen, all das ist falsch. Und Akupunktur löst keine physischen Probleme.

Und ja, Bionic hat recht: EsoWatchs Einstellung ist falsch, jedenfalls, was die Uhrzeit angeht.  Es ist mir unbegreiflich, wieso das Problem nicht gelöst wird.

Vogelspinne

Leute, wozu haben wir eigentlich ein Wiki?

Stellt euch mal vor, dort kann man gaaanz viel lesen, wie zum Beispiel auch das hier:

http://www.psiram.com/ge/index.php?title=Placebo

ZitatDas Wort Placebo (auch sympathische Magie, zur Unterscheidung von einem Verum-Mittel mit Wirksamkeitsnachweis) ist lateinischen Ursprungs und bedeutet: ich werde gefallen. Im Mittelalter bezeichnete dieses Wort den Namen einer Totenvesper, weil deren antiphone Antwort damit begann. Diese wiederum geht auf Psalm 116, Vers 9 zurück: "Ich werde wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebenden", woraus "Ich werde wandeln" und irrtümlich "Ich werde gefallen" wurde. Kurz nach 1800 verwendete man diesen Begriff bereits als ein Synonym für ein inaktives Medikament, das gegeben wird, um dem Patienten zu gefallen. Es handelt sich in der Regel um eine Scheinarznei oder eine Scheinbehandlung, die anstelle einer wirksamen Zubereitung gegeben wird. Im Medizingerätesektor kann man Placebos dann einsetzen, wenn man dem zu täuschenden Patienten ein Gerät vorstellt, das nur scheinbar funktioniert. So kann man ein Bioresonanzgerät dadurch zu einem Placebogerät umfunktionieren, dass man zwar die Leuchtdioden und PC-Programme funktionsfähig erhält, die 'Therapiefunktion' des Gerätes aber durch Unterbrechung der Stromzufuhr deaktiviert.

In der Arzneimittelforschung wird ein Placebopräparat dann eingesetzt, wenn es darum geht, den tatsächlichen Nutzen einer pharmakologischen Zubereitung (das sog. Verumpräparat) im Vergleich zu einer Scheinbehandlung zu prüfen. Wirkt Verum nur so gut wie Placebo, ist es nutzlos bzw. hat keine eigenständige, zusätzliche Wirkung bei der entsprechenden Indikation.

In der Naturheilkunde- und Esoterikszene wird dem Placebo gelegentlich eine eigenständige Wirkung zugemessen. Es wird zu einem vermeintlichen Verum hochstilisiert. Dabei wird regelhaft der Effekt einer Scheinbehandlung (Placebobehandlung) von jenem einer für den Patienten offensichtlichen Nichtbehandlung nicht ausreichend abgegrenzt. Auch wird oft der Effekt der Selbstheilung, die bei allen Erkrankungen zu einer (teilweisen oder vollständigen) Gesundung führt, mit dem Placeboeffekt verwechselt.

In den 1950er Jahren wurde durch Beecher[1] die These aufgestellt, dass das Placebo selbst eine medizinische Wirkung habe: It is evident that placebos have a high degree of therapeutic effectiveness in treating subjective responses, deciding improvement, interpreted under the unknown technique as a real therapeutic effect, being produced in 35.2 +/- 2.2% of cases. Damit stellte er die Behauptung auf, dass in jedem dritten Behandlungsfall mit Placebo das Placebopräparat zu einer Heilung führen würde. Diese These hielt sich über Jahrzehnte und wurde sogar in führenden Medizinjournalen immer wieder nachgebetet, ohne dass dafür jemals ein glaubhafter Beweis erbracht worden wäre.

Hröbjartsson und Gotzsche[2] trugen 2001 die Beecher'sche These zu Grabe. Sie analysierten 114 klinische Studien, in denen Placebos bezüglich ihrer angeblichen Wirksamkeit untersucht wurden. Im Vergleich zu einer Nichtbehandlung konnte auf der Basis von 3.795 Patienten die Aussage getroffen werden, dass im Vorher-Nachher-Vergleich zwischen beiden Studienarmen kein signifikanter Unterschied bestand. Somit wirkte Placebo nicht eigenständig, sondern war so 'effektiv' wie eine Nichtbehandlung. In kleineren Studien mit geringen Patientenzahlen viel gelegentlich ein scheinbares Überwiegen von Placebo gegenüber Nichtbehandlung auf, was vor allem bei der Behandlung von Schmerzen der Fall war. Wurden diese Effekte aber in größeren Studien untersucht, verschwanden sie. Zu erklären ist dieser scheinbare Placeboeffekt dadurch, dass in kleineren Studien bereits wenige Patienten, die sich gegenläufig verhalten, zu einem geringen, positiven Placeboeffekt führen können. Dieser methodisch bedingte Fehler verschwindet aber in umfangreicheren Patientenkollektiven.

Außerhalb klinischer Studien, die die (Nicht-)Wirksamkeit von Arzneimitteln prüfen sollen, Placebos zu therapeutischen Zwecken einzusetzen, lehnen Hröbjartsson und Gotzsche (2001) ab.

Die Wirkung von Placebos kann unterschiedlich stark ausfallen[3]:

So wirken per Injektionen verabreichte Scheinmedikamente stärker als solche in Tablettenform.

Sehr große Tabletten wirken besser als kleine, sehr kleine wiederum besser als letztere.

Auch die Farbe und die Gestaltung der Verpackung spielt eine Rolle: Farbige Tabletten wirken stärker als weiße, blaue Präparate wirken beruhigend, gelbe stimulierend, weißgrüne besonders schmerzlindernd, Medikamente mit spürbaren Nebenwirkungen haben auch eine höhere Wirksamkeit. Kapseln besser als Tabletten und solche in Markenverpackungen besser als solche in einfachen Verpackungen.

Placebos, die von einem Arzt in weißem Kittel verabreicht werden, wirken besser als wenn der Arzt nur ein T-Shirt an hat, dies aber wiederum besser, als wenn Pflegepersonal das Placebo verabreicht.

Besonders hohe Placeboeffekte lassen sich mit technischen oder invasiven Maßnahmen erzielen (z.B. Akupunktur).

Auch Operationen sind nach einer schwedischen Studie an mehreren tausend Bandscheibenoperierten sehr wirksam - als Placebo.

Persönlichkeitsfaktoren des Patienten spielen auch eine Rolle - z. B. sprechen ängstliche Menschen besonders gut an.

Wichtigster Faktor für die Placebowirkung ist der Behandler: Ein empathischer, optimistischer Arzt, der eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung herstellen kann, von seiner Behandlungsstrategie überzeugt ist und gute Aufklärung leistet, kann nicht nur beim Patienten subjektiv, sondern auch objektivierbar erstaunliche Effekte erzielen.

Bionic

Zitat von: Wazir am 10. Mai 2010, 18:45:21
Wenn die Schmerzen vorübergehend geringer werden....
....Dann ist durch das Placebo der Krebs (..die Pankreatits, der Knochenbruch) geheilt?
Oder wird dann nur das Zeitfenster, in dem noch eine ECHTE Therapie möglich war, irreversibel geschlossen?
Denke ich mir auch eher so. Bei Schmerzen kann eventuell viel bewirkt werden, aber sicher nicht bei einem Knochenbruch!
Und danke dass du mir teilweise zustimmst!  ;)
Zitat von: Vogelspinne am 10. Mai 2010, 18:47:01
Leute, wozu haben wir eigentlich ein Wiki?
Danke für diese Info. Ja so ähnlich habe ich mir das auch vorgestellt..
Noch was wegen deiner Aussage: "Religion ist heilbar"
Findest du es wirklich richtig Religion nur negativ zu sehen? Atheismus (Zb. Kommunismus) ist auch nicht immer gut.

niedlich

@Vogelspinne:
ZitatStellt euch mal vor, dort kann man gaaanz viel lesen, wie zum Beispiel auch das hier:

Ah, ich sehe. Singhs Buch stand scheinbar Pate für euren Wiki-Artikel  ;D .

In eurem Artikel steht ja auch:
Zitat
Ein empathischer, optimistischer Arzt, der eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung herstellen kann, von seiner Behandlungsstrategie überzeugt ist und gute Aufklärung leistet, kann nicht nur beim Patienten subjektiv, sondern auch objektivierbar erstaunliche Effekte erzielen.

Placebos können also auch objektivierbar erstaunliche Erfolge erzielen. Z.B. kann ein Placebo messbare Auswirkungen auf das Immunsystem haben. Das ist so, Wazir. Und es kam bestimmt schon vor, dass ein Placebo für eine Vollremission bei Krebs gesorgt hat. Spontanheilungen gibt es ja immer wieder (ich meine bei etwa jedem 10 000sten Patienten, kann mich aber irren).
Man kann sich halt nicht darauf velassen, daher sollte man eine erprobte Therapie auf keinen Fall ablehnen.

Zwei Punkte sind aber entscheidend und interessant:

a) Placebos können erstaunliche objektivierbare Effekte auf den Organismus haben. Das ist Fakt. Die Frage ist: kann ich möglicherweise diese Placeboeffekte selbst kultivieren, so dass ich unabhängig bin von einer empathischen Arzt-Patienten-Beziehung? (Stichwort Meditation, Visualisierung etc. ) . Meine persönliche Antwort ist ganz klar: Ja. Und auch die Wissenschaft geht prinzipiell in diese Richtung (Psychosomatik).

b) Ist es moralisch vertretbar, Placebos bewusst einzusetzen??
Mir hat z.B. mal ein Arzt erzählt, dass er Homöopathika bewusst als wirksame Placebos einsetzt.
Ich sehe diesen Punkt sehr kritisch. Kann es sich eine moderne Gesellschaft leisten, sich in diesem Bereich selbst zu verarschen?
Wenn jemand an die "wundersame" Heilwirkung der Homöopathie (und die ganze schwachsinnige Theorie dahinter) glaubt (die  wissenschaftlich durch nichts zu belegen ist) dann ist auch Tür und Tor geöffnet für weitere irrationalen Vorstellungen, die einer Gesellschaft insgesamt gefährlich werden könnten.

Bionic

Zitat von: niedlich am 10. Mai 2010, 19:17:24
b) Ist es moralisch vertretbar, Placebos bewusst einzusetzen??
Eigentlich nicht..
Zitat von: niedlich am 10. Mai 2010, 19:17:24
Mir hat z.B. mal ein Arzt erzählt, dass er Homöopathika bewusst als wirksame Placebos einsetzt.
Ich sehe diesen Punkt sehr kritisch.
Wo ist der Unterschied ob es unwirksame Homöopathie, oder unwirksames Placebo ist?

Vogelspinne

ZitatNoch was wegen deiner Aussage: "Religion ist heilbar"
Findest du es wirklich richtig Religion nur negativ zu sehen? Atheismus (Zb. Kommunismus) ist auch nicht immer gut.

Der Spruch ist selbstverständlich provokativ. Ich habe nichts gegen Religion als Privatsache ohne Wahrheits- und Missionsanspruch. Jeder Dogmatismus weißt religiöse Züge auf und somit kann jede entsprechend fanatische Anschauung als Religion gesehen werden. Ich wende mich gegen Fundamentalismus jeglicher Couleur.

Bionic

Zitat von: Vogelspinne am 10. Mai 2010, 20:00:03
Der Spruch ist selbstverständlich provokativ. Ich habe nichts gegen Religion als Privatsache ohne Wahrheits- und Missionsanspruch.
Ja habs mir gedacht, dass den Spruch eher so meinst..
Ich hab schon was gegen Religion, aber das ist nicht so wichtig. Aber ich verteidige Religion auch, wenn manche sagen
sie wäre völlig unnütz und würde nur Schlechtes hervorbringen.

Vogelspinne

ZitatIch hab schon was gegen Religion, aber das ist nicht so wichtig. Aber ich verteidige Religion auch, wenn manche sagen
sie wäre völlig unnütz und würde nur Schlechtes hervorbringen

Ich bin Atheist und ich finde Religion unnütz, "Opium für das Volk" war ein guter Spruch. Ich stehe jedoch auf Demokratie und dazu gehört eben Toleranz für Andersdenkende im genannten Rahmen.

Bionic

Zitat von: Vogelspinne am 10. Mai 2010, 20:10:25
Ich bin Atheist und ich finde Religion unnütz, "Opium für das Volk" war ein guter Spruch.
Ich bin auch Atheist. Aber denkst du nicht dass Religion gewisse gute Verhaltensgrenzen aufstellen kann? Oder könnte?

Vogelspinne

ZitatAber denkst du nicht dass Religion gewisse gute Verhaltensgrenzen aufstellen kann? Oder könnte?

Was meinst du mit Verhaltensgrenzen?

Nicht zu morden? Nicht zu betrügen? Nicht zu stehlen? Nicht zu missbrauchen?

Ein ethisches Verhalten bedingt niemals als Voraussetzung religiös zu sein.

Schau dir im Gegensatz dazu religiöse Moralvorstellungen an und welches Unheil damit angerichtet wird.


Bionic

Zitat von: Vogelspinne am 10. Mai 2010, 20:37:14
Nicht zu morden? Nicht zu betrügen? Nicht zu stehlen? Nicht zu missbrauchen?
Ja das meine ich. Wenn man Angst vor einer jenseitigen Strafe hätte, würde es eventuell weniger passieren.
Aber ich denke mal dass dies ein Trugschluss ist.. Und es würde ja die Motivation verfälschen.
Wenn man etwas nicht macht, weil es gesetzliche Rückwirkungen gibt, ist das ja ziemlich gut, aber eigentlich
sollte man es nicht machen, weil es einfach unfair ist. Aber das ist halt auch wieder schwierig zu bestimmen.
Aber meinst du es auch so ähnlich?

Tilly

Jeder Arzt setzt Placebos ein, manchmal unbewusst. In Kliniken werden Placebos gezielt in therapeutische Konzepte eingebaut: Farbe der Wände oder häufige Kittelreinigung. Blutflecken sind Nocebos wie ungewaschene Haare oder Mundgeruch. Dies wird übrigens auch in Kursen vermittelt.

Homöopathika als Placebos einzusetzen, wenn dabei keine effektive Therapie gestört wird (alles andere ist kriminell) ist zweischneidig: man kann zwar den Placeboeffekt mitnehmen, belügt aber den Patienten. Das heisst, Du (zer-)störst das Arzt-Patient Verhältnis. Denn auf die Frage: ,,Frau Doktor: wirkt denn das ?" wird die Ärztin kurz mit den Augen klimpern müssen und ,,ja natürlich" antworten, denn sie will die positiven kurzfristigen Suggestionseffekte des Placebos. Der erfahrene Patient hat sie nun in der Hand und wird sie zukünftig aus seiner Hand fressen lassen und alle weiteren Diagnosen und Therapievorschläge mit ihrer Lüge vergleichen. Er/sie wird misstrauisch bleiben.

Neulich war ich in der Apotheke und erlebte etwas sehr merkwürdiges:

Eine <Hypothesenmodus> (ich würde sagen) esoterisch aussehende <Hypothesenmodus aus> Dame mit langem lila Rock, und einer spitzen weissen Zipfelmütze (so wie beim Ku-Klux Clan oder wie bei solchen spanischen katholischen Prozessionen) kam barfuss zusammen mit mir in die Apotheke. Jeder ging zu einer anderen Apothekengehilfin an den Tresen. Aus Höflichkeit habe ich nicht mitgehört was sie wollte, aber sie hatte kein Rezept sondern liess sich beraten. (ich hatte ein Rezept und wusste nur etwas warten). Ich glaube sie wollte was zum Einschlafen. Auf jeden Fall drückte ihr die perfekt modisch geschminkte und gestylte Mainstream-Verkäuferin was in die Hand. Die nach Alternativmedizin aussehende Kundin laut: ,,was Homöopathie ? Ich wollte doch was was sofort wirkt !" Jetzt gingen meine Öhrchen in Lauschposition. Die Verkäuferin: ,,ja, sehen Sie: da steht es doch:" (den Beipack vorlesend) ,,jede Stunde einnehmen ! Sehen Sie, das wirkt natürlich sofort wenn Sie das so oft nehmen" Die Kundin mit der lustigen Mütze war aber gar nicht zufrieden und guckte immer skeptischer, sodass die Verkäuferin überhaupt nicht wagte noch was zu sagen. Mürrisch zahlte die Frau und ging wieder.

rincewind

Zitat von: Bionic am 10. Mai 2010, 20:52:53
Zitat von: Vogelspinne am 10. Mai 2010, 20:37:14
Nicht zu morden? Nicht zu betrügen? Nicht zu stehlen? Nicht zu missbrauchen?
Ja das meine ich. Wenn man Angst vor einer jenseitigen Strafe hätte, würde es eventuell weniger passieren.
Aber ich denke mal dass dies ein Trugschluss ist.. Und es würde ja die Motivation verfälschen.
Wenn man etwas nicht macht, weil es gesetzliche Rückwirkungen gibt, ist das ja ziemlich gut, aber eigentlich
sollte man es nicht machen, weil es einfach unfair ist. Aber das ist halt auch wieder schwierig zu bestimmen.
Aber meinst du es auch so ähnlich?

Es ist ein absolut trauriges Menschenbild welches die Kirche da Jahrhunderte verbreitet hat, dass der Mensch per se schlecht, und nur durch Abschreckung vor Untaten zurückzuhalten wäre. Warum dieses Märchen verbreitet wurde und wird, ist offensichtlich, es dient der eigenen Legitimation.

Ethisches Verhalten im Sinne des Nicht-Begehens erwähnten Untaten ist dem Menschen erstmal immanent, das ist schon rein evolutionär äusserst sinnvoll. Es gibt dazu auch schöne Untersuchungen.

Man schaue auch mal, wie viele Atheisten wegen Mordes angeklagt sind ...